In den Tagen vor dem Start der neuen Bundesliga-Saison stellt SPOX alle 18 Klubs in einer Vorschau-Serie vor - mit allen Transfers, Hintergründen und der Saison-Prognose. Diesmal: Der VfB Stuttgart.
Der VfB Stuttgart hat eine unruhige Saison hinter sich. Der monatelange Machtkampf im Präsidium belastete Spieler und Umfeld gleichermaßen. In der Rückrunde verspielte der VfB trotz schwächelnder Konkurrenz eine gute Ausgangsposition und fand sich am Saisonende auf einem enttäuschenden zwölften Platz wieder. Dazu gesellte sich nicht nur bei Martin Harnik die Erkenntnis, dass man Stuttgart international nur besoffen sehen kann.
Die Langzeitverletzungen von Cacau oder Hoffnungsträger Daniel Didavi runden den verkorksten Eindruck ab. Einziger Hoffnungsschimmer im Jahr 2013 war der Einzug ins DFB-Pokal-Finale in Berlin und damit auf Umwegen das erneute Erreichen der Europa League. Im Vorfeld auf die neue Saison herrscht trotzdem wieder einmal Aufbruchsstimmung bei den Stuttgarten, dafür sorgte Fredi Bobic mit seinen Transfers.
Das ist neu
Das Wichtigste vorneweg: Nein, der VfB Stuttgart hat nicht Lionel Messi und Neymar verpflichtet, wie Trainer Bruno Labbadia richtig anmerkte. Trotzdem kann man Sportdirektor Fredi Bobic eine produktive Sommerpause attestieren: Mit Mohammed Abdellaoue wurde ein zuverlässiger und spielstarker Stürmer verpflichtet, der Vedad Ibisevic hervorragend ergänzen oder ersetzen kann.
Moritz Leitner wünschte sich in Dortmund mehr Spielzeit und wird diese nun im zentralen Mittelfeld des VfB bekommen. Dazu kommen mit Daniel Schwaab und Konstantin Rausch zwei junge und bundesliga-erfahrene Außenverteidiger, die den etablierten Sakai und Molinaro Konkurrenz machen sollen. Marco Rojas, der jedoch mit einem Mittelfußbruch in der Hinrunde keine Rolle spielen wird, und Sercan Sararer von Absteiger Greuther Fürth sind ebenfalls auf Außen eingeplant.
Juwel Timo Werner wird in der kommenden Saison ebenfalls bei den Profis mittrainieren und stand im ersten Pflichtspiel der Saison sogar in der Startformation. Aus der ersten Elf der letzten Saison verließ lediglich Shinji Okazaki die Schwaben Richtung Mainz. Labbadia ordnet die Neuzugänge pragmatisch ein: "Wir haben Voraussetzungen geschaffen, um auch mal Ausfälle auffangen zu können."
Ebenfalls neu beim VfB ist Präsident Bernd Wahler. Der Marketing-Experte trat die Nachfolge des ungeliebten Gerd Mäuser an und wurde mit überwältigenden 97, 4 Prozent Zustimmung ins Amt gewählt. Wahler ist ein Mann mit Visionen und wünscht sich, dass der VfB irgendwann seinen eigenen Offensivstil entwickelt: "Das wäre ein Traum. Heute reden die meisten von Barcelona und Tiki-Taka. Was kommt denn danach?"
Trotzdem bleibt er bescheiden, was seine Person angeht: "Letztendlich geht es um die Spieler, sie sind die Heroes, nicht ich. Wegen ihnen kommen die Fans ins Stadion." Ruhe in den Verein zu bringen, sieht er als seine erste Aufgabe an. Mit einem guten Start in die Saison wäre ihm sicherlich bereits geholfen.
Was die Fans besonders freut: Ab der Saison 2014/15 wird der VfB außerdem wieder mit dem traditionellen Wappen der Jahre 1949 bis 1994 auf der Brust auflaufen.
Die Taktik
Bruno Labbadias Lieblingsformation ist das 4-2-3-1, das auch im Pflichtspielauftakt gegen Botew Plowdew zum Einsatz kam. Zur Not kann der VfB auch auf ein 4-1-4-1 oder ein ähnlich offensives 4-4-2 umstellen. Labbadia steht jedoch nicht im Ruf, sein Team taktisch häufig umzustellen.
