Seit Monaten habe ich mich auf das Spiel meines HSV auf Schalke gefreut.
Ein Spiel zweier vermeidlicher Top-Mannschaften, in einer der schönsten Arenen Deutschlands. Fußballerherz, was willst Du mehr?
Also stieg ich Sonntagmorgen in Berlin in den ICE des Hauptsponsors des aktuellen BL-Tabellenführers.
Die Zugfahrt war dann das Spiegelbild eines Herta-Spiels. Eigentlich unaufgeregt, die Besucherzahl sehr zurückhaltend. Doch dann wurde es doch noch mal richtig spannend. Als der Schaffner einen Leichenfund vor Wolfsburg mit einer erwarteten Verspätung von 90 Minuten verkündete, fühlte ich mich, als säße ich im Olympiastadion. Du ahnst nichts Böses und auf einmal ist die Action da.
Und ich bekam eine Ahnung wie sich Hertas-Gegner fühlen, wenn sie sich nach dem Spiel fragen müssen:
„Warum haben wir heute eigentlich verloren?"
Aber so ist das Leben.
Übrigens: Die Bahn war dann doch „nur" 50 Minuten verspätet und die Informationspolitik war hervorragend. Kompliment an die DB.
Meinem Besuch in der Bierarena auf Schalke stand als nichts mehr im Wege.
So kam ich voller Hoffnung ins Stadion.
Olic würde uns zum Sieg schießen, da waren wir uns sicher.
Und wir waren alle der Meinung, dass Schalke so richtig loslegen würde, um wieder Anschluss nach oben zu finden.
Doch dann geschahen zwei Dinge, die uns HSV-Fans irritiert haben.
1. Musste der HSV mit einer besseren B-Mannschaft antreten, in der auch Olic wg. einer Grippe nicht spielen konnte. Die erste Frage die uns durch den Kopf schoss als wir die Mannschaftsaufstellung sahen: „Wie wollen wir hier gewinnen?".
Also beschlossen wir, mit einem Punkt zufrieden zu sein.
Und dann geschah das zweite Ereignis. Als wir im Stadion ankamen verströmte das Publikum das Aroma purer Angst.
Bei der Mannschaftsaufstellung des Gastgebers gab es bei einigen Spielern leichte Pfiffe zu hören, die dann deutlich lauter wurden, als Nutella-Kevin genannt wurde, und zu einem Pfeiforkan wurden, als man Engelhaars Namen verkündete. Den Namen des Trainers konnte man dann vor lauter Pfiffen gar nicht mehr hören.
So sieht es also aus, wenn die Fans ihren Unmut gegen den eigene Verein kundtun..
Da sind dann 61.300 Menschen in der Arena, man erwartet eine Monsterstimmung und was wird daraus schon vor Spielbeginn? Eine einzige Demo gegen (einige)Spieler und den Trainer.
Support war dann während des Spiels auch immer nur ganz kurz zu hören.
Das lag zum einen sicherlich an der Anspannung auf Schalke, aber auch da Spiel gab nicht mehr Grund für Euphorie her. Die erste Halbzeit war eine, in der alle im Stadion sich einig waren: Das wird ein 0-0 Spiel.
Hamburg will nicht verlieren und steht tief. Schalke darf nicht verlieren und hat die Hosen voll. Und so spielten beide auch. Man versuchte hinten dicht zu stehen und keinen HSV-Konter zu bekommen und nach vorne wurde zaghaft und fast ohne Bewegung gespielt. Lediglich Jones und Westermann stemmten sich unter den Augen des Bundes-Jogis gegen das vermeidlich 0-0 und versuchten ihre Mannschaft nach vorne zu treiben. Beide waren bemüht, Akzente zu setzen und die durchaus vorhandenen Lücken in der HSV-Abwehr zu nutzen. Doch ohne Erfolg, denn vom Rest des Teams kam fast nichts. Rakitic ein Ausfall, KK nur noch der Schatten eines Stürmers und Farfan trug sein Trikot spazieren. Lediglich Sanchez versuchte zwei- drei Mal und konnte andeuten, dass er dann doch ein Guter sein könnte..
Und der HSV?
