Beim FC Schalke 04 kümmern sich die Sportpsychologen Dr. Theresa Holst und Dr. Tobias Hesselmann in der "Knappenschmiede" um die königsblauen Talente von morgen. Im Interview mit SPOX und Goal sprechen sie über Mentaltrainer, Druck in jungen Jahren, Unterschiede zu den Profis, schwierige Eltern und mögliche Interessenskonflikte mit der Vereinsführung.
Außerdem verraten sie, wie sie eine Beziehung zu den Kindern und Jugendlichen aufbauen - und warum To-do-Listen nichts bringen.
Frau Dr. Holst, Herr Dr. Hesselmann, Sie beide betreuen als Sportpsychologen den Nachwuchs von Schalke 04. Können Sie kurz erklären, was Ihre Aufgaben sind?
Dr. Tobias Hesselmann: Man kann es in einem Satz zusammenfassen: Unsere Aufgabe ist es, ein möglichst gutes Umfeld zu schaffen, in dem die Spieler sich optimal entwickeln können. Das geht ein bisschen weg von dem Bild, das man in der Öffentlichkeit häufig hat. Viele denken, dass wir vor allem für die Problemfälle zuständig sind, also wenn jemand Depressionen hat oder so.
Aber das sind Sie nicht?
Dr. Hesselmann: Nein. Das wäre für uns überhaupt kein Arbeitsfeld, weil wir ja keine Therapeuten sind. Wenn wir einen depressiven Spieler hätten, dürften wir mit ihm gar nicht arbeiten, sondern müssten ihn an einen Psychologen weitervermitteln, der eine psychotherapeutische Ausbildung hat.
Dr. Theresa Holst: Wir wären hoffentlich diejenigen, die es erkennen und den Spieler in ein anderes Betreuungsnetzwerk begleiten würden. Aber wir würden uns nicht anmaßen, ihn zu behandeln.
Dr. Hesselmann: Unser Fokus liegt darauf, Kompetenzen im mentalen Bereich zu vermitteln, damit die Jungs ihr Maximum ausschöpfen können.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Dr. Hesselmann: Nehmen wir die Eigenmotivation. Die Spieler kommen hierher und kicken in den jungen Jahren aus Spaß am Spiel. Aber irgendwann wird aus dem Hobby Ernst. Und hier geht es darum, dem Spieler eine Idee davon zu vermitteln, wie er mit der Gesamtsituation umgehen kann und trotzdem seine Eigenmotivation hochhält und weiter Spaß hat.
Dr. Holst: Wir beschäftigen uns beispielsweise mit dem Zeitmanagement. Daran wird oft nicht gedacht, aber die Jungs haben wenig Zeit - von der Schule häufig direkt per Fahrdienst zum Training, spät nach Hause und danach vielleicht sogar noch Hausaufgaben. Wir schauen uns mit ihnen an, wie man die Zeit findet, um auch mal runterzufahren oder sich mental auf das Training vorzubereiten.
Wie man das Leben ein bisschen organisieren kann.
Dr. Holst: Genau.
Dr. Hesselmann: Wir arbeiten auch mit den Trainern, etwa am Coaching-Verhalten. Auch der Trainer hat einen großen Einfluss darauf, wie man mit Zielen arbeitet oder ob man es schafft, als Mannschaft eine Identität zu entwickeln.
Gibt es dabei ebenfalls spezielle Einheiten?
Dr. Hesselmann: Hin und wieder geben wir Trainerfortbildungen. Ansonsten kommen die Trainer normalerweise am Montag zu uns und wir sprechen über das Wochenende. Viele Trainer fordern eine Rückmeldung zum Coaching-Verhalten ein und wollen wissen, wo sie sich noch verbessern können.
"Mentaltrainer darf sich jeder nennen, auch ein Hausmeister"
Ich habe vor einiger Zeit mit einem Mentalitätstrainer über das Thema Persönlichkeitsschulung und Eigenmotivation gesprochen. Wo liegen denn die Unterschiede zu Ihrer Arbeit?
Dr. Holst: Der Unterschied: Mentaltrainer ist kein geschützter Begriff. Mental- oder Mentalitätstrainer darf sich jeder nennen, auch ein Hausmeister an einer Schule. Psychologe darf ich mich nur nennen, wenn ich das dazugehörige Studium absolviert habe.
Dr. Hesselmann: Außerdem unterscheidet sich die Ansatzweise. Viele Mentalitätstrainer arbeiten an der Persönlichkeitsentwicklung, womit ich mich persönlich sehr schwertue. Der Begriff geistert immer umher: Wir brauchen Persönlichkeiten im Fußball.
