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20.01.2011 um 16:57 Uhr
Der Hahnenkamm-Blog 2011
Zugegeben, es ist schwer, in dieses kleine Kästchen einen Blogeintrag zu Kitzbühel und der Streif reinzuquetschen. Meine Freunde des gepflegten Pisten-Rowdytums: Dieses Wochenende ist das Wochenende der Ski-Saison. Ohne Garmisch und seiner Weltmeisterschaft irgendetwas wegnehmen zu wollen.

Kitzbühel ist für den Alpinen Skisport wie Monaco für die Formel 1, Mekka für die Moslems oder Nutten für italienische Ministerpräsidenten: Das Non-Puls-Ultra.

Kitzbühel ist so ambivalent wie kein anderes Ski-Wochenende: Tradition und Pop, Sport und Party, Massenansturm und VIPs. Was die Alpinen an diesem morgen beginnenden Wochenende erwartet, dafür kann ich keinen neuen Superlativ mehr auftreiben. Sind alle schon durch die Jahre verbraucht worden.

Dabei ist mein Verhältnis zu den Hahnenkamm-Rennen ja durchaus gespalten. Ich finde die Streif eine spektakuläre Abfahrt. Aber wenn das Rennen zur Nebensache verkommt, weil man mehr Spaß dran hat, den Alkoholpegel der Interviewten C/D/E-Promis und ihrer Partner(innen) aus dem Showbiz zu erraten, naja... nicht so was für korsakoff.

Die Streif at its best

Erfreuen wir uns lieber an der, nein, der Abfahrtsstrecke - die zweitschönste nach dem Wengener Lauberhorn in meinen Augen. 3,3km lang und im Schnitt ein Gefälle von 27%, kein schwacher Tobak. Spektakulär wird es schon Sekunden nach dem Start mit der Sprung über die Mausefalle, ein Sprung, fast so mächtig wie eine Kleinschanze bei Schmitt und Kumpanen. Das folgende Karussell hat seinen Namen nicht zu Unrecht - die Strecke dreht sich 180°, und hinein in Steilhang zum Schwungholen für ein langes, sehr langes Gleitstück, das man selten öfters als bei #1 und #16 zu sehen bekommt. Nach der Alten Schneise führt die Streif mit einem Sprung auf die Seidlalm, durch den Lärchenschuss aus dem Wald heraus auf den Hausberg. Die Hausbergkante ist eine der markantesten Stellen: Hier springen die Läufer sich in den Fokus der Zigtausenden im Zielstadion. Die letzte halbe Minute führt über die Traverse und den Zielschuss (ca. 140 km/h!) in das Zielstadion.

Dieses lange Stück ins Ziel macht IMHO einen großen Teil der Faszination "Streif" aus. So lange wie in Kitzbühel kann man in keinem Zielstadion den Fahrer beobachten. Dazu kommt, dass die Piloten mit den vielen Schlägen auf der Traverse zu kämpfen haben. Und dazu kommt ein gefährlicher Zielsprung.

In diesem Moment ist Pietät gefragt, also keine Bilder oder Videos von zwei fürchterlichen Stürzen in den letzten Jahren, weil man in Kitzbühel eine Entschärfung des Zielsprunges meidet wie in Rom der Papst das Kondom. Ich habe die Zuckungen bei Scott Macartney vor ein paar Jahren nicht vergessen. Noch präsenter sind die Bilder vom Trainingssturz des Schweizers Daniel Albrecht, der sogar um ein Haar drei Meter unter die Erde geschickt worden wäre. Anyway: The show must go on, und als Armin Assinger nach Macartneys Sturz am Mittag noch die Veranstalter im ORF kritisierte, wurde er zurückgepfiffen: Bei der Renn-Analyse am Abend sprach Assinger plötzlich von einem Fahrfehler des Amis. Die Streif und ihre sakrosanten Veranstalter sind in Österreich unantastbar.

Kitzbühel at its best

Warum ist Kitzbühels Skirennen so berühmt? Zuallererst: Die Strecke - as seen - itself. Dann natürlich die Tradition. Seit 1931 wird das Hahnenkamm-Rennen ausgetragen und ist damit viele, viele Jahre älter als der Alpine Ski-Weltcup. Dann zwei berühmte Söhne des Dorfes: Toni Sailer, Dreifach-Olympiasieger von 1956 und über Jahrzehnte bis zu seinem Tod einer, dessen Wort mit dem eines Franz Beckenbauer vergleichbar war: Es ist Gesetz. Und Hansi Hinterseer, einst Top-Slalomfahrer und heute beliebter Schlagersänger, obwohl alles andere als mit einer göttlichen Stimme gesegnet. Aber ein sympathischer Knapp, von dem auch die Mutter des Schreiberlings bei Zeiten schwärmt. Und noch ein Grund: Es ist das Event itself. Ich mag die Ausschweifungen anprangern - daran, dass Kitzbühel zu dem geworden ist, was es ist, daran sind die Partys, Promis und die Veranstaltungen rundherum nicht unschuldig.

