Werder Bremen befindet sich in einer schwierigen Lage. Auf der einen Seite ist der Kader überdimensioniert teuer, rechtfertigt aber die in ihn gesteckten Erwartungen nicht - und blockiert den Zukauf neuer Spieler. Der Transfer des Ungarn Marko Futacs wirkt daher wie reiner Aktionismus.
Es kommt nicht alle Tage vor, dass sich Klaus Allofs bei trübem Wetter und Temperaturen um die Null Grad raus auf den hintersten der zahlreichen Bremer Trainingsplätze begibt und sich das Treiben seiner Angestellten von Nahem aus betrachtet.
Vielleicht wollte Werder Bremens Sportdirektor seinem Trainer Thomas Schaaf bei der morgendlichen Übungseinheit nur demonstrativ den Rücken stärken, vielleicht aber auch seinem Argwohn über die unberechenbaren Leistungen seiner Mannschaft Ausdruck verleihen.
"Keine deprimierten Spieler"
Immerhin hat Allofs spätestens jetzt ein Bild davon, wie es um den Geist innerhalb der Mannschaft, im Jogi-Löw-Jargon auch Teamspirit, bestellt ist.
"Ich denke, die Stimmung war für unsere Lage normal. Es ist doch klar, dass beim Training jetzt kein Scherz den nächsten jagt. Aber ich sehe auch keine deprimierten Spieler", erläuterte Allofs seine Eindrücke gegenüber SPOX.
Ebenfalls nicht zu sehen bekam der Chef seine beiden Stars Diego und Claudio Pizarro. Diego weilte am Dienstag in München zu einer Podiumsdiskussion auf der Sportartikelmesse ISPO und meldete sich danach wegen einer Lebensmittelvergiftung erkrankt ab. Pizarro sei verletzt, wie Trainer Schaaf versicherte.
Immer ein Vorbild
Dem Rest der Belegschaft redete Schaaf scharf ins Gewissen. Der Trainer, selbst erkrankt, verbesserte seine Spieler immer wieder wild gestikulierend. Es muss sich etwas ändern, schon am Samstag auf Schalke - in einem der wichtigsten Spiele der Saison für Werder.
Es ist keine Krise, die die Bremer befallen hat. Dafür ist es nach zwei Pflichtspielen im Jahr 2009 zu früh. Aber erste Ausläufer eines Tiefs ziehen heran und die Verantwortlichen beziehen Stellung.
In den letzten Jahren galt Werder immer als Vorbild dafür, wie man den schmalen Grat zwischen Wirtschaftlichkeit und sportlicher Existenz schlendert und am Ende mit offensivem Fußball auch Erfolg haben kann.
Keine Konstanz bringt Misserfolg
Nun scheinen viele Faktoren auf einmal verschwunden. Werders neue Heimat in der Liga ist nicht erst seit der schmerzhaften Niederlage gegen Arminia Bielefeld das graue Mittelmaß. Insofern beschränkt sich auch der Erfolg derzeit auf das Mitwirken im DFB-Pokal und im UEFA-Cup. Dort allerdings warten mit Wolfsburg (auswärts) und dem AC Milan zwei richtig schwere Brocken.
Der Offensivfußball funktioniert rudimentär bisweilen auch noch - allerdings nur, wenn der Gegner auch mitspielen will und den Bremern damit ins offene Messer läuft. Die einzige Konstante ist die Unkonstanz und die wiederum ist der natürliche Feind sportlicher Höchstleistung.
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Geld sollte genügend da sein
Die Leistungen auf dem Platz sprechen für sich und für jeden ersichtlich. Beim Thema Finanzen will sich Werder aber nicht in die Karten schauen lassen.
Nur so viel steht fest: Rund zehn Millionen Euro soll die Citibank - eine Tochter des größten Finanzkonglomerats der Welt, der amerikanischen Citigroup - jährlich auf Werders Konto überweisen. Damit liegen die Hanseaten im Bundesliga-Ranking immerhin auf Rang fünf - hinter Bayern (20 Mio., Telekom), Wolfsburg (16 Mio., VW), Dortmund (14 Mio. Evonik) und Schalke (12 Mio., Gazprom).
Ab Juli kommen durch den neuen Ausrüstervertrag mit Nike (bisher Kappa) nochmal rund vier Millionen pro Jahr dazu und obendrein noch eine Million von Auto-Sponsor VW. Derzeit beliefert Kappa die Profis und bezahlt dafür 1,3 Millionen Euro. Macht im Moment satte zwölf Millionen, ab Sommer 15 Millionen Euro garantierte Einnahmen pro Jahr.
