Jetzt bin ich also Titelverteidiger. Eine ungewohnte Situation, da ich in meinem Dasein als Fan des Karlsruher Sportclubs noch nie einen Titel zu verteidigen hatte. Doch die Tatsache, dass mein Gegner im Blogduell ein Bayern-Fan aus dem Rheinland ist und ich wir den Klassiker Borussia Mönchengladbach gegen Bayern München zerbloggen dürfen, lässt mich dann doch zumindest höchst motiviert dieses fremde Terrain betreten.

Ich hatte mal eine Affäre, sie ging einige Jahre, war aber ohne größere Bedeutung und konnte meine große Liebe nie ernsthaft in Gefahr bringen. Es war reine Abwechslung vom Einerlei, nichts Verhängnisvolles, einfach nur ein wenig ein Einblick in eine andere, etwas glamourösere Welt und mich machten eben ein paar Dinge an ihr so richtig scharf. Ich war neun und die Schuld an diesem Seitensprung trägt mein Vater.

Wir saßen vor dem elterlichen Schwarz-Weiß-Gerät und schauten gemeinsam das DFB-Pokalfinale der Saison 1983/84 zwischen Borussia Mönchengladbach und Bayern München im Frankfurter Waldstadion. Ich wusste nicht viel, aber ich wusste zumindest, dass man für eine Mannschaft Partei ergreifen muss – wenn schon das eigene Lieblingsteam nicht spielt – und deshalb fragte ich meinen Vater, wem er denn die Daumen drückt. Die prompte Antwort lautete: "Ich bin für Gladbach, die ware mol richtig gut un die Bayern kanne eh ned leide."

Verknallt in Uwe Rahn
Also war ich eben auch für Mönchengladbach, auch wenn ich damals meinte, sie hießen Münchengladbach, was mich dann wiederum etwas irritierte. Das Spiel endete 8:7 nach Elfmeterschießen für die Bayern, Lothar Matthäus hatte in seinem letzten Spiel vor seinem Wechsel an die Säbener einen Elfer übers Tor gebügelt und wurde damit genauso zum "Judas", wie ich. Denn natürlich wechselte ich nicht die Seiten und wurde zum Erfolgsfan – eine Tatsache für die ich übrigens auch nach 25 Jahren und keinem einzigen Titel dankbar bin.

Nein, ich hatte mich als KSC-Fan in eine andere Mannschaft verknallt und das äußerte sich auf verschiedenste Arten und Weisen: Ich nannte mich fortan auf dem Bolzplatz nicht mehr Emanuel Günther sondern wahlweise Hans Jörg Criens, Frank Mill oder Uwe Rahn – ich war schließlich Stürmer und wer von den dreien die meisten Tore erzielte, hatte meine Gunst. Zudem malte ich ganz gerne die Gladbacher Raute und das Erdgas-Trikot auf Mäppchen und Blöcke, handelte die Gladbach-Aufkleber im Panini-Album zu unverschämten Summen und bestellte mir obendrein den VfL-Fankatalog, der damals aus drei Seiten bestand.

Darin waren nicht nur sämtliche Fanartikel, sondern auch die aktuellen Trikots in weiß und hellblau (wer eines hat, bitte melden – ich zahle zu Panini-Preisen!) – präsentiert von zwei leichtbekleideten Damen, was mich damals aber sicher nur unterbewusst noch schärfer machte. So richtig setzte ich meinem eigentlich ja geliebten KSC aber damit die Hörner auf, dass ich fortan wusste, wie ich die Sommerferien zu nutzen hatte: Mitte der 80er pflegte Borussia Mönchengladbach die Tradition, unmittelbar in der Nähe meines Heimatdorfes sein Trainingslager abzuhalten – Fremdgehen leichtgemacht.

Seitensprung in der Sportschule
Und natürlich war es da oberste Passion mit wochenlanger Vorfreude, dort Jahr für Jahr mehrere Tage zu verbringen, um Autogramme und an Uli Sudes Kasten vorbeigeflogene Bälle zu sammeln. Und sie waren alle da und schossen daneben – Hans Günther Bruns, Uli Borowka, Hans-Jörg Criens und natürlich mein Idol Uwe Rahn. Es war herrlich, auch wenn der noch nicht dabei war. Jedoch nahm diese Liaiaon mit schwarz-weiß-grün ein jähes Ende – genauer gesagt am 19. November des Jahres 1988.

Vier Jahre hatte ich Gladbach nebenbei laufen, doch dann spielte die Geliebte wieder einmal in Karlsruhe, unterlag mit 1:3, doch das Spiel wurde annulliert. Christian Hochstätter hatte bei eindeutigem Ergebnis für den KSC angeblich ein Feuerzeug an den Kopf bekommen und war ach so böse getroffen, dass er nicht weiter spielen konnte. Ich war empört und dann beim Wiederholungsspiel in voller blau-weißer Montur zugegen, als Günther Thiele (von dem ich ohnehin nichts hielt) in der 90. Minute den 2:2-Ausgleich für den VfL erzielte.

Da war Schluss und ich ließ mir das sogar schriftlich geben – im folgenden Sommer suchte ich wieder das Trainingslager von Borussia Mönchengladbach auf und holte mir genau eine Unterschrift. Die vom damaligen Gladbacher Trainer Wolf Werner, der außerdem so gar nichts hatte von unserem charismatischen Winnie Schäfer. Ich ließ ihn auf der Eintrittskarte des Wiederholungsspiels signieren und damit war das Kapitel Mönchengladbach ein für alle mal erledigt. Ohne Reue für die verschenkten Jahre, aber endgültig.

Dat erzähl ich meine Enkel
Nun spielt Borussia Mönchengladbach wieder gegen Bayern München, in Werthers Echte-Manier bin ich nun der Vater und was wohl würde ich meinem noch ungeborenen Sohn am Samstag antworten, wenn er mich fragte, welchem Team der beiden ich denn die Daumen drücke, wenn der KSC schon gleichzeitig in Cottbus verliert? Richtig: "Ich bin für Gladbach, die ware mol richtig gut un die Bayern kanne eh ned leide." Also sage ich voraus: Borussia Münchengladbach gegen Bayern München 1:0 durch einen Elfmeter von Marko Marin.

Und zwar in der Hoffnung des noch immer kleinen Jungen im inzwischen Manne, dass MarinBaumjohannColautti und von mir aus van den Bergh zu den wahren Erben von RahnBrunsCriens und Herlovsen werden und den Bayern ein Schnippchen schlagen können. Und auch wenn es mein Sohn nicht ganz versteht und selbstverständlich irgendwann Blau-Weißer wird – Bayern-Fan wird er sicher nicht und vielleicht kriegt er auch irgendwann mein Erdgas-Trikot. Das mit der Nummer acht. Von Uwe Rahn.

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Blau-weiß an, aber Erdgas noch nicht vergessen