Es fehlen die Typen.
Dr. Hesselmann: Es hat mir aber noch niemand erklären können, wie das funktionieren soll. Was fällt unter den Bereich Persönlichkeitsentwicklung? Wie bekomme ich das mit der Mannschaft in einem Nachwuchsleistungszentrum überhaupt umgesetzt, vor allem wenn ich nur eine Person bin? Im Vergleich zu einem Mentaltrainer haben wir einen systemischen Blick und das nötige Hintergrundwissen darüber, was im Kopf eines Spielers abläuft. Wie wir uns motivieren, wie wir uns in der Gruppe verhalten, wie wir uns Ziele setzen, wie wir uns entspannen können. Es gibt sicherlich gute Mentaltrainer, aber bei uns geht es ein Stückchen weiter.
Warum haben die Profis auf Schalke keinen Sportpsychologen?
Wie viele Spieler betreuen Sie?
Dr. Holst: Es sind rund 220 Spieler, von der U9 bis hoch zur U23. Wir wechseln uns dabei in den Jahrgängen ab und gehen mit den Mannschaften mit, damit die Jungs mit uns quasi groß werden.
Das ist eine enorme Altersspanne.
Dr. Hesselmann: Man muss sich definitiv darauf einstellen. Wenn man hier im Büro mit einem U19- oder U23-Spieler gesprochen hat, zwischendurch noch etwas Wissenschaftliches liest und später auf dem Platz mit Achtjährigen spricht, ist es schon ein bisschen anspruchsvoll. Aber das macht auch sehr viel Spaß.
Dr. Holst: Genau das macht den Beruf so wahnsinnig spannend. Ich finde es super, dass wir alle Altersspannen dabeihaben.
Haben die Profis auch einen Sportpsychologen auf Schalke?
Dr. Holst: Einen eigenen haben sie nicht. Ich bin als Ansprechpartnerin auch für den Profibereich zuständig.
Das klingt ungewöhnlich: Der Nachwuchs hat gleich zwei Sportpsychologen, die Profis gar keinen.
Dr. Hesselmann: Der Bedarf bei den Profis ist ein bisschen anders. Wir legen in der Nachwuchsarbeit den Fokus darauf, die Jungs auf das vorzubereiten, was sie später im Profidasein erwartet. Das heißt: Wir wollen Ressourcen und Kompetenzen vermitteln, um mit den Herausforderungen umzugehen. Das verschiebt sich bei den Profis, wo man eher akut arbeitet und weniger konzeptionell. Die meisten Profis haben zudem ein separates Betreuungsnetzwerk über ihre Berater. Besteht dennoch Bedarf, gibt es bei den meisten Teams darüber hinaus ein Angebot wie bei uns mit Theresa: Wenn der Spieler möchte, kann er es in Anspruch nehmen.
Und wie sieht Ihr Alltag aus?
Dr. Holst: Bei den jüngeren Mannschaften gibt es fünf oder sechs Mannschaftseinheiten pro Saison. Da läuft weniger auf individueller Ebene, es sei denn, es handelt sich um einen Problemfall.
Dr. Hesselmann: Im unteren Bereich setzen wir die Grundlagen, denn die Jungs sind ja hier, um zu kicken, um Spaß zu haben. Wenn wir mit einem U9-Spieler über den Umgang mit Druck sprechen müssten, würde hier grundsätzlich etwas falsch laufen - zum Glück ist das nicht so. Das klassische Bild vom individuellen Coaching, das man immer sieht, startet ab der U13 oder U14, weil die Jungs mit elf, zwölf erst anfangen, über sich selbst zu reflektieren.
Was sind denn typische Themen, die zur Sprache kommen?
Dr. Hesselmann: Ganz banale Dinge wie das eigene Wohlbefinden. Heimweh, Liebeskummer, und so weiter. Wenn du dich nicht wohlfühlst, bist du mit den Gedanken nicht auf dem Platz, trainierst nicht im optimalen Bereich und wir verlieren Entwicklungspotenzial. Ich bin davon überzeugt, dass der eine oder andere Spieler auch ohne uns auf den richtigen Weg kommen würde. Aber er braucht vielleicht ein Jährchen länger.
Macht es einen Unterschied, ob der Jahrgang von einem Mann oder einer Frau betreut wird? Gerade wenn die Mutter sehr weit weg ist und Sie die Ansprechpartnerin sind, Frau Dr. Holst ...