Das Rennen at its best

Ich interessiere mich mehr für das Abfahrtsrennen. Der Kärntner Franz Klammer und der Arlberger Karl Schranz sind etwa hier zu Legenden geworden. Auch die letzten Jahre haben uns Atemberaubendes beschert.

Die Sprintabfahrten Ende der 90er sind meine ersten Erinnerungen an den Skisport. 2003 (allerdings im Super-G am Montag) siegte Hermann Maier zum ersten Mal nach seiner Fast-Fußamputation und vergoss danach sogar Tränen. Maier - der Herminator! 2004 war die Abfahrt. Stephan Eberharter siegte überlegen, aber für die Show sorgte Kristian Ghedina mit einer Grätsche beim Zielsprung. 2008 war das Jahr des Macartney-Sturzes. Aber auch Folgendes bleibt davon in Erinnerung (Achtung, Bode-Miller-Alarm!):


Den Albrecht-Sturz von 2009 habe ich erwähnt. Dieses Rennen gewann damals Didier Defago mit einer spektakulären Linienwahl an der Hausbergkante. Defago legte ein Jahr später - 2010 also - an der Hausbergkante einen nicht minder spektakulären Sturz hin und fand sich nach mehreren Überschlägen im Netz wieder.

Auf der Suche nach den Gansln

Genug der Abfahrt. Kitzbühel hat am Freitag auch einen Super-G zu bieten und vor allem am Sonntag einen Slalom. Nach ein paar Jahren des Suchens ist man gottseidank wieder auf den uralten Ganslernhang zurückgekehrt. Eine Slalompiste, so alt wie altmodisch und so kurz wie keine andere im Weltcup - knapp 40-42 Sekunden lang. Aber das Flair mit den alten Hütten ist einzigartig und das enge, hitzige Zielstadion ebenso. Ich habe am vergangenen Wochenende den Slalom von Wengen gesehen, ein dramatisches Rennen. Der Ganslernhang bietet meist noch mehr und noch kleinere Abstände, weil das Rennen so kurz ist. Vor einem Jahr gewann Felix Neureuther im Hexenkessel.

Noch was? Jo, Kitzbühel ist die letzte Bastion der klassischen Kombination. Die Abfahrtszeit vom Samstag wird mit der Slalomzeit vom Sonntag addiert. Ermittelt wird dabei der einzige und wahre Hahnenkamm-Sieger des Jahres. Eine Gondel vorbeifahrend am Kaiserhof kriegt jeder Renn-Sieger von Kitzbühel nach sich benannt, aber "Hahnenkamm-Sieger" ist nur der Kombinationssieger.

Ich wünsche ein besinnliches Wochenende. Den Lesern, den Skifahrern, den Fans und mir selbst.
Aufrufe: 8906 | Kommentare: 7 | Bewertungen: 10 | Erstellt:20.01.2011
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KOMMENTARE
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korsakoff
20.01.2011 | 17:10 Uhr
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korsakoff : 
20.01.2011 | 17:10 Uhr
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korsakoff : 
Upps. Letztes Update noch eingebaut: Auch 2011 hat schon seine Notoperation hinter sich. Hans Grugger nach fürchterlichem Trainingssturz mit schwersten Kopfverletzungen im Spital. Diesmal war's die Mausefalle. Alles Gute, Hans!
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Inzaghi
21.01.2011 | 15:59 Uhr
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Inzaghi : 
21.01.2011 | 15:59 Uhr
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Inzaghi : 
gfolltmo guit schode dasse va wengen kuan gimocht hosch
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espionage
21.01.2011 | 17:08 Uhr
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espionage : 
21.01.2011 | 17:08 Uhr
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espionage : 
schöner Blog, das faszinierende an der Strecke ist ja, dass es die schwerste Strecke weltweit ist und wenn die Fahrer an ihr Limit gehen, wird es immer wieder diese schweren Stürze geben.
Ich selber war 2008 im Zielraum, als McCartney genau vor mir auf den Boden aufgeschlagen ist, das war einfach nur krass und die besonders harte Ironie war, dass er Geburtstag hatte und der Stadionsprecher Happy Birthday sang, als er zum Sprung ansetzte.
Aber das geile für die Zuseher ist wie gesagt, dass man vom Zielbereich wirklich bis zur Hausbergkante sieht, ein geniales Rahmenprogramm abgehalten wird, eine super Stimmung herrscht und es wie gesagt eine sehr spektakuläre Abfahrt ist.
Und da sie ja soviel Tradition hat, traut sich keiner an diesen Eigenheiten der Strecke zu rütteln.
Und die Fahrt von Miller, im selben Jahr war einfach nur genial, was ich aber noch besser fand, war dass er mit Abstand als Erster mit der Besichtigung fertig war und dann durch alle Leute durch - an mir vorbei - auf Skiern zu seinem Wohnwagen geheizt ist. Einfach ein geiler Typ.
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jasi2106
21.01.2011 | 21:28 Uhr
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jasi2106 : 
21.01.2011 | 21:28 Uhr
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jasi2106 : 
Schöner Blog