Personell bieten sich durch die Neuzugänge beinahe auf allen Positionen Rotationsmöglichkeiten. Dies dürfte dem VfB speziell in der zweiten Saisonhälfte entgegenkommen - sofern den Schwaben nicht wieder das Verletzungspech einen Strich durch die Rechnung macht.
Die ohnehin stark besetzten Außenbahnen wurden durch die Neuzugänge Werner, Rausch, Schwaab und Sararer noch weiter verstärkt. In Abdellaoue hat Labbadia endlich eine Alternative im Sturmzentrum, um Ibisevic die eine oder andere Verschnaufpause zu gönnen.
Auffällig war beim VfB in der letzten Saison die hohe Zahl an individuellen Fehlern und die Anfälligkeit nach Standards. An beidem hat man scheinbar gearbeitet. In den Vorbereitungsspielen präsentierte sich der VfB defensiv meist konzentriert. Lediglich gegen Gent musste man zwei Gegentreffer hinnehmen.
Standardsituation ließ Labbadia in der Vorbereitung explizit und häufig einstudieren, wie Vedad Ibisevic bestätigte. Gegen Plowdew trug diese Arbeit bereits erste Früchte. Der Führungstreffer durch Ibisevic resultierte aus einem Maxim-Freistoß. Mit Sararer verfügt der VfB über mindestens einen zweiten gefährlichen Standardschützen.
Der Spieler im Fokus
Timo Werner. Der 17-Jährige ist das wohl größte Juwel aus der VfB-Nachwuchsabteilung. Die Auszeichnung mit der Fritz-Walter-Medaille in Gold im Bereich U 17 ist Beleg dafür. Beim VfB spielte er letzte Saison noch in der A-Jugend, nun folgte der Schritt direkt zu den Profis. Bruno Labbadia nahm ihn ins Trainingslager mit und brachte ihn etwas überraschend auch im Europa-League-Spiel gegen Plowdiw von Anfang an. Fredi Boic sieht jedoch noch Verbesserungspotential im taktischen Bereich und warnt vor zu hohen Erwartungen: "Die entscheidende Frage im Übergang von der Jugend zu den Erwachsenen lautet: Wie schnell lernt ein Talent dazu?" Die besten Voraussetzungen hat Werner ohne Zweifel.
Das Interview
SPOX: Wie fühlt es sich an, von allen Seiten nur Lob zu erhalten für die Weitsicht?
Bobic: Wir haben unheimlich viel vorgearbeitet, umso schöner ist es, den Moment mitzunehmen. Es ist ungewöhnlich, fast das komplette Gerüst zu einem solchen Zeitpunkt zusammengestellt zu haben.
SPOX: Was halten Sie von Bernd Wahler, ihrem neuen Präsidenten?
Bobic: Der Mann steht nach Jahrzehnten im Marketing eines Weltunternehmens für Innovation und Knowhow. Und was wichtig ist: Trotz seiner Erfahrung kommt er nicht an und erzählt direkt etwas von irgendwelchen Visionen. Stattdessen wählt er den richtigen Ansatz und will erst einmal das eigene Haus richtig kennenlernen. Man merkt, dass er ein Mann der Mitte ist.
SPOX: Warum ist Ihnen der Bau eines neuen Nachwuchsleistungszentrums 14 Millionen Euro wert? Der VfB ist mit dem bestehenden Setup immerhin deutscher Rekord-Jugendmeister.
Bobic: Fast 14 Millionen Euro sind viel Geld und es gab auch Widerstände. Das änderte aber nichts daran, dass wir das Projekt vorantreiben mussten, um das jetzige Niveau weiterhalten oder sogar noch verbessern zu können.
Zum kompletten SPOX-Interview mit Fredi Bobic
Die Prognose
Mohammed Abdellaoue sagte vor einigen Tagen, man wollte "zu den Topmannschaften gehören", dafür reicht es auch in diesem Jahr vermutlich nicht. Eine Endplatzierung zwischen Platz sechs und zehn scheint da schon realistischer und deckt sich mit den Forderungen der Führungsetage. Bruno Labbadia wird zeigen müssen, dass der VfB mit dem verstärkten Kader mit der Doppelbelastung besser umgehen kann. Im letzten Jahr ging man vor allem gegen Ende der Rückrunde personell häufig auf dem Zahnfleisch. Sollte dies gelingen, hat der VfB im Rennen ums internationale Geschäft auch dieses Mal gute Chancen.
Der Kader des VfB Stuttgart