Dr. Holst: Die Ersatzmutti. (lacht) Diese Frage kommt immer und sie ist ziemlich schwierig zu beantworten - ich war schließlich noch nie ein Mann. Gefühlt würde ich sagen: nein. Mit manchen Spielern baut man schneller eine Beziehung auf. Das ist einfach so, egal ob Mann oder Frau.
Dr. Hesselmann: Jeder Sportpsychologe hat ohnehin seine eigenen Denkweisen und Ansätze, wie er mit den Spielern arbeitet. Wir haben kein Skript, das wir mit den Spielern Frage für Frage durchgehen, von daher ist es schwer zu sagen, ob es an der Person liegt oder am Geschlecht. Aber wir nehmen eigentlich kaum Unterschiede wahr.
Wie baut man eine gute Beziehung zu den jüngeren Kindern auf? Gibt es die klassischen Teambuilding-Aktivitäten von wegen: Jetzt fahren wir mal drei Tage in den Wald?
Dr. Holst: (lacht) Drei Tage in den Wald. Das sollten wir vielleicht mal machen.
"Wir sind keine großen Fans von Teambuilding"
Dr. Hesselmann: Wir sind grundsätzlich keine großen Fans von Teambuilding. Ich gehe mit den Spielern in den Wald oder den Kletterwald und danach hat das Team sich lieb? Das kann ja nicht funktionieren. Aber wir streuen am Anfang der Saison schon häufig Aktivitäten abseits des Fußballs ein, um die Jungs kennenzulernen und ein bisschen Auflockerung reinzubringen.
Dr. Holst: Gerade die jüngeren Spieler sollen uns auch ein bisschen mit Spaß assoziieren.
Dr. Hesselmann: Ansonsten sind wir jeden Tag hier: beim Training, an den Kabinen, ab und zu im Internat. So gehören wir irgendwo mit dazu. Wie der Physio: Nicht jeder Spieler sieht den Physio jeden Tag, trotzdem weiß er: Der gehört zur Mannschaft.
Dr. Holst: Wir sind auch am Wochenende hier, schauen uns die Spiele an und versuchen, mit den Jungs auch über alltägliche Sachen zu quatschen und Beziehungen aufzubauen. So wachsen sie mit uns auf und das Vertrauen ist da, wenn sie etwas älter werden und die ersten Probleme oder Fragen auftauchen.
Gehen Sie auf einen Spieler proaktiv zu, wenn er etwa im Training niedergeschlagen wirkt?
Dr. Hesselmann: Wenn wir den Spieler sehr gut kennen. Wenn man sie drei, vier Jahre kennt, sieht man das ja, wenn sie zwei Wochen lang herumlaufen wie ein Schluck Wasser in der Kurve. Aber es gibt auch andere Wege: Spieler verziehen sich zum Beispiel oft zum Physio und hängen bei ihm rum, wenn sie verletzt sind oder schlechte Laune haben. Dann kann der Physio sagen: Du hast mir jetzt dies und jenes erzählt, sprich doch mal mit deinem Sportpsychologen. Wir können auch den Trainer ansprechen. Wenn er den gleichen Eindruck hat, kann er den Spieler ermutigen, zu uns zu kommen.
Aber es gibt schon eine Schweigepflicht, oder? Man geht nicht zum Spieler und sagt: Pass auf, der Trainer hat mir dieses und jenes erzählt - jetzt pack mal aus.
Dr. Holst: Die gibt es und wir nehmen sie sehr ernst. Alles läuft über Vertrauen. Was die Spieler uns erzählen, bleibt bei uns und wird nur in Absprache mit dem Spieler mit dem Trainer besprochen. Das ist uns sehr wichtig, denn sonst kommt der Spieler einmal und nie wieder.
"Einige Eltern wollen uns vielleicht als Erziehungsersatz"
Wie sieht der Kontakt zu den Eltern aus?
Dr. Holst: Im jüngeren Bereich läuft es natürlich erst einmal über die Eltern. Von ihnen holen wir uns die Erlaubnis ein, mit den Kids zu arbeiten. Ansonsten ist der Kontakt de facto relativ gering. Es gibt Elternabende bei den einzelnen Mannschaften. Dort sind wir dabei und stellen uns vor. Außerdem haben wir eine Elternsprechstunde eingerichtet, die aber selten genutzt wird. Manchmal wenden sich Eltern über die Trainer an uns, wenn ein Junge unkonzentriert ist oder Probleme hat. Aber das ist nur ein kleiner Teil unserer alltäglichen Arbeit.
