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18.08.2009 um 07:57 Uhr
Das nächste Level des Fußballs
Während früher alles auf feste Positionen getrimmt war und jeder Ausflug in die Offensive einen böswilligen Versuch der Rebellion darstellte, sind Spieler bald in ihrer Variabilität kaum noch zu unterscheiden, wenn überhaupt durch ihre eigenwillige Art diese umzusetzen. Sie verzaubern uns schon heute mit Kombinationen, die nur auf starke Ausprägungen sehr verschiedener Talente zurückzuführen sind, und spielen traumhafte Spielzüge aus dem Effeff. Fußball hat sich im großen Stil gewandelt und wird das auch weiterhin.
Dürfen wir das Spielsystem 2.0 bereits willkommen heißen?

Von Umfunktionierern und Andersdenkern
Um sich zu beweisen, müssen bestimmte Dinge beachtet werden, die es überhaupt erst ermöglichen für eine gefährliche Spielweise oder taktische Veranlagung berühmt zu werden. Vereine versuchen sich mit kreativen Schlüsselspielern in neue Sphären zu spielen, versetzen dabei oft Schauer des Zweifels, die erst weichen können, wenn sich die Spielweise etabliert hat und gefürchtet wird. Heute ist es nicht mehr so notwendig mit großen Namen zu glänzen, denn die entstehen durch die Systeme selbst. Der neue Weg des FC Bayern München verdeutlicht, dass das bei großen Vereinen ebenfalls eine Rolle spielt. Van Gaal ist kein innovativer Grenzgänger, er gehört zur Riege der Umfunktionierer und Andersdenker, die Spieler nicht nach deren Marktwerten behandeln, sondern nach den wahren Stärken und der nahtlosen Einsetzbarkeit im jeweilig favorisierten System. Spielertypen, die es früher reihenweise gab, werden mehr und mehr aus dem Sortiment verschwinden. Es bedarf keiner überaggressiven Leader und launischen Diven, heutzutage zählt die Integration, nicht der eigenwillige Charakter eines Profis. In gewisser Hinsicht ist dieser Mannschaftssport globaler geworden, es geht um viel mehr als Namen auf dem Weg ins Rampenlicht. Dadurch riskieren Vereine natürlich auch die zu starke Handschrift eines Trainerfuchses, allerdings eröffnet es zahlreiche Möglichkeiten, die heute zu wenige Mannschaften ausschöpfen. Der Weg führt unweigerlich in Richtung Teambuilding durch homogene Kader und Spieler.

Profis der Zukunft
Auch die Fans empfinden Sport nicht mehr so wie früher. Das Bild vieler Teams wird sich nachhaltig verändern, dabei geht es um die offensichtlichen Gesichtszüge des Konstrukts. Wir können uns darauf einstellen, dass das erst der Anfang ist. In baldiger Zukunft wird Fußball durch weitreichendere taktische Marschruten entschieden, die es umso einfacher machen, gleich mehrere Vereine für die wahren Qualitäten der jeweiligen Mannschaft zu bewundern. Die Stars bleiben natürlich wertvoll und begehrenswert, aber die Attraktivität nimmt im Vergleich zum heutigen Ronaldo-Messi-Ribéry-Hype ab. Der Star ist die Mannschaft, nicht das Individuum. Fußball wächst damit teilweise aus dem Schatten einzelner Ikonen und wird lebendiger. Es geht dabei um die Kreativabteilung, die nicht mehr ein oder zwei Spieler einer Mannschaft darstellen werden, sondern große Teile der aufgestellten Feldspieler (inkl. leicht einzufügender Ersatzkräfte). Schon heute ist es quasi überlebenswichtig, dass ein Spieler mehrere Positionen ausfüllen kann, womit er auf dem besten Weg ist, für seine Mannschaft unverzichtbar zu werden. Die Anlagen der nächsten Generation Profi werden um einiges flexibler und damit wertvoller. Diese Entwicklung zeichnet sich bereits heute ab. Torgefährliche Verteidiger sind da noch eher harmlose Beispiele, viel mehr geht es in Richtung Multifunktionalität. Trainingsmethoden bei Nachwuchsmannschaften deuten schon lange daraufhin, dass der Weg zum Profi um einiges mehr fordert als einen tollen Abschluss. Schon heute werden Talente darauf vorbereitet, in nahezu jedem Bereich des zuständigen Feldabschnitts gleichstark zu sein, ob im Zentrum oder auf den Außen. Natürlich sind Anlagen und Stärken dabei immer noch immens wichtig und zeichnen den einzelnen Spieler aus, aber die Grenzen werden nach und nach verschwimmen.

