Die Eindrücke sind noch frisch - der Hauch von Enttäuschung und leichtem Ärger noch nicht verflogen. Wieder einmal hat unsere Nationalmannschaft in einem Freundschaftsspiel nicht zu überzeugen gewusst, die ausgegebene Devise, die Anzahl der Gegentore zu reduzieren, wurde aufs Lächerlichste konterkariert. Aber warum sollten wir uns aufregen, sind wir das nicht längst gewohnt? Mit der rasanten spielerischen Entwicklung der Elf ist ihr ständiger Begleiter "Bruder Leichtsinn" zu einem schier übermächtig erscheinenden Monster herangewachsen. Längst werden nicht nur Freundschaftsspiele mangels Konzentration und Einstellung abgeschenkt, sondern auch überlegen gestaltete Pflichtspiele.
Mein persönliches Fass ist während der Europameisterschaft 2012, genauer gesagt im Laufe des Viertelfinalspiels gegen Griechenland übergelaufen. Im Gefühl des sicheren Sieges nach der 1:0 Führung lässt man die Griechen wieder ins Spiel kommen, die Folge war der 1:1 Ausgleichstreffer. Sicher, dieser Leichtsinn kam der Mannschaft nicht teuer zu stehen, sie konnte es sich leisten, wie doch die kurz darauf herausgeschossene 4:1-Führung zeigte. Doch war mir hier klar geworden, dass diese Mannschaft ein großes Problem mit sich herum schleppt: grenzenlose Überheblichkeit, etwas, das sich bei vorherigen deutschen Fußballgenerationen nicht einschleichen konnte. In Ermangelung eines solchen herausragenden fußballerischen Potentials. So gesehen, haben wir es auch mit einem völlig neuen Phänomen im deutschen Fußball zu tun, bei dessen Lösung man deshalb auf keinerlei Erfahrungswerte zurückgreifen kann. Der Ausgang bei der EM ist sicher jedem noch präsent, man unterschätzte in der Folge sogar Halbfinalgegner Italien, war zu keiner Zeit vollkommen konzentriert, so wie es einem solchen Anlass angemessen gewesen wäre. Selbiges wiederholt sich in zugespitzter Art und Weise beim 4:4 daheim gegen Schweden.
Und jetzt Paraguay! Die Mannschaft scheint nicht lernwillig, die Fähigkeit dazu möchte und kann ich ihr nicht absprechen. Auch wenn man sicher in einigen Bereichen über die Qualität diskutieren muss. Kann es sein, dass ein Marcel Schmelzer deutscher Nationalspieler ist, ein Mann der auch auf absehbare Zeit der Grund Nr. 1 bleiben wird, weswegen Dortmund wahrscheinlich nicht so schnell die Champions League gewinnen wird? Sein Stellungsspiel ist mangelhaft, aber sind wir ehrlich, es ist noch seine beste Qualität. Er kann im Eins gegen Eins mit gegnerischen Angreifern praktisch kein Duell ohne Hilfe eines Mitspielers gewinnen (diese Hilfe bekommt er nicht in der Nationalmannschaft), ein Grund hierfür ist auch seine schlechte Athletik samt eklatanter Schnelligkeitsdefizite. Über das Offensivspiel verliere ich besser keine Worte. Kandidat Nr. 2 in dieser Kategorie ist Per Mertesacker, er hat seine Verdienst, er hat dem deutschen Fußball in seinen wohl finstersten Stunden beigestanden, aber für allerhöchste Weihen reicht es hinten und vorne nicht. Umso unverständlicher ist es da, dass ein (allseits) unterschätzter Jerome Boateng (trotz Spielpraxis und CL-Titel und mehr als souveränen Leistungen im Verein) sich wieder einmal nur auf der Ersatzbank niederlassen durfte.
Hat Joachim Löw einen Plan?
Noch viel unverständlicher als diese zweifelhaften Personalentscheidungen finde ich, die nicht zu erkennende Linie in den Vorgaben des Bundestrainers. Jedem interessierten Fußballfan dürften die Worte von Joachim Löw noch bekannt vorkommen, mit denen er vor der besonderen Herausforderung des Projekts "WM 2014 in Brasilien" eindringlich warnte. Es sei fast unmöglich als europäische Mannschaft in Südamerika einen Titel zu holen, nicht zuletzt wegen der fordernden klimatischen Verhältnisse, der großen Hitze und Schwüle. Aber wie reagiert Löw auf diese erschwerten Bedingungen, was sind seine Konsequenzen? Setzt er bewusst schon früh auf junge hitzebeständige Spieler? Wohl kaum, wie ist sonst die Nominierung eines 36-jährigen Miroslav Klose zu erklären? Einem Spieler dem die erforderliche Kondition für 90 Minuten und Pressing schon unter Idealbedingung bereits vor ein paar Jahren abhanden gekommen ist. Mehr als eine Jokerrolle wird er in einem Jahr nicht mehr einnehmen können.