"Schwimmen nicht im Geld"
Dazu erwirtschaftete Werder 2008 so viel Geld wie noch nie in seiner Vereinsgeschichte: 112,4 Millionen Euro gingen über den Thresen, insgesamt wurde 2,4 Millionen Euro Gewinn erzielt. Die fünfte Champions-League-Teilnahme in Folge sollte eigentlich finanzielle Geborgenheit bieten.
Und trotzdem halten sich hartnäckig Gerüchte, dass dem Verein im operativen Geschäft das Geld fehlt. "Tatsache ist, dass wir nicht im Geld schwimmen. Wir haben in den letzten Jahren viel über die Champions-League-Teilnahmen finanziert. Stand heute ist, dass wir mit diesen Einnahmen nicht rechnen können", sagt Allofs.
Und weiter: "Rekordumsätze bedeuten nicht gleich Gewinne. Wir haben eine Mannschaft, die sich seit Jahren in der Spitzengruppe der Liga bewegt. Zudem haben wir Verträge mit diversen Spielern verlängert. Das alles kostet auch Geld."
Teurer Kader, wenig Leistung
Etwa 50 Millionen Euro, wie die "Welt" rechnet. Ein kostspieliger Unterhalt, der drittteuerste der Liga nach den Bayern und Schalke. In den letzten Jahren hielt Werder seine Leistungsträger mit deutlich besser dotierten Verträgen. Ein normaler Vorgang für ein erfolgreiches Team.
Jetzt allerdings bleiben die Erfolge aus und die Diskussionen fangen an. Wofür Allofs noch vor ein paar Monaten gepriesen wurde, sei jetzt einer seiner größten Fehler. Spieler wie Clemens Fritz, Naldo oder Torsten Frings kosten viel und zahlen in Form von Leistung wenig zurück. Das Kartenhaus aus Geben und Nehmen wackelt und für Allofs stellt sich die Frage nach der anzuwendenden Strategie.
Futacs-Transfer wirft Fragen auf
Die hohen Fixkosten blockieren Gelder für Neuverpflichtungen, im Winter kam neben Alexandros Tziolis (Leihgeschäft mit Panathinaikos Athen) nur der völlig unbekannte Ungar Marko Futacs. Der spielte bisher in der zweiten Mannschaft vom AS Nancy und wirft Fragen auf.
Für Werders U 23 ist Futacs nicht spielberechtigt, da Nicht-EU-Ausländer mindestens zwölf Monate bei einem deutschen Klub unter Vertrag stehen müssen, um auch im Amateurteam einsatzberechtigt zu sein.
Und den Sprung ins Profiteam traut Allofs seiner Neuerwerbung auf Anhieb nicht zu. Richtig schlüssig ist der Transfer nicht, auch wenn Allofs beteuert, dass "jetzt ein günstiger Zeitpunkt war, ihn zu verpflichten und der Konkurrenz damit zuvorzukommen. Wir müssen auch Talente verpflichten". Es bleibt der Geruch des Aktionismus.
Allofs formuliert es auf die Bremer Art, gewohnt zurückhaltend. "Es ist nicht unsere Vorgehensweise, Spieler verpflichten zu wollen, die wir mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht finanzieren können. Zum jetzigen Zeitpunkt gab es daher keine Möglichkeit, einen größeren Transfer zu realisieren. Manchmal haben wir im Winter Transfers vorgezogen, die wir eigentlich erst im Sommer tätigen wollten. Doch auch das war nicht machbar."
Stadion als Einnahmequelle
Bleibt das Weserstadion als finanzieller Hoffnungsträger - oder doch als Hemmschuh? Vermehrt kursieren Gerüchte, dass Geld aus dem operativen Geschäft in den Umbau des Stadion fließen würde. "Das ist unsinnig, das geschieht nicht. Und das haben wir auch schon häufig genug klargestellt", so Allofs.
Als einer der wenigen Bundesligisten hat Werder die Namensrechte am Stadion noch in eigener Hand. Ein Verkauf würde auf einen Schlag etliche Millionen in die Kasse spülen. Unter anderem deshalb wird im Moment modernisiert.
Zwei neue Kurven sollen her und natürlich mehr Platz für die VIP-Zonen, die das nötige Kleingeld bringen. 50 bis 60 Millionen Euro wird der Umbau kosten, nächstes Jahr soll alles fertig sein. In der Zwischenzeit muss Werder wieder zurückfinden auf den Pfad der Tugend. Tabellenplatz zehn würde dem neuen Stadion nicht gerecht werden.
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