Dr. Hesselmann: Es ist schwierig einzuschätzen, wie es mit der Akzeptanz aussieht. Wir haben Eltern, die sehr froh sind über die Angebote für ihre Jungs. Wir haben aber auch Spieler, die sagen: Ich will lieber nicht, dass meine Eltern wissen, dass ich hier bin.
Dr. Holst: Es ist wie bei den Spielern: Die Eltern, die uns nicht akzeptieren wollen oder unser Angebot nicht wahrnehmen, die sieht man auch nicht. Anfeindungen oder so gibt es aber keine. Mit solchen Eltern kommen wir einfach nicht in Kontakt.
Würde es Ihre Aufgabe vereinfachen, wenn Sie zu den Eltern einen noch engeren Kontakt hätten?
Dr. Holst: Ich weiß nicht. Vielleicht würde es unseren Job auch schwieriger machen. Manchmal sind wir ganz froh, wenn wir unabhängig von den Eltern mit den Jungs arbeiten können, um ihnen ein Umfeld zu bieten, das ein bisschen stressfreier ist. Es gibt gerade im Leistungssport häufig Eltern, von denen Druck auf die Spieler ausgeht.
Dr. Hesselmann: Man muss aufpassen, dass man sich nicht von den einzelnen Gruppen instrumentalisieren lässt. Einige Eltern wollen uns vielleicht als Erziehungsersatz vor den Karren spannen oder uns dazu bringen, an ihrer Stelle mit dem Trainer zu sprechen.
Dr. Holst: Man darf es aber auch nicht zu negativ sehen. Ich finde Elternarbeit sehr wichtig, weil sie die wichtigsten Bezugspersonen für die Kids sind.
Was passiert, wenn ein Spieler ein Problem hat, aber lieber mit jemandem außerhalb des Vereins reden will?
Dr. Holst: Gerade im Profibereich kommt das vor. Ich kann es auch verstehen, dass anfangs ein gewisses Misstrauen besteht, weil Schalke uns bezahlt. Es ist an uns, dieses Vertrauen herzustellen. Wenn das nicht klappt, darf man nicht gekränkt sein: Wenn er die Hilfe woanders bekommt, ist das überhaupt kein Problem.
Dr. Hesselmann: Wir haben es schon erlebt, dass wir über andere Kanäle erfahren haben, dass einer von unseren Jungs sich extern Unterstützung geholt hat. Das ist sein gutes Recht, so wie sich jeder seinen Arzt aussuchen darf. Wir haben auch nicht den Anspruch, mit jedem Spieler hier arbeiten zu müssen. Es ist ein freiwilliges Angebot. Sonst sitzt jemand bei mir und hat keinen Bock.
Sind sich Nachwuchsspieler von der Persönlichkeit eigentlich alle relativ ähnlich, zum Beispiel alle extrem ehrgeizig?
Dr. Holst: (überlegt) Nein, generell kann man das nicht sagen. Ich würde sagen: Glücklicherweise gibt es das nicht. Ich finde es spannend, dass die Menschen hier so unterschiedlich sind. Wir wählen auch nicht nach Persönlichkeit aus. Was man haben muss, um oben anzukommen, ist eine hohe Eigenmotivation. Man muss sich eigene Ziele setzen und diese verfolgen wollen.
Dr. Hesselmann: Wir haben natürlich eine Selektion in der Knappenschmiede, wie in jedem anderen Leistungssport auch. Die Spieler, die am Ende bei uns in der U17, U19 oder U23 sind, haben gelernt, mit gewissen Herausforderungen umzugehen und eine Widerstandsfähigkeit zu entwickeln. Diese "Malochermentalität", also sich durch Training ständig weiter zu verbessern, hat man im Leistungssport automatisch drin. Im Vergleich sind die Neun-, Zehn-, Elfjährigen hier teilweise schon recht weit. Allein schon deshalb, weil sie einen Mannschaftssport machen. Aber das kann man auch nicht verallgemeinern.
Ein Spieler im Alter von 16 oder 17 Jahren kommt zu Ihnen und sagt: "Ich komme mit dem Druck nicht mehr klar." Was würden Sie tun?
Dr. Holst: Dafür gibt es kein Rezept und keine To-do-Liste - was für viele ein bisschen nervig ist. Unser Beruf ist eben sehr individuell. Man muss sich zuerst mit der Person beschäftigen: Wer sitzt da vor mir? Was stresst ihn? Welche Ziele hat er? Jeder Spieler bringt Unterschiedliches mit. Dann schauen wir, welche Ressourcen wir aktivieren können: Welche Stärken können wir stärken, damit der Spieler mit der Situation klarkommt?
