Es ist Samstagmorgen 4:45 Uhr, als mein Wecker meinen Schlaf unterbricht. Früher wurde ich zu dieser Zeit selbstständig wach, aber die Nachtschicht in der Bahnhofsmission zeigt langsam ihre Spuren. Weiterhin schlafen kommt allerdings nicht in Frage, denn der Bäcker aus der Nachbarschaft klagt über den Ausfall seines Lehrlings, und die Brötchen für die hungrige Bevölkerung backen sich nicht alleine.
Allerdings helfe ich gerne, wenn auch nicht ganz uneigennützig: Als Lohn für meine Arbeit gibt mir der Bäckersmann einige Brötchen mit, die ich auf dem Heimweg im Waisenhaus abliefern kann. Für viele der Kinder dort bin ich eine Art großer Bruder, vielleicht sogar eine Vaterfigur. Dabei versuche ich nur zu helfen, wo ich kann. Häufig gelingt es mir, meinen guten Willen auch in sichtbare Ergebnisse ummünzen zu können, bei einem Projekt ist mir dies bisher allerdings verwehrt geblieben: Das Internet zu einem besseren Ort zu machen.
Nachdem ich also einigen Kindern beigebracht habe, Origami-Kraniche mit 2 Fingern zu falten, während man in der anderen Hand einen Rubik-Würfel löst, begebe ich mich nun auf den Heimweg, ehrfürchtig ob der Herausforderung, welche mich heute Nachmittag noch erwartet.
Zuhause angekommen schalte ich meinen PC ein. Die Zeit, die mein Rechner braucht um hochzufahren, nutze ich um meiner kranken Mutter im ersten Stock eine Suppe zu kochen. Glutenfrei, mit Gemüse aus eigenem Anbau.
Zurück am Computer, öffne ich in meinem Browser nun eine Seite, die seit geraumer Zeit allerdings mit verbitterten Nutzern zu kämpfen hat. Eine Sportseite, deren Community sich verbal attackiert, da Fußball nunmal zu Emotionen führt und viele das ganze zu ernst nehmen. Aber wie schafft man es, hasserfüllten und verbitterten Kommentar-Schreiberlingen zu vermitteln, dass es manchmal ganz gut wäre, über sich, andere und seinen Verein lachen zu können?
Zuerst musste ich mich anpassen. Ich wählte also einen Namen, welcher gleichzeitig mit Fußball und Bier, den scheinbar größten Vorlieben der Community-Mitglieder, in Verbindung zu bringen ist: Beckstown. Mein Verein sollte von nun an Werder Bremen sein, allerdings merkte ich schon früh, dass die Vereinszugehörigkeit keine Rolle spielt, sofern man nicht Bayern oder Dortmund favorisiert. Jeder sollte mich verstehen können. Aus Rücksicht auf das stellenweise fast proletarische Publikum musste ich meine Ausdrucksweise anpassen und bediente mich dabei an der Twitter-Hashtag-Schreibweise, die sich dadurch kennzeichnet, dass vor ein bestimmtes Schlagwort eine Raute gesetzt wird. #Schlagwort
Rauten spielen seither eine wichtige Rolle, und da das Zeichen an sich vielerorts für "Nummer" steht, bekam ich nach kurzer Zeit von den wenigen Usern, die meinen Willen erkannt haben, den Spitznamen "Beckstown#1".
Da ein Wort mit 9 Buchstaben allerdings für diejenigen, welche mit Schmerzen in den Händen zu kämpfen haben, eine unnötige Belastung darstellt, akzeptierte ich auch die Kurzform "Becks#1".
Anfangs stellte es sich als Kampf gegen Windmühlen heraus, alleine gegen diesen humorlosen Pöbel anzukämpfen. Ein befreundeter Mützenträger jedoch stellte mir und Gleichgesinnten netterweise eine Plattform zur Verfügung, auf der ich mich nicht verstellen musste und verstanden wurde.
Unter der Herrschaft des gutmütigen Königs Criftler I. waren hier viele gute Menschen versammelt. Sei es der User Trinity, der hier wieder Rezepte für meine kranke Mutter posten darf, Corwin, der in seiner freien Zeit oft stundenlang an der Straße steht und darauf wartet, alten Damen über die Straße helfen zu können; Sei es MasterStief, der an dem sogenannten Formel1-Tourette-Syndrom leidet und dadurch Leidgenossen unterstützen kann, oder Goetheborger, dessen Witze flach genug sind, dass sie dich trotz tiefhängender Stimmung erreichen und erheitern. Hier fanden verlorene Seelen Exil und verfolgten dabei oft das selbe Ziel: Menschen zu helfen.
Dabei haben auch sie Probleme. Menschen, die uns nicht verstehen (vielleicht, weil wir uns nicht der Twitter-Hashtag-Schreibweise bedienten), haben sich schon desöfteren in die Katakomben der Trolle verirrt. Sie schnappten Dinge auf, rissen sie aus dem Zusammenhang und starteten eine regelgerechte Hass-Kampagne gegen die Seperatisten. Von Rassismus- über Plagiats- und Sodomie-Vorwürfe war alles dabei. Die Trolle sehen das allerdings gelassen, da sich unter ihnen Star-Anwälte wie Prof. Dr. S.Avon und Dr. M.Adrisdista befinden, wird es wohl zwangsläufig auf eine Verleumdungsklage hinauslaufen.
Nun sitze ich hier und kämpfe mit Leuten, die mich anfeinden. Ich begegne dem mit Humor, lass sie glauben, sie reden mit einem Sechzehnjärigen, wissend, dass sie dafür seltener Klassenkämpfe austragen. Jeder Tag, an dem der Hass der User gegen mich geht und nicht gegen Leute, die diesen Hass erwidern, jeder Tag, an dem ich durch ein "BEEEECKSTOOOOWN#1" die Eskalation einer Diskussion verhindern kann, jeder Tag, an dem User in Rage über mein Verhalten ihr wahres Gesicht zeigen und für eine Weile rausgenommen werden, ist ein Schritt zur besseren Welt.
Viele sehen mich deshalb als Helden, aber dennoch stoße ich auf Unverständnis und Missgunst. Weil ich der Held bin, den Spox verdient, aber nicht der, den es gerade braucht. Also hassen sie mich, weil ich es ertragen kann.
Denn ich bin kein Held.
Ich bin ein stiller Wächter.
Ein wachsamer Beschützer.
Beckstown#1.
weltklasse
BEEEEEEECKSTOOOOOOWN#1
endlich ins rechte Licht gerückt wird.
Ich weiß nicht ob ich weinen oder lachen soll oder beides. Wunderschön
10 Punkte und wenn ich B. irgendwie helfen kann, soll er mich einfach nur anschreiben.
PS: Mit Windmühlen kenn ich mich aus ! Rudern wild und stetig, wollen dich einschüchtern, aber
es seien nur Windmühlen, und das könne nur der verkennen, der selbst Windmühlen im Kopf habe
Die guten werden im Leben nie so geehrt, wie sie es verdienen. Im Himmel wirst du ein König sein.
10:30 morgens Ausschau nach Falschparkern halten
11:45 über die Jugend von heute schimpfen
14:00 Beckstown hat Schule aus, sofort seine ignorierten Posts aufklappen und unverzüglich melden
Hat Spaß gemacht zu lesen aber das liegt ja auch daran, dass Beckstown mein bester Freund hier ist