Die andere Seite des Konzepts
Zu häufig scheitern Mannschaften aufgrund weniger Fehler einzelner Spieler, während das Kollektiv an sich gut funktioniert, sind es diese Momente des Totalausfalls, die es zu verhindern gilt. Aus diesen Gründen versuchen viele Trainer schon heute fieberhaft ihre Mannschaft auf verstärkte gegenseitige Unterstützung und dafür notwendige Dynamik zu trimmen. Das gesamte Team muss jederzeit bereit sein von Angriff auf Abwehr umzuschalten, um die individuellen Fehler möglichst schnell aufzufangen und die negativen Auswirkungen solcher Schnitzer zu dämpfen.
Warum Trainer sich darum bemühen diese Veränderungen zu realisieren, dürfte auch einen anderen, entscheidenden Grund haben: Der einzelne Spieler soll etwas geschwächt (in Bezug auf seine Eigenwilligkeit und Komplexität), aber gleichzeitig auch gestärkt (in Bezug auf seine Variabilität), werden.
Dass das allerdings nicht ohne Weiteres funktionieren wird und viele Profis nicht auf Anhieb in die für sie vorgesehenen Konzepte passen, liegt auf der Hand. Schließlich stehen immer noch Individuen auf dem Platz, die sich nicht fernsteuern lassen und durch ihre (teils eigensinnigen) Ideen Impulse ins Spiel bringen, die kein noch so einstudiertes System garantieren kann. Die Klasse des Einzelnen bleibt das Zünglein an der Waage, wenn es darum geht, ob der entscheidende Spielzug zustande kommt oder vorzeitig scheitert. Insofern wird doch eine Menge individuelle Klasse im Fußball der Zukunft stecken.

Alle Angaben ohne Gewähr
Dieser Ausblick kann als unwahrscheinlich empfunden werden, allerdings zeigen zu viele Zeichen in genau diese Richtung. Individuelle Klasse wird auch in Zukunft Bestand haben, es wird Ausnahmekönner auf den Außen geben und Zementanrührer mit dem richtigen Riecher, aber der Großteil der Profis wird dem Leitbild folgen. All die individuelle Klasse verwässert sich zu schnell mit daraus resultierenden, individuellen Schwächen, die damit zusammenhängen, dass das Spiel mit dem Ball mehr ist als eine starke Ausprägung bestimmter Fähigkeiten. Die Räume werden in Zukunft noch mehr durch das Verschieben und Bewegen ganzer Mannschaftsteile geschaffen, in die entstehenden Räume dringen dann wie eh und je Ausnahmekünstler vor, die die entstandenen Lücken eiskalt nutzen. Das Aber liegt nicht weit entfernt, denn Spielsysteme werden unumgänglich variabler und damit auch abhängiger von Ausgeglichenheit, Multifunktionalität und Anpassungsfähigkeit der aufgestellten Spieler, dadurch verliert aber keiner der Akteure seine fußballerische Identität. Das Team hingegen wird ein neues Gesicht haben, es wird wandelbar und gefährlicher als jemals zuvor.


