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"Wir sind den Schotten meilenweit überlegen"

Christian BernhardSPOX
17. November 200713:54
SPOXImago
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München - Ein Weltmeister nicht bei der Europameisterschaft? Eigentlich undenkbar. Für Italien geht es am Samstag in Glasgow gegen Schottland (Sa., 18 Uhr im LIVE-TICKER) um Alles oder Nichts. Mit einem Sieg könnten die Schotten die Squadra Azzura nämlich aus der EM-Qualifikation schießen.

Es wäre allerdings nicht das erste Mal, dass sich ein amtierender Weltmeister nicht für eine Europameisterschaft qualifizieren würde. Und es träfe auch nicht zum ersten Mal Italien. 1984 fehlten die Azzurri bei der EM in Frankreich, zwei Jahre nachdem sie Deutschland im WM-Finale im Estadio Bernabeu zu Madrid mit 3:1 geschlagen hatten.

Marco Tardelli musste damals die Schmach als Kapitän der Squadra Azzurra am eigenen Leib erfahren. Im Interview mit SPOX.com spricht der Weltmeister von 1982 über das damalige Desaster, ob den Azzurri gegen Schottland das Gleiche passieren könnte und über die Ausschreitungen im italienischen Fußball.

SPOX: Können Sie sich noch erinnern, was Sie vom 12. bis 27. Juni 1984 gemacht haben?

Marco Tardelli: Nichts besonders. Warum?

SPOX: In diesen zwei Wochen fand die Europameisterschaft in Frankreich statt, bei der Italien als Weltmeister eigentlich hätte spielen sollen.

Tardelli: Achso, das. Na klar erinnere ich mich noch daran. Wir haben damals alles probiert, um uns zu qualifizieren, aber es hat aus verschiedenen Gründen nicht gereicht.

SPOX: Warum sind Sie als Weltmeister damals gescheitert?

Tardelli: Wir sind die Qualifikation zu locker angegangen und haben gedacht, dass wir unschlagbar sind. Es war ein mentales Problem. Das hat sich dann gerächt.

SPOX: Wie hat Italien damals auf das Ausscheiden reagiert?

Tardelli: Ja wie wohl? Schlecht. So wie Italien eben immer auf negative Ereignisse reagiert.

SPOX: Was für ein Spiel erwarten Sie sich am Samstag in Glasgow?

Tardelli: Ich erwarte mir ein schönes Spiel, weil wir die Qualitäten dazu haben. Vor allem aber eine Partie, in die wir ohne Angst gehen sollten. Ich erinnere mich noch gut an das Hinspiel in Bari (Italien siegte 2:0, Anm. d. Red.) und dort waren uns die Schotten meilenweit unterlegen.

SPOX: Für die Schotten ist das Duell gegen den Weltmeister das Spiel des Lebens. Erwarten sie eine Fußball-Schlacht?

Tardelli: Alle Fußballspiele sind Schlachten, vor allem in Schottland. Der Fußball wird dort mit großer Passion, aber immer fair gelebt. Die Schotten werden alles probieren und wir müssen dagegenhalten.

SPOX: Auf was müssen die Azzurri am meisten achten?

Tardelli: Der wichtigste Punkt wird die Konzentration sein. Die Mannschaft muss das Spiel mit der richtigen Einstellung angehen, dann dürfte nicht viel passieren. Zumal uns ja auch ein Unentschieden reicht und wir gar nicht unbedingt gewinnen müssen.

SPOX: Vor welchen Spielern müssen sich die Azzurri besonders in Acht nehmen?

Tardelli: Mich hat kein schottischer Spieler besonders beeindruckt. Am ehesten vielleicht noch Kenny Miller, der vor zwei Jahren in der WM-Quali bereits gegen uns getroffen hat, oder vielleicht James McFadden. So oder so sind wir ihnen aber meilenweit überlegen.

SPOX: In so einer wichtigen Partie könnte auch der Schiedsrichter eine entscheidende Rolle spielen. Machen Sie sich Sorgen, dass Manuel Mejuto Gonzalez zu viel laufen lassen könnte?

Tardelli: Gonzalez ist einer besten Schiedsrichter, da wird es keine Probleme geben. Ich bin sowieso ein Freund von wenigen Spielunterbrechungen, deshalb kann der Schiri ruhig viel laufen lassen.

SPOX: Roberto Donadoni hat mit Alessandro Del Piero und Filippo Inzaghi zwei sehr erfahrene Spieler zuhause gelassen und dafür den 23-jährigen Raffaele Palladino einberufen. Ein Fehler?

Tardelli: Der Mister hat eine mutige Entscheidung getroffen. Er verzichtet dadurch auf zwei starke Spieler, die aber momentan eine schwierige Phase in der Nationalmannschaft durchmachen. An Erfahrung mangelt es im Angriff aber deshalb noch lange nicht: Luca Toni bringt jede Menge Erfahrung mit und auch Alberto Gilardino hat sich bereits international bewährt. Es steckt also noch genug Erfahrung und Qualität im Kader.

SPOX: Für Donadoni ist das Schottland-Spiel entscheidend. Was halten Sie von ihm?

Tardelli: Der Mister macht einen guten Job und hat bereits viele Punkte geholt. In anderen Gruppen wären wir mit dieser Punktanzahl bereits qualifiziert gewesen. Deshalb sehe ich für Donadoni keine großen Probleme.

SPOX: Was würde in Italien passieren, falls die Nazionale in Schottland verlieren würde?

Tardelli: Oh, das weiß ich nicht. Ich hoffe, dass dieser negative Fall nicht eintreten wird und dass wir uns qualifizieren.

SPOX: Apropos negativer Ereignisse: Was sagen Sie zu den schlimmen Ausschreitungen am vergangenen Sonntag, die den italienischen Fußball erneut überschattet haben?

Tardelli: Der Tod von Gabriele Sandri hatte überhaupt nichts mit dem Fußball zu tun. Unabhängig davon gibt es leider immer wieder dumme Leute, die so ein schlimmes Ereignis als Vorwand nehmen, um ihre Aggressionen auszuleben. Ein normaler Tifoso lebt für den Calcio, die Hirnlosen zerstören alles, nur um zu provozieren.

SPOX: Wie kann Italien dieses Problem in den Griff bekommen?

Tardelli: Ich bin dafür die Kurven zu schließen und die Meisterschaften zu stoppen, bis eine Lösung gefunden ist. Es darf aber keine Alibi-Zugeständnisse geben, sondern es muss wirklich etwas passieren. Der Präsident von Atalanta Bergamo, Ivan Ruggeri, ist mit gutem Beispiel vorangegangen: Er will seine Kurve schließen und nur noch Kinder reinlassen. Ich finde das eine gute Idee, obwohl es das für ein zivilisiertes Land eigentlich auch nicht sein kann, da die Fankurven für jedermann zugänglich sein müssten. Die jetzige Situation lässt uns aber momentan keine andere Wahl.

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