Und welche Konsequenzen hat er hinsichtlich unseres Spielsystems gezogen? Wir spielen noch immer unverändert unseren unbedarften offensiven Hurra-Fußball. Schon für die EM 2012 wünschte er sich ein aggressives Pressing als ultimatives Sahnehäubchen oben drauf. Davon war dann allerdings im Turnierverlauf nichts zu sehen. Wahrscheinlich steht es auf Löws Wunschliste für das anstehende Turnier wieder ganz oben, aber an genau dieser Stelle möchte ich mit meiner eigentlichen Kritik ansetzen: Ich halte diese kraftraubende Art der Fußballinterpretation nicht für angebracht im Hinblick auf die bereits angesprochenen klimatischen Besonderheiten. Ein Pressing-Fußball wie ihn Borussia Dortmund letzte Saison in der Champions League praktizierte, wird ohne chemische Unterstützer nicht möglich sein, nicht über 90 Minuten oder gar mehr. Und jeder weiß, wie riskant ein solches Pressing ist, wenn es auch nur ein oder zwei Spieler nicht über die volle Distanz durchhalten.
Die Mischung macht es
Ich sehe aus diesem Grund, nur einen, vielleicht erfolgversprechenden, Weg: Die konsequente Umstellung auf ein Mischsystem aus einem defensiven "Catenaccio" (in den Erholungsphasen) und einem nach Möglichkeit mit Überraschungseffekt angebrachten punktuellen und aggressiven Pressing. Eine besondere Bedeutung kommt in diesem System natürlich der Abwehr und den Kontern zu. Und bevor alle zusammen zucken, es muss ja nicht ein "Catenaccio" traditioneller italienischer Prägung sein, die Spielweise der Bayern unter Jupp Heynckes in der Saison 2012/13 würde schon vollkommen ausreichen.
Als Aufstellung Stand heute, würde mir folgendes gefallen:
Tor: Neuer
Viererkette: Großkreutz, Boateng, Hummels, Lahm
Doppelsechs: Schweinsteiger, L. Bender
Offensives Mittelfeld: Götze, Gündogan, Reus
Angriff: Schürrle?
Erklärungen: Großkreutz wird sich bei Dortmund in dieser Saison als Rechtsverteidiger festspielen und er bringt auch ohne Frage alles für einen Einsatz auf dieser Position in der Nationalmannschaft mit. Boateng ist unumstritten. Lars Bender kommt eine Sonderrolle im Mittelfeld zu, er soll quasi ständig mit maximalem Laufeinsatz unterwegs sein. Den Gegner stören, Lücken schließen, unangenehm sein. Und wenn er dann eine kurze Erholungspause braucht, wechselt er mit Jerome Boateng die Position und lässt sich in die Innenverteidigung fallen. Boateng bringt auch alle Fähigkeiten mit, mit seiner Zweikampfstärke und den technischen Qualitäten als Sechser zu agieren.
Vorne tummeln sich die Dortmund-Pressing-erfahrenen Götze, Reus und in der Zentralen: Gündogan. Vor allem gegen starke Gegner gewinnen wir hier an defensiver Zweikampfstärke gegenüber einem Mesut Özil, der gegen schwächere Gegner zum Einsatz kommen kann. Wahlweise kann natürlich auch Thomas Müller auf dem Flügel spielen.
Die alleinige Spitze habe ich jetzt einmal wagemütig Andre Schürrle zugewiesen. Trotz der schlechten Spieleindrücke, auch im Abschluss, vom vergangenen Mittwoch. Aus meiner Sicht, ist es die einzige Position auf der Schürrle im internationalen Fußball eine Zukunft haben könnte, er ist schnell und hat für gewöhnlich einen guten Schuss. Den einen oder anderen Trick kann er auch mal anbringen und kleine Kombinationen sollten auch nicht außerhalb der Reichweite sein. Fehlt noch eine Verbesserung seines Kopfballspiels und er könnte einen sehr ordentlichen Stürmer abgeben. Ansonsten bleibt uns noch das Prinzip Hoffnung, möglicherweise spielt sich ja noch ein Überraschungskandidat in die Herzen der deutschen Fußballfans.
Nur Joachim Löw sollte nicht allein auf das Prinzip Hoffnung vertrauen, zumindest, was die mannschaftstaktische Ausrichtung und Weiterentwicklung der Nationalelf angeht.
