Der FC Bayern München ringt RB Leipzig mit 5:4 (1:2) nieder. Meister und Vize-Meister machen in einem begeisternden Spiel Werbung für die Bundesliga. Eine Partie, die jede Menge Themen produzierte.
Die Altherren-Debatte muss warten
Es braucht nicht viel Phantasie, um sich das große Thema nach dem Spiel Leipzig gegen Bayern bei einer Niederlage des Meisters beim Vize-Meister vorzustellen: Die junge Bullen-Mannschaft, die die in die Jahre gekommene Star-Truppe (Durchschnittsalter 24,4 Jahre vs. 29,8 Jahre) mit ihrem Tempo und Dynamik überrollt.
In der Tat schienen die Bayern zu Beginn auch etwas überrascht von der Gangart der Gastgeber, nach fünf Minuten hatte RB schon drei gefährlich Abschlüsse, während die Bayern wohl eher auf einen gemütlichen Showkick zwischen Meister und Vize-Meister eingestellt waren.
Aber es spricht mal wieder für den Charakter und die Moral dieser Mannschaft, dass sie schnell in den Wettkampfmodus schalten konnte und RB bis zur letzten Sekunde einen harten Fight lieferte, auch wenn es spielerisch nicht immer passte.
Und was ebenfalls für den FC Bayern spricht, ist die Tatsache, dass die Münchner in der Schlussphase fitter wirkten. Leipzig war stehend K.o., konnte keinen Konter mehr spielen, während die Bayern auf den Ausgleich drängten und nach diesem auch auf den Sieg.
Wer Arjen Robbens Siegtor gesehen hat, der fühlte sich ein bisschen an 2010 erinnert, als der Niederländer in der Verlängerung des DFB-Pokal-Halbfinals auf Schalke ein ähnliches Solo auf den Platz zauberte. Dass Robben das mit mittlerweile 33 Jahren immer noch kann, bestätigt einmal mehr den alten Spruch: "Es gibt keine jungen und alten Spieler, sondern nur gute und schlechte."
Thiagos falsche Gelbe Karte
"Es ist erst vorbei, wenn wir sagen, dass es vorbei ist", twitterte Thiago nach der Partie. Dabei dachten viele, dass das Spiel für ihn persönlich in der 72. Minute schon zu Ende gwesen sei, als er von Schiedsrichter Tobias Stieler wegen Meckerns die Gelbe Karte gezeigt bekam.
Immerhin hatte er doch erst acht Minuten zuvor eine Gelbe Karte wegen Meckerns bekommen - zumindest wurde es so im TV eingeblendet und stand auch in den meisten Online-Tickern so.
Bei genauerer Betrachtung der Szene wurde aber schnell klar, dass Stieler die Gelbe Karte nicht Thiago, sondern Douglas Costa zeigte. Der Schiedsrichter gab dem Brasilianer auch noch ein paar klare Worte mit auf den Weg, Thiago stand nur gerade zufällig in der Flucht der Karte, was im ersten Moment auf den TV-Bildern für Verwirrung sorgte, weil Thiago Costa verdeckte. Aber es war alles korrekt und somit kein Platzverweis.
Was ist los mit Jerome Boateng?
Jerome Boateng war lange verletzt in dieser Saison, der Nationalspieler war zu keiner Zeit ein stabiler Faktor in der Defensive der Münchner. Dass er sich nach seiner Rückkehr im März aber mehr Einsatzzeit erwartet hätte, daraus hat er nie einen Hehl gemacht. Boateng hat ein gesundes Selbstvertrauen, er sieht sich selbst als Innenverteidiger Nummer eins beim FC Bayern und in Deutschland. Nicht umsonst würde er sich ein Kapitänsamt in beiden Teams zutrauen.
Dass er seinen Status auch intern abchecken will, wie zuletzt berichtet wurde, ist klar. Im ersten Schritt muss er aber erst komplett fit werden und seine Leistung wieder stabilisieren. In Leipzig sah er bei allen vier Gegentoren schlecht aus. Ansprüche kann er mit solchen Leistungen nicht stellen.
Lahm und Alonso: Das falsche Spiel
Ein Spiel noch dann sind die Karrieren von zwei der größten Spieler der letzten 15 Jahre beendet. Philipp Lahm und Xabi Alonso dürfen gegen Freiburg nochmal vor heimischem Publikum ihre Klasse zur Schau stellen. Davor mussten sie in Leipzig aber harte Arbeit verrichten.
