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27.04.2012 um 22:16 Uhr
(M)Ein Verein am Abgrund
Erinnerungen

Es war der 22. August 1999, als ich im Alter von sechs Jahren mein erstes Bundesligaspiel erleben durfte. Es war ein sonniger Sonntag, so viel weiß ich noch. Der Verein aus meiner Heimatstadt, der FC Hansa Rostock empfing den amtierenden deutschen Meister aus Kaiserslautern. In dem Moment, als Timo Lange, mein erstes fußballerisches Idol in der fünften Spielminute einen Elfmeter in die Maschen setzte und das erste Mal ein kindlicher Jubelschrei meine Lippen verließ, entstand wohl meine tief verwurzelte Liebe zum FC Hansa Rostock. Seit diesem, für meine Emanzipierung zum Fußballfan notwendigen Datum, sind mittlerweile fast 13 Jahre vergangenen. Jahre zwischen Tränen und Abstiegen, Siegesfeiern und Aufstiegen. Während gerade in den kindlich naiven Jahren jede Niederlage meines Vereins ein Tränenmeer entstehen lassen konnte, setzte mit der Zeit ein Reifeprozess ein. Weinen war „Uncool" geworden, Fluchen und Schwadronieren gehörte nun zum Paket Fußball.

Gefühlswelten

Wie schnelllebig der Fußballsport sein kann, erlebe ich derzeit in voller Härte. Vor gut einem Jahr hatten „Wir" die Sensation geschafft. Das erste Jahr in der Dritten Liga sollte auch gleichzeitig das letzte gewesen sein. Nun, ein Jahr nach den enthusiastischen Freudenstürmen- steht meine sportliche Liebe am Abgrund. Ich kann nicht beurteilen, ob der FC Hansa Rostock in zwei Wochen noch auf der Landkarte des Fußballs existiert. Fragen huschen durch meine Gedankenwelt. War das letzte hopfen-aromatische Getränk im Ostseestadion vielleicht das allerletzte was ich mit diesen fantastischen Leuten trinken durfte? Werde ich nie wieder meinen 12 Jahre alten Schaal in den Rostocker Himmel recken? Gibt es die „Tage wie Diese" nicht mehr für mich im Leben als Fan?

Nüchtern betrachtet weiß ich selber wie stupide diese Gedankenzüge sind. Dass Leben ist so viel mehr als ein Fußballspiel, es ist ein epochales Meisterwerk. Das runde Leder spielt bei diesem Kreuzzug ins Glück nur eine untergeordnete Rolle. Doch wie kann man seinen Verein abschreiben, an dem all die glücklichen Momente und schönen Erinnerrungen haften?

Im Fokus


In Fußballdeutschland gibt es derzeit viele Positionen, die eine Insolvenz des Rostocker Traditionsvereins begrüßen würden. Die friedlichen Fußballfreunde, die völlig zu Recht vom hanseatischen Krawallzirkus angewidert sind, der in den vergangenen Jahren zu oft von Chaoten unter dem Deckmantel des FC Hansa inszeniert wurde.

Die „Deutsche Fußball Liga", die in anderen Regionen mehr ökonomisches Potenzial sehen, als im biederen Nord-Osten der Republik.
Nicht zuletzt sind es auch viele Bürger in Mecklenburg- Vorpommern, die verständlicherweise nicht einsehen wollen, dass ihre Steuergelder für höhere polizeiliche Kapazitäten bei Auftritten der Rostocker veranschlagt werden. Zudem befürchten einige lokale Politiker einen weiteren Imageverlust für die Touristenhochburg Mecklenburg-Vorpommern.

Hoffen, bangen, fühlen

Doch dieser Verein darf nicht sterben. Es sind nicht meine seelischen Kapriolen oder die meiner Gleichgesinnten, die diesen inflationär gebrauchten Ausspruch rechtfertigen. Es sind vor allem sozial-pädagogische und wirtschaftliche Aspekte die eine wesentliche Rolle spielen.