Lahm Boateng Hummels Schmelzer
Schweinsteiger
Özil Kroos
Müller Götze Reus
Falls das 4-1-4-1 bei Bayern läuft, Götze tatsächlich als 9er fungiert und funktioniert, dann fände ich diese Aufstellung schon recht ansehnlich.
Allerdings werden die Defensivprobleme der N11 dadurch eher weniger gelöst
Ich denke Löw muss aus den Dortmund und Bayern Spielern eine Einheit formen ähnlich wie Del Bosque bei Spanien. Weniger Spannungen zwischen den Spielern sind die Probleme, als einfach die verschiedenen Spielkulturen beider Lager.
Nur leider ist das Dortmund-System nicht auf die N11 übertragbar. Es ist gegen kaum einen gleichwertigen Gegner über 90 Minuten durchzuhalten und schon gar nicht bei der nächsten WM in Brasilien, wo sich unsere Spieler mit schwierigen klimatischen Verhältnissen auseinandersetzen müssen und im 4-Tages-Rhythmus antreten müssen. Insofern halte auch ich eine defensivere Grundordnung für bedeutend besser. Und da darf man auch über unkonventionelle Ideen nachdenken.
Der erste Weg zu mehr Balance ist es sich von den beiden als Stammspieler zu verabschieden.
Damit sind aber immer noch nicht die beiden Hauptproblem beseitigt:
Taktische unflexibilität und das körperlose Spiel.
Wenn man in Brasilien Hau-Ruck- Fußball spielen wird, geht man gnadenlos unter.
Leider hat Löw bisher keinen Plan B, meiner Meinung nach wird es so wie ich ihn einschätze, auch keinen Plan B geben.Stattdessen wird im "högschten Tempo" nur nach vorne gespielt. Als ob man das bei bei 30 Grad 3-7 Spiele lang mit Erfolg durchziehen könnte.
Und wenn jemand überzeugt ist aggresivität, harte Zweikampfführung und voller Einsatz sei von Gestern und hätte im modernen Fußballsport nichts zu suchen. Der hat einfach keine Ahnung. Und wird deswegen auch keinen Erfolg haben.
Das wahre Kern des Problems ist die Einstellung des Bundestrainers zum Fußballsport.
Wenn er über seinen Schatten springen kann und endlich anfängt, sich den Gegebenheiten der Realität anzupassen, anstatt irgendeiner Idealvorstellung von Fußball hinterherzuhecheln, dann könnte es mit dem Titel was werden, denn außer dem Trainerteam ist in Deutschland vieles auf dem Weg zur Weltklasse.
liest/hört man bei gewissen zitaten eines löws zwischen den zeilen, wundern einen diese eishockey-ergebnisse wenig.
allein schon, dass eine grätsche die absolute notlösung sein müsste und einfach nicht gern gesehen ist. als ich das damals hörte, konte ich einfach nur den kopf schütteln. nicht alle neuerungen sind automatisch besser.
was klopp bei der PK vor dem spiel gegen braunschweig gesagt hat, trifft es genau, obgleich hummels wirklich sehr schwach war.
verteidigen fängt nicht in der abwehr an und im letzten spiel der N11 wurde dieses total simple grundprinzip (wieder einmal) nicht umgesetzt.
meines erachtens ist der bundestrainer zu stur oder gar zu eitel. ich möchte ihn sicher nicht das fachliche absprechen, doch ist seine art fußballspielen zu lassen in der form nicht umsetzbar.
wie andere user zum teil schon geschrieben haben, dass ein özil z.b. bei aller klasse in der N11 einfach schlecht nach hinten arbeitet.
offensichtlich möchte man in deutschland "spektakel" spielen lassen, statt sich auf einfachste grundwerte dieses spiels zu besinnen. nicht umsonst ist italien "unser" angstgegner. die haben herrn löws code mit einfachsten mitteln geknackt. würde sogar so weit gehen, dass deutschland eher spanien als italien schlagen könnte.
Deine erste 11 ist leider ziemlich miserabel geraten.
Großkreutz außen ist eine gute innovative Sache. in der Mitte sehe ich Hummels und Boateng. Badstuber nach überstandener Verletzung, falls er seine Form rechtzeitig findet (statt Boa).
Im Mittelfeld: Götze, Reus & Gündogan sind dein defensives Allheilmittel?!