Du hast die Faszination richtig schön beschrieben und ich freue mich jetzt schon richtig auf die Rennen die nächsten Tage.
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korsakoff
21.01.2011 | 23:03 Uhr
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korsakoff : 
21.01.2011 | 23:03 Uhr
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korsakoff : 
@espionage

Ich möchte mich als Fan und Zuschauer auch nicht ganz der Verantwortung entziehen, aber ich fände es an der Zeit, mal eine Grundsatzdiskussion zu eröffnen. Es kann nicht sein, dass 2008 Macartney fast stirbt und ein Jahr später der OK-Chef "Hahnenkamm" rausgeht und wieder voller Stolz die "schwerste Streif aller Zeiten" ankündigen darf und alle applaudieren beeindruckt.

Und dann nach Albrechts Sturz ein paar Sendungen über Gefährlichkeit im Skisport und nächstes Jahr wird wieder die schwerste Streif ever angekündigt? WTF?

Heute gabs auch ein, zwei kritische Situationen (Raich!) und nicht immer gehen die glimpflich aus. Spektakel ja. Aber IMHO ist die Grenze bereits überschritten.

Ich bin kein Anfänger-Skifahrer. Aber wenn ich sehe, wie pickelhart und voller Schläge so eine Piste drei Tage nach dem Weltcuprennen ist und du wirfst all die Multiplikatoren (Steilheit, Material (!!!), Rennsituation usw.) mit rein, dann komme ich zu dem Entschluss, dass in der Entwicklung irgendwann irgendwo einer einen Schritt zu weit gegangen ist.

Ich habe diese Zuckungen von Macartney noch nicht vergessen. Und auch nicht, wie im ORF Assingers Kritik ohne Gnade abgewürgt worden ist.

Also: Jedes Jahr gibts Schwerverletzte beim Highlight-Skiwochenende der Saison. Welch "besseren" Moment gibt es, um die Diskussion mal ERNSTHAFT in Gang zu treten?
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Dr_D
24.01.2011 | 08:44 Uhr
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Dr_D : 
24.01.2011 | 08:44 Uhr
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Dr_D : 
Starker Blog. Die Abfahrt ist schon der Hammer, das Drumherum gehört wohl dazu, ist aber auch für mich eher unwichtig.

Gut das du drauf hinweist, daß nur der Sieger der Kombination Hahnenkammsieger ist.

Der Sieger vom Samsatg war der Wahnsinn. Didier Cuche geht beim Sprung in die Mausefalle in der Luft in die Hocke. Andere versuchen da nur auch den Skiern zu bleiben. Saustark.
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Maxi_FCB
21.11.2013 | 13:28 Uhr
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Maxi_FCB : 
21.11.2013 | 13:28 Uhr
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Maxi_FCB : 
Wie ich sehe, bist auch du ein Wintersport-Interessierter!

Dir ist sicherlich aufgefallen, dass auf Spox noch keine funktionierende Wintersport-Community existiert.

Deshalb habe ich die Gruppe "Spox-Wintersport" (http://www.spox.com/myspox/groupmitglieder/Spox-Wintersport,182041.html) ins Leben gerufen!
Ich denke, dass in einer funktionierenden Gruppe eventuell die Möglichkeit besteht, dass mehr User deine Beiträge lesen können.

Also hoffe ich, dass du unsere Gruppe mit weiteren solcher lesenswerten Beiträge bereicherst!
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