Den Verein drücken derzeit Schuldenlasten in einer höhe von ca. 16 Millionen Euro. Neun Millionen wurden in der Zeit der Misswirtschaft zwischen den Jahren 2008 und 2010 aufgebaut. Weitere 4,5 Millionen Euro kamen durch ein Urteil des Bundesfinanzhofes Anfang dieses Jahres zustande, welches Steuernachzahlungen aus den Jahren 1999-2001 in genannter Höhe festlegte. Um diese gravierende finanzielle Belastung stemmen zu können, schnürten das Land Mecklenburg- Vorpommern, private Gläubiger und die Stadt ein Rettungspaket. Dieses beinhaltet einen kumulierten Schuldenerlass durch die drei Hauptgläubiger von 39 Prozent. Des Weiteren erhält der Krisen gebeutelte Klub einen Zuschuss von 750.000 Euro durch die Stadt Rostock, die zudem dem Verein ein Sportzentrum im Wert von 530.000 Euro abkauft.

In zahlreichen Kommentaren auf Sport-Portalen und Online-Foren wird von auswärtigen Fans gegen diesen Vorschlag argumentiert. Zu viel Schatten und Antipathie brachten die Ausschreitungen der bereits erwähnten Problem-„Fans" dem ehemals im ganzen Land beliebten Verein ein. Doch betrachtet man nun, die wirtschaftlichen Erzeugnisse des FC Hansa Rostock, wird hoffentlich einigen schlecht informierten Kritikern klar, dass eine finanzielle Unterstützung für beide Seiten von Vorteil ist.
Im Jahr 2011 zahlten die Hanseaten 4,7 Millionen an Steuern und anderen Abgaben an die Hansestadt Rostock. Seit über zwanzig Jahren gehört der langjährige Bundesligaverein zu den wichtigsten Einnahmequellen der hochverschuldeten Stadt an der Warnow.

Der FC Hansa Rostock investierte in den vergangenen Jahren 5,5 Millionen Euro in die Infrastruktur der Stadt. Darunter Trainingsplätze (die auch für den alltäglichen Schulsport nutzbar sind) und das deutschlandweit hochgepriesene Jugendinternat. Seit dem Jahr 1990 wurden über 3500 Jugendliche vom Verein ausgebildet. Darunter Bayernstratege Toni Kroos und der Bremer Hoffnungsträger Tom Trybull.
Zudem gilt der Verein als wichtigste kulturelle Institution des Bundeslandes. Kein anderer Verein in Mecklenburg-Vorpommern hat so viele Mitglieder wie der 1965 gegründete Klub.

Mehr Informationen unter:
http://www.fc-hansa.de/index.php?id=154&oid=26741 und
http://www.cdu-rostock.de/index.php?id=1

Doch es gibt Hoffnung. Die Anhängerschaft mobilisiert derzeit alle verfügbaren friedlichen Mittel um die Entscheidung der Rostocker Bürgerschaft zu beeinflussen. Ein Veto gegen das Rettungspaket würde den Absturz des ehemaligen Vorzeigeclubs in die Oberliga bedeuten. Dagegen werden die Hansafans demonstrieren, die Fanszene ruft zu einer Kundgebung vor dem Rathaus am 9. Mai um 15.00 Uhr auf. Bereits am 6. Mai wird sich ein Demonstrationszug durch Rostock begeben, die Organisatoren erwarten 10.000 Demonstranten. Auch werden bereits die ersten Solidaritätskonzerte geplant. Ein erfreuliches Bild zeichnete sich heute schon ab. Autofahnen, Schaals an Balkonen und viele Anhänger im Rostocker Trikot beginnen bereits die Stadt in die Vereinsfarben Blau-Weiß-Rot zu tauchen.


Anmerkung: Nach meiner Rassismus Reportage, folgt nach dem Entschluss im Rostocker Rathaus eine ausführliche Spox-Blog-Reportage zum FC Hansa Rostock.
Danke für ihre Aufmerksamkeit



Bekennt euch zum FCH. Zeigt den friedlichen Fans eure Solidarität.

https://www.spox.com/myspox/groupdetail/Sag%20Ja%20zum%20FCH!,180891.html

Aufrufe: 6883 | Kommentare: 15 | Bewertungen: 11 | Erstellt:27.04.2012
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KOMMENTARE
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Rodnox
29.04.2012 | 18:20 Uhr
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Rodnox : 
29.04.2012 | 18:20 Uhr
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Rodnox : 
Man wünscht sich diese Passion beim FC Hansa manchmal, wenn man die schlimmen Schlagzeilen wieder lesen muss.