In diesem Sinne

tobzzzzn
Aufrufe: 3823 | Kommentare: 18 | Bewertungen: 38 | Erstellt:18.08.2009
ø 6.8
KOMMENTARE
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Taktiker
18.08.2009 | 14:24 Uhr
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Taktiker : 
18.08.2009 | 14:24 Uhr
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Taktiker : 
Also sehr schöne Analyse und ein guter Ausblick auf die Zukunft, so wie du sie siehst. Ist bisher das beste was ich hier gelesen habe!

Ich sehe es ähnlich, da es keine wirklich neuen Systeme oder Spielweisen gibt, wird jetzt versucht die Systeme variabler und individueller zu machen. Dabei muss man sich eintscheiden, ob man das System an die Spieler anpasst, oder die Spieler an das System.

Dabei ist die individuelle Klasse nicht mehr so wichtig, allerdings kann man ohne diese auch ncihts reißen. Deswegen ist eine gute Mischung wohl die Lösung, und viele Trainer sind auf einem guten Weg dahin...

Wirklich toller Blog, er kommt sogar in meine Favoriten!
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micotom
18.08.2009 | 21:39 Uhr
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micotom : 
18.08.2009 | 21:39 Uhr
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micotom : 
bin hier über umwege via sternenzerstörer-blog draufgekommen (hatte also doch was nützliches, das geseier). speziell aufgrund deines kommentars dort, den ich sehr, sehr gut fand.

auch der text hier hat mir gefallen. tolles thema mit substanz dahinter!

möchte dir zwar an manchen passagen widersprechen, aber das tut ja nix zur sache. 10/10
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tobzzzzn
18.08.2009 | 21:56 Uhr
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tobzzzzn : Feedback
18.08.2009 | 21:56 Uhr
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tobzzzzn : Feedback
@Taktiker
Genau, es ist dieser Umstieg vom "Spielertypsystem" zum "Systemspielerteam", auch wenn sich, wie du es vollkommen richtig auffasst, darüber streiten lässt, inwiefern sich das wirklich durchsetzen wird und vor allem wann. Die Mischung beider Wege halte ich übrigens auch (vor allem für die nahe Zukunft) für die realistische Lösung.
Danke für dein Feedback!

@micotom
Auch bei dir möchte ich mich für dein Feedback bedanken, der Blog, über den du hier gelandest bist, ist wirklich nichts als ein Trittbrett. Ich war richtig enttäuscht, hatte auch einiges erwartet, weil der Blog unglaublichen Zulauf hatte (sowohl von Visits als auch Kommentaren)... nun gut, aufregen bringt nichts.
Vielen Dank für das Lob, ich halte dich auf dem Laufenden, sobald es neue Anstöße zu dem Thema gibt. Interessante Ansätze habe ich heute aufgeschnappt, lustigerweise bei einem Gespräch mit einem befreundeten Baseball-Spieler, es ging um die regionalen Unterschiede bei der Entwicklung von Teams und Spielern (grob gesagt: "Tugende", "traditionelle Taktik(schule)" und Co.).

Ich wünsch euch einen schönen Abend!
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tobzzzzn
18.08.2009 | 22:14 Uhr
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tobzzzzn : Begeisterung!
18.08.2009 | 22:14 Uhr
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tobzzzzn : Begeisterung!
Innerhalb von 10 Minuten haben grandiose 7 "User" (Fake-Account-Fetischist bitte melden!) meinen Blogbeitrag zerfetzt, ich gratuliere dem 1/10-Fan meines Blogs.

Viel Spaß weiterhin, meine anderen Blogbeiträge bitte nicht vergessen!
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midget
19.08.2009 | 00:54 Uhr
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midget : 
19.08.2009 | 00:54 Uhr
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midget : 
@tobzzzn
so gefällt mir das!
1. dein beitrag bei dem bekloppten blog da drüben war ne glatte 10.
2. wie du mit bewertungen mittlerweile umgehst ist mir sehr sympathisch!
3. innerhalb von drei monaten hast du mich als fan gewonnen, allein dein profil ist ne reise wert.