Ein Müller arbeitet sehr viel besser in der Defensive als Götze und Reus, Khedira sehe ich von der Qualität und Erfahrung vor Bender (Bender nur DM Nummer 3 bei Dortmund, Khedira unumstrittener Stammspieler bei Real, auch unter Ancelotti im 1. Saisonspiel). Bei Özil bin ich mir unsicher, würde Götze vielleicht auf der 10 den Vorzug geben (ist ja noch Zeit bis zur WM, mal sehen wer bessere Form hat). Im Sturm Schürrle klar Ersatz. Sehe die Kombi Gomez/ Klose relativ unausweichlich, aber auch nicht schlimm da beide große Qualität besitzen. Defensiv werden sie wohl nicht viel beitragen, aber es kann nicht jeder Spiel begnadete Defensivfähigkeiten haben, das System muss so etwas auffangen können (unter Löw gibt es kein Defensivsystem).
Da du richtigerweise vom Bayernfußball 3.0 redest, würde ich mir gleich dazu den zuständigen Trainer wünschen: Jupp Heynckes
Großkreutz hat genau ein Argument, und das ist seine Einsatzbereitschaft. Es mangelt ihm sowohl an Talent, an Technik und auch an Spielverständnis. Großkreutz kann maschieren und ist gut in Defensiv-Zweikämpfen. Das war es dann. Schlimm genug, dass einem die Option überhaupt einfällt in Bezug auf die Nationalmannschaft. Es wird Zeit, dass dort Leute nachrücken.
Zur "Stammelf" - wieder der gleiche Fehler, den manche auch bei Bayern machen. Hier fehlt Thomas Müller. "Müller spielt immer" ist ein Grundsatz, der wohl immer noch nicht allen geläufig ist. Fast jeder Spieler (außer wie gesagt auf den AV-Positionen) ist austauschbar.
Thomas Müller ist es nicht.
Außerdem ist für mich die Lösung zur ultimativen Stürmerfrage, MARCO REUS!!!! Unglaubliche Schnelligkeit und dieser kaltschnäuzige Abschluss, wieso denkt eig. niemand an Reus. Auf den Außenpositionen haben wir genügend Optionen aber vorne im Sturm suchen wir doch schon lange nach einer spielstarken Alternative zu Opa Klose. Zudem könnte er mit Müller/Götze in einer offensiven 3er-Kette ständig unausrechenbarer rotieren. Marco trau ich es auch zu mit seinen 1,81 mal einen Kopfball zu verwandeln und bei Standards haben wir andere.
Im zentralen Mittelfeld würde ich zu einer etwas defensiveren 3er-Reihe mit Schweini Gündogan und L. Bender wechseln. Schweini und Ilkay würden sich dann in den offensiven Bemühungen abwechseln und Bender den Abräumer spielen, der aber auch mal offensiv tätig werden kann, wenn einer der anderen sich zurückfallen lässt. Die Gündogan-Rolle traue ich zum Beispiel Özil nicht zu, weil ich bei ihm das Defensivpotential einfach nicht sehe.
Jetzt wird's natürlich schwierig. Ich würde Lahm auf jeden Fall rechts spielen lassen. In der Innenverteidigung sollten meiner Meinung nach auch Boateng und Hummels spielen, obwohl der Mats in der N11 immer wieder unerklärliche Fehler macht. Aber Mertesacker oder Westermann? Nein Danke, da krieg ich ja Kopfschmerzen. Schmelzer naja, er kann eben alleine nicht verteidigen. Ich würde auf links mit Jansen/Sorg/Oczipka experimentieren. Ein Versuch ist es wert und Letztere werden dieses Jahr auch int. Erfahrung sammeln.
So ergibt sich folgendes:
Neuer
Lahm Boateng Hummels ?
L. Bender
Schweini Gündogan
Müller Reus Götze
Ich würde gerne sagen, Özil hat das Spielsystem nicht verinnerlicht, aber ich erkenn leider kein Spielsystem unter Löw, deswegen bleibt es bei nem plumpen "Özil tut zu wenig wenn das Spiel nicht eh schon super läuft".
Ich gebe zu, ich bin ein Stück weit BVB-Sympathisant, aber ich finde einfach an Gündogan kommt man zumindest auf Sicht nicht vorbei. Was der für eine Spielübersicht und eine Präsenz auf dem Platz hat in seinen jungen Jahren, das ist schon knaller.. Problem ist halt, dass man mit Schweinsteiger einen gestandenen und auch alles andere als schlechten Nationalspieler auf der gleichen Position hat.
Meine Idealvorstellung wäre, dass Pep innerhalb kürzester Zeit ein falsche-9-monster aus Götze macht, dann kann Gündogan auf der 10 spielen, Müller auf Rechts, Reus auf Links und Schweini und Khedira/Bender/Bender auf den beiden 6er Positionen ^^