Man wünscht sich, irgendwer da würde die Fangruppierungen unter einen Hut nehmen und dem Verein wirklich helfen.

Aber das wird wohl Wunschdenken bleiben.

Trotzdem: Die besten Wünsche.
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Skibbe17
02.05.2012 | 12:11 Uhr
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Skibbe17 : 
02.05.2012 | 12:11 Uhr
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Skibbe17 : 
Ich drücke dem FC Hansa die Daumen das das mit der finanzielle Rettung klappt...

Jedoch frage ich mich wie Schizophren eine Szene sein kann. Da wird in der Försterei ein Plakat hochgehalten was zu Rettung des FCH aufruft, am Zaun hängt ein Plakat "am 09.05. für den FCH stimmen" und gerade in solche Zeiten, das sollte klar sein, muss man als Fan vorne weg marschieren ...

Was hat ein kleiner Teil eurer Leute nichts besseres zu tun als die Sitze abzumontieren und über den Zaun zu stürmen...

Ich muss sagen das das Wort Schizophren wirklich diese Vorgänge gut beschreibt...

Dennoch drücke ich euch die Daumen das es klappt und vielleicht bekommt ihr eure wenigen Chaoten auch unter Kontrolle, zu wünschen wäre es dem einstigen Vorzeigeklub des Ostens allemal...
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HakanTrick
02.05.2012 | 12:15 Uhr
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HakanTrick : 
02.05.2012 | 12:15 Uhr
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HakanTrick : 
"Ein Veto gegen das Rettungspaket würde den Absturz des ehemaligen Vorzeigeclubs in die dritte Liga bedeuten."

Sollte hier korrigiert werden?

Mit der 3.Liga könnten sie zufrieden sein. Bei einem Veto gehts wohl etwas tiefer hinab als 3.Liga
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Schnumbi
02.05.2012 | 13:15 Uhr
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Schnumbi : 
02.05.2012 | 13:15 Uhr
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Schnumbi : 
drücke hansa die daumen !!
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KoBr24
02.05.2012 | 13:39 Uhr
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KoBr24 : 
02.05.2012 | 13:39 Uhr
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KoBr24 : 
"Mit der 3.Liga könnten sie zufrieden sein. Bei einem Veto gehts wohl etwas tiefer hinab als 3.Liga"

Richtig, wahrscheinlich gehts dann in die Oberliga...
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RoterBulle92
02.05.2012 | 14:12 Uhr
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02.05.2012 | 14:12 Uhr
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Viel Glück
Oberliga hat Hansa nicht verdient
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Jays
02.05.2012 | 15:09 Uhr
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Jays : 
02.05.2012 | 15:09 Uhr
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Jays : 
"Im Jahr 2011 zahlten die Hanseaten 4,7 Millionen an Steuern und anderen Abgaben an die Hansestadt Rostock."

Das bezweifel ich mal ganz stark. Das ist vielleicht die gesamte Steuer und Abgabenlast von Hansa wie auch immer zusammengerechnet, aber ganz sicher fließt diese Summe nicht an die Stadt.
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riquelminho
MODERATOR
02.05.2012 | 15:22 Uhr
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02.05.2012 | 15:22 Uhr
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Also du schreibst tolle Blogs, das muss man wirklich sagen. Sehr detailliert, ausgewogen, catchy...

Ich jedenfalls drücke Dir und der Hansa die Daumen!
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Gubkowejung
02.05.2012 | 15:37 Uhr
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02.05.2012 | 15:37 Uhr
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HakanTrick:

Danke für den Hinweis, habe es bereits ausgebessert! War mir ein großer Fehler unterlaufen
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schlibbedewitz
02.05.2012 | 17:15 Uhr
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schlibbedewitz : guter blog
02.05.2012 | 17:15 Uhr
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schlibbedewitz : guter blog
fand bzw finde hansa rostock sehr sympathisch und aufgrund von einzelnen "fans (??) " teilweise viel zu negativ dargestellt.
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