Pro Betamännchen...(!)


zum blog:
mir persönlich immernoch ne spur zu unausgegoren, aber du hast deinen stil, den man leiden oder hassen mag... ich hab mich dran gewöhnt und das ist gut so!
stark!
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Risi96
19.08.2009 | 14:01 Uhr
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Risi96 : 
19.08.2009 | 14:01 Uhr
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Risi96 : 
Welche Spinner kamen mal wieder auf die Idee, einen so guten Blog falsch zu bewerten, 9 Pkt. von mir, das Theam spricht mich an
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kikipedia
19.08.2009 | 14:12 Uhr
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kikipedia : 
19.08.2009 | 14:12 Uhr
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kikipedia : 
Ich denke nicht, dass die Mannschaft als neuer Star auftaucht, das wird wieder bei einigen Mannschaften so sein, andere werden weiterhin auf Stars setzen, die einem Kollektiv das besondere Etwas verleihen.
Und Multifunktionalität, ja... natürlich ist ein heutiger Fußballer durchaus kompletter anzusehen als es 1930 der Fall war, aber der Unterschied zwischen Innenverteidiger und Offensivspieler ist dennoch riesig.

Anders wäre es nicht zu erklären, warum die Einen auch ohne Druck Fehlpässe übers Feld jagen, während andere auch gegen zwei Gegner den Ball an den Mann bringen.

Trotzdem interessant geschrieben.
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Ste
19.08.2009 | 14:37 Uhr
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Ste : 
19.08.2009 | 14:37 Uhr
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Ste : 
Dieser Inhalt wird wegen Verstoß gegen die Netiquette augeblendet!
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Dinho_80_Milan
19.08.2009 | 16:46 Uhr
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19.08.2009 | 16:46 Uhr
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An sich wirklich kein schlechter Blog, aber ein Punkt ist wirklich sehr wichtig und wird hier halt vollkommen unterschätzt.

Der Hype um Spieler wie Lionel Messi oder Cristiano Ronaldo wird wachsen, wachsen und wachsen.
Allein diese beiden Spieler zeigen die futuristische Entwicklung des Fußballs.
Auf der einen Seite der "Spieler" Messi, der der größte Werbeträger von Adidas ist.
Auf der anderen Seite der "Showmaker" Ronaldo, der für die Extravaganz von Nike steht.
Ikonen wie Gerrard, Ballack oder Kaka werden auch weiterhin auf der ganzen Welt für DAS Produkt stehen, für das sie werben.

Der Fußball wird immer kommerzieller und mit diesem Trend steigt auch die Bedeutung eben jener "Superstars", deren Initiator David Beckham ist.

DAS ist die Zukunft des Fußballs.

Über Spielsysteme kann man nichts sagen, da sich diese immer und immer wieder verändern werden.
Der Fußball wird nie Ruhen und somit ist die Zukunft des Produktes "Fußball" nicht vorhersehbar.
Aber ansonsten: Interessanter Ansatz.
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Lattenkreuz
19.08.2009 | 16:52 Uhr
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Lattenkreuz : Ne glatte 10 für Deinen Text
19.08.2009 | 16:52 Uhr
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Lattenkreuz : Ne glatte 10 für Deinen Text
Hervorragend zusammengefasst, stimme sehr vielen Deiner Gedanken zu (..und hoffe doch dass manches anders kommt) Fußball ist für mich noch immer ein einfaches Spiel (deshalb gibt es auch soviele Fans) und ich würde mich freuen wenn der geliebte Ballsport nicht da landet wo der American Football heute ist.
Für Deinen Blog ne glatte10 und ich stimme auch den vorstehenden Kommentaren zu, Du hebst dich deutlich ab von den hier sonst so stark vertretenen polemischen möchte-gern Schreiberlingen. Weiter so!
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