Der Blog von Kimosch hat Erinnerungen geweckt, Erinnerungen die Ich gerne verdrängt hatte. Gewalt im Fußball ist leider immer wieder Bestandteil in der heutigen Fußballwelt. Ich möchte euch heute in diesem Blog meine eigenen Erfahrungen schildern, was Gewalt im Fußball anrichten kann.

13. Mai.1999. Vatertag.

Es sollte eigentlich ein ruhiger Feiertag werden. Aber es sollte alles anders kommen. Meine Freunde standen an der Haustür und überredeten mich sie zum Spiel Kickers Offenbach gegen Waldhof Mannheim zu begleiten, da sie eine Karte überhätten, weil ein Kollege von uns krank wurde. Im Rückblick wäre Ich auch an diesem Tag besser krank geworden.

Es ging also an den Mannheimer Hauptbahnhof und ab in den Sonderzug Richtung Frankfurt. Klar hatte Ich von den Ausschreitungen im Hinspiel der Regionalliga Süd was mitbekommen, aber die anderen meinten dass es sich so nicht mehr zutragen werde. Als dann am Bahnhof Darmstadt der Zug sich mit Polizisten in voller Montur füllte, machte sich ein kleines Magenziehen doch bemerkbar. Anderseits was sollte passieren mit dieser Heerschar an Polizeipräsenz ging es mir durch den Kopf.

Aber dann doch die erste Schrecksekunde. In Frankfurt angekommen verpassten wir die S-Bahn Richtung Offenbach, weil die Trainer unserer A-Jugend, die wir am Hauptbahnhof in Mannheim getroffen hatten, unbedingt noch was zum Futtern brauchten. Ein Bahnbedienstender erbleichte leicht, als er unsere Gruppe, die ungefähr 15 Mann stark war, erblickte. Ein kurzer Funkspruch später, saßen wir in der nächsten S-Bahn und der gesamte Waldhof-Trupp, der in den vorherigen S-Bahnen abtransportiert worden war, musste in Offenbach auf uns warten.

In Offenbach wurden wir gleich herzlich begrüßt. Eigens für die Waldhof-Fans fand sich am S-Bahnhof von Offenbach ein Kickersempfangs-kommitee ein. Es wurden einige Nettigkeiten untereinander ausgetauscht, ehe es zu einigen Flaschen- und Steinwürfen kam. Nur getrennt von einem Absperrgitter und etwa 100 Polizisten schritt nun der gesamte Mob Richtung Bieberer Berg. Blanke Ironie war auf der Rückseite der Eintrittskarte vermerkt. In großen Buchstaben stand da: "Willkommen im Bus".

Ja, ein Bus, da hätte Ich mich eher darauf gefreut. Zu Fuß ging es aber weiter. Unterwegs zum Stadion nahmen dann die Waldhof-Fans einfach mal eine komplette Tankstelle auseinander. Es wurde einfach alles mitgenommen. Sogar Motorenöl (!). Endlich angekommen am Bieberer Berg ging es sofort ab in den Gäste-Block. Die Personen- und Taschenkontrolle fand fast überhaupt nicht statt, dadurch dass die Polizei die Menge an Waldhofanhänger schnellstmöglich im Block haben wollten.

Es begann das Grauen. Schon vor dem Spiel regnete es Steine. Auf beiden Seiten. Aber es kam noch besser. Während des Spiels, auf dem Höhepunkt der Eskalation konnte man sogar Messer und Dartpfeile durch die Luft fliegen sehen. Und das ist kein Scherz, das habe Ich mir nicht eingebildet und den Stein bekam Ich erst nach dem Spiel ab. In der Zwischenzeit hatte Ich mir einen Überblick über sämtliche Vereinsvertreter machen können. Auf Seiten der Mannheimer befanden sich Fans von Eintracht Frankfurt, Magdeburg und viele weitere. Ebenfalls die Kickers hatten sich für dieses Spiel tatkräftige Unterstützung aus dem gesamten Bundesgebiet gesichert.

Nach dem Spiel mussten die Anhänger des Waldhofs noch ca. eine Stunde im Block verweilen, da die Polizei die wartende Masse an Offenbacher und deren Gefolgschaft vor dem Block erstmal unter Kontrolle bringen und Entfernen musste. Wer den Weg zum Bieberer Berg kennt, weiß welches Gelände vorherrscht. Durch Bäume und dichtes Gestrüpp verborgen feuerten die Offenbacher Steine auf die sich auf dem Rückweg befindlichen Waldhof-Fans. Ich hatte das Glück, das ein Polizist, leider sein Schild nicht rechtzeitig hochbekam, und Flatsch, Volltreffer. Der Stein schlug genau auf Höhe meiner linken Augenbraue ein. Die daraus resultierende Platzwunde war nichts gegen den Schmerz, als die Polizei danach auch noch Tränengas einsetzte. Super dachte Ich, schlimmer kann es nicht mehr kommen.

Der Rückweg zog sich hin und hin und hin. Ein Weg der Zerstörung offenbarte sich. Brennende Müllcontainer und überall Steine verstreut auf der Strasse. Man meinte sich nicht in Offenbach, sondern irgendwo anders in einem Straßenkampf zu befinden. Irgendwo anders, aber nicht in Deutschland. Die Polizei war total überfordert. Bedenkt man im Nachhinein dass das Spiel eigentlich abends stattfinden sollte, stellen sich heute noch die Nackenhaare bei mir. Wir erreichten endlich wieder den S-Bahnhof und fuhren Richtung Frankfurter Bahnhof.

Am Abend angekommen in Mannheim ging’s erstmal ab Richtung Krankenhaus, die erworbenen Wunden zu versorgen. Auch eine Standpauke von meinem Vater konnte Ich mir anhören. Kopfweh hatte Ich ja nicht, nee kein Kopfweh.

Dieses Spiel ging in die Geschichte als Schlacht am Bieberer Berg ein. Solch ein Ereignis wünsche Ich keinem. Wenn Sie sich den Fußball als Kampfplatz aussuchen müssen, dann sollten sich einige Herren Hooligans mal Gedanken machen, das einige Besucher (Familien, Normalos) ebenfalls dieses Besuchen. Von mir aus können Die sich auf irgendeinem abgelegenen Platz sammeln und Ihrem aufgestauten Hass freien Lauf lassen.

Durch dieses Ereignis schrieb der Fußball negative Schlagzeilen. Nur leider waren hier nicht einige am Werk, sondern Tausende. Erschreckend, einfach nur erschreckend. Mir ist auch egal von wem die Provokationen damals ausgingen. Wer angefangen hat und wer nicht, ist mir scheißegal. Es hätte nie soweit kommen dürfen.

Meine Kumpels ließen sich danach T-Shirts drucken mit der Aufschrift:" Wir waren dabei, bei Deutschlands größter Schlägerei". Ich bekam auch eins ab. Heute ist es mir peinlich, dieses getragen zu haben. Als damals 17-jähriger Mensch hatte Ich leider noch nicht den Mut, den Freunden mitzuteilen, wie Scheiße Ich es fand. Sie waren stolz dabei gewesen zu sein. Ich wiederum hätte gerne auf dieses Ereignis und die Erfahrung verzichtet.

Mit freundlichen Grüßen Maulwurfen