Man versuchte über Pitroipa den einen oder anderen Konter zu fahren. Jansen nahm Ratinha komplett aus dem Spiel und ansonsten wartete man auf Standartsituationen oder ein sonstiges Wunder.
Kommt es nicht, spielt man halt 0-0.
Als in der zweiten Halbzeit das Spiel etwas lebhafter wurde, ohne ein gutes Spiel zu werden, keimte kurz die Hoffnung auf, doch noch das eine oder andere Tor zu sehen. Doch diese Hoffnung löste sich bereits in Luft auf, bis Manuel Neuer dieser Fauxpas unterlief und Guerro das 1-0 für den HSV machte. Ein Tor, quasi aus dem Nichts. Und ein Tor, das vielen Fans der Schalker bereits reichte, um die Arena fluchtartig zu verlassen. Und die Zahl der Fliehenden stieg sprungartig, als Guerro nach einer tollen Kombination gar das 2-0 machte.
Spätestens hier war die kaum vorhandene Stimmung seitens der Schalker beim Nullpunkt. Die 5.000 HSV machten hingegen richtig Party und ließen sich auch nicht vom Anschlusstreffer beirren.
Warum auch?
Denn selbst nach dem Anschlusstreffer in der 81 Minute strömten die Schalker aus dem Stadion. Unfassbar, aber wahr: Da sind noch fast 10 Minuten zu spielen, die eigene Mannschaft macht den Anschlusstreffer und man geht trotzdem.
Und da war mir klar:
Hier ist vieles in den letzten Monaten aus dem Ruder gelaufen. Und zwar heftig. Vor 12 Monaten feierte man noch den Einzug ins CL-Viertelfinale und feuerte dennoch den Trainer. Warum? Ddmit alles noch besser werden würde.
Und jetzt?
In der CL-Quali und im UEFA-Cup früh gescheitert, in der Liga 7 Punkte hinter einem EC-Platz und gar 11 Punkte hinter einem CL-Platz.
Und das schlimmste: Die Fans stehen nicht mehr hinter ihrem Team. Die Fans, die bei jedem Wetter da sind, die ihr letztes Hemd für den Verein geben.
Bitter und ein eindeutiges Votum gegen die Führung auf Schalke.
Und als dann die Trainer mit einer einstündigen Verspätung zur PK kamen, lautete die erste Frage: Wo waren sie so lange? Unterschwellig fragte der Reporter eigentlich: Sie sie gerade gefeuert worden?
Rutten sah auch so aus und was macht er?
Er haut hohle und sinnleere Phrasen raus, die selbst dem letzten Zweifler eines klar gemacht haben dürften: Der Mann ist fertig auf und mit Schalke.

So steht nun ein großer Verein vor den Scherben seines Erfolgs.
Auch und gerade, weil man noch mehr Erfolg erzwingen wollte, um dann den extremen Erwartungshaltungen nicht standhalten zu können.
So hat man nun keinen Manager und wohl auch keinen Trainer mehr.
Und was noch schlimmer ist: Man hat wohl auch kein Konzept.
Wenn es so weitergeht, gibt es auf Schalke nächste Saison kein EC und damit massivste Umsatzeinbrüche. Und die werden sicherlich den dringend erforderlichen Umbau innerhalb des Vereins noch schwerer machen. Zumal der Großteil des GAZPROM-Engagements inzwischen für Fehleinkäufe und Abfindungen ausgegeben wurde.
Es wird Zeit, dass auch Schalke professionelle Strukturen in der Vereinsführung bekommt. Denn nur weil jemand wie Uli Hoeneß aus der fleischverarbeitenden Industrie kommt, ist er noch lange kein guter Fußballmanager.
Schalke ist ein aktueller Beweis, wie schnell Missmanagement (nicht nur einen Verein) von der Sonnenseite in den Schatten führen kann.
Und wenn Schalke nicht aufpasst, wird es zum nächsten Dortmund.
Und etwas schlimmeres kann einem Schalker wohl nicht passieren, oder?

PS Ja, ich bin HSV-Fan. Und ja, ich habe mich über den Sieg riesig gefreut. Und dennoch ist alles hier frei von Häme gegen Schalke.