Dr. Hesselmann: Die Frage ist ja auch: Wo kommt dieser Druck überhaupt her? Ist es der Trainer? Macht er sich den Druck selbst, weil er neu ist und zuvor immer Stammspieler war? Muss er daheim die Familie ernähren? Tausend Dinge können eine Rolle spielen, dementsprechend muss man immer unterschiedlich ansetzen.
Verstehe.
Dr. Hesselmann: Die grundsätzliche Idee hinter unserer Arbeit ist, dass wir uns überflüssig machen. Sowohl beim Coaching mit dem Spieler, als auch hier im Verein. Wenn irgendwann alles laufen würde und die Mannschaftseinheiten den Spielern soweit helfen, dass sie mit allen Herausforderungen umgehen können, bräuchten sie uns nicht mehr. Das wäre super, auch wenn es das nie zu 100 Prozent geben wird. Ich will ja gar nicht, dass der Spieler jede Woche zu mir kommt und auch in drei Jahren noch bei mir sitzt. Sondern ich will ihm Ideen, Denkweisen und Techniken vermitteln, mit denen er das selbst steuern kann. Auch in einem Jahr noch, wenn eine ähnliche Situation auftritt
Dr. Holst: Ich kann jedem Spieler nur empfehlen: Schaut bei dem oder der Sportpsychologin vorbei, wenn es das Angebot gibt. Es kann angenehm sein, mit jemandem zu sprechen, der außerhalb des eigenen Systems ist und eine andere Sicht auf die Dinge hat. Und auch dafür ausgebildet ist.
"Würde nie etwas weitergeben, wenn ein Spieler zu mir kommt"
Ob das Knie des Spielers in Ordnung ist, weiß der Verein. Ob der eigene Spieler große psychische Probleme hat, würde er vielleicht auch wissen wollen, bevor er ihm einen neuen Vertrag gibt. Kann es dabei zu Konflikten kommen?
Dr. Holst: Diesen Konflikt gibt es theoretisch sicher. Praktisch glücklicherweise bei uns bisher nicht.
Dr. Hesselmann: Ich sehe den Konflikt auch nicht so gravierend. Die Jungs sind hier ab einem gewissen Alter normale Arbeitnehmer, wenn man so will. Wenn ich irgendwo arbeite und psychologische Probleme habe, erfährt mein Arbeitgeber das ja auch nicht.
Weil man nicht zum Psychologen gehen würde, der vom Arbeitgeber bezahlt wird.
Dr. Hesselmann: Ja, aber deswegen ist es für mich selbstverständlich, dass ich niemals etwas weitergeben würde, wenn ein Spieler zu mir kommt - selbst wenn das die Entscheidung, ob er einen Profivertrag bekommt oder nicht, beeinflussen würde. Das ist nicht meine Aufgabe. Der Spieler kommt immer zuerst. Wenn ein Spieler keine Lust mehr hätte oder den Verein verlassen wollen würde, würde ich mich davor hüten, ihn umstimmen zu wollen.
Dr. Holst: Davon hätte der Verein am Ende ja auch nichts. Und wie schon gesagt: Bei einer solchen gravierenden psychischen Erkrankung wären wir nicht diejenigen, die den Spieler behandeln. Das ist auch ein Grund, warum ich diese Doppelrolle niemals erfüllen wollen würde.
Gibt es Spieler, die von sich aus kommen und keine Probleme haben, aber trotzdem alles mitnehmen wollen, was es an Angeboten gibt?
Dr. Holst: Da kommen wir so langsam hin. Wir wollen ja aus dieser Problemecke raus. Es geht nicht nur um "krank" und "blöd", sondern um Leistungsoptimierung und Wohlbefinden. Das geht jeden Spieler etwas an.
Gibt es zum Schluss noch etwas, das Sie klarstellen wollen? Irgendwelche Vorurteile, die sich hartnäckig halten?
Dr. Holst: Das Meiste hatten wir schon. Der wichtigste Punkt ist der Unterschied zum Psychotherapeuten. Und dass es schön wäre, wenn man erkennt, dass unsere Arbeit nicht nur mit Problemen zu tun hat, sondern auch mit dem Ausschöpfen von Potenzialen.
Dr. Hesselmann: Man geht ja auch zum Athletiktrainer, um seine körperlichen Fähigkeiten aufzubauen. Nicht nur, weil der linke Oberschenkel dünner ist als der rechte. Alles wird vom Kopf gesteuert.
Dr. Holst: Und wir können keine Gedanken lesen. Ich hatte schon das Gefühl, dass Leute kommen und denken: Oh oh, ich muss jetzt aufpassen, was ich sage. (lacht)