Es war ein Spiel, wie es Lahm und Alonso nicht gerne haben. "Es ging hin und her. Wenn man keine Balance hat zwischen Abwehr und Angriff, dann schaut so ein Spiel so aus", sagte Lahm. Das sei zwar für die Zuschauer schön, aber "nicht für eine Mannschaft wie uns, die davon lebt, dass sie sehr strukturiert Fußball spielt und über Ballbesitz kommt".
Und so sahen sich die beiden Routiniers in einem Spiel gefangen, in dem sie manchmal nur schlecht aussehen konnten. Zum Beispiel, wenn Lahm ins Laufduell gegen Werner musste. Oder wenn Alonso Sabitzer hinterherhechelte.
Sprinter waren beide noch nie, aber die Bayern vermeiden es an guten Tagen, ihre spielintelligentesten Akteure in solche Situationen zu bringen. Gegen Leipzig gab es zu viele dieser Aktionen und am Ende machte Lahm vor dem 2:4 sogar einen Fehler, wie er ihn vielleicht seit dem EM-Halbfinale 2008 nicht mehr gemacht hat.
Dass beide noch immer allerhöchsten Ansprüchen genügen, zeigten sie dagegen vor allem offensiv. Alonso strukturierte in den wenigen ruhigen Phasen das Spiel und hatte eine Passquote von über 96 Prozent - auch in der gegnerischen Hälfte. Zudem setzte er sich geschickt vor Thiagos Anschlusstreffer im Kopfballduell durch.
Lahm bildete mit Robben im Vorwärtsgang zum vorletzten Mal ein begeisterndes Duo. Keinen Lauf hat der 33-Jährige vermutlich öfter gemacht, als den im Rücken von Robben die Grundlinie hinunter. Der Lohn: die Flanke vor dem Elfmeter, die Flanke vor dem 2:3 und weitere gute Offensivaktionen (sechs Flanken, drei Torschussvorlagen) sowie die meisten Ballaktionen (87).
Ist Timo Werner einer für den FC Bayern?
Der FC Bayern sucht einen Stürmer, Timo Werner ist ein Stürmer. Passt also. Früher, da hatte Uli Hoeneß RB-Patron Dietrich Mateschitz schon nach 70 Minuten ein Angebot über die Sitzschalen geschoben und den Werner hinterher gleich mitgenommen.
Aber so leicht ist die Sache natürlich nicht. Erstens suchen die Bayern einen Backup, zweitens wird RBL seinen Torjäger nach einer Saison nicht schon wieder abgeben und drittens hätte Matschitz genügend Geld, um den Bayern Robert Lewandowski abzukaufen.
Die Bayern werden Werners Werdegang sicher beobachten und schauen, wie er sich nächste Saison in der Champions League und der Nationalmannschaft macht. Mit 21 Toren ist der Neuzugang vom VfB Stuttgart der beste deutsche Torschütze in dieser Saison.
Leipzig ist bereit für die Champions League
Im Hinspiel sind die Leipziger beim 0:3 an ihre Grenzen gestoßen. Trainer Ralph Hasenhüttl wollte im Rückspiel deshalb sehen, wie viel sein Team aus dieser Erfahrung gelernt habe. Der Trainer war bei der Lernfortschrittskontrolle dann sehr zufrieden.
"Was wir 75 Minuten lang gespielt haben, war mehr als beeindruckend", sagte Hasenhüttl. "Es reicht aber nicht, es nur 75 Minuten so gut zu machen. Man muss auch die letzten entscheidenden Schritte tun."
Der Auftrag für die kommende Saison ist also klar formuliert. Die Leipziger werden dann die Chance haben, sich nicht nur gegen Bayern und Dortmund abzufragen, sondern auch gegen Hochkaräter in der Champions League. RB wird Kracher aus Topf eins und zwei bekommen, aber die Leistungen gegen die beiden deutschen Spitzenteams in dieser Saison zeigen klar: Leipzig ist bereit für die Königsklasse.
Ein paar historische Statistiken
- Es war das torreichste Spiel dieser Bundesligasaison, letztmals fielen im Februar 2015 zwischen Leverkusen und Wolfsburg so viele Treffer (4:5).
- RB Leipzig verlor erstmals ein BL-Spiel nach Führung.
- Erster Sieg für die Bayern nach 2-Tore-Rückstand seit einem 4:3 in Gladbach im Mai 2013.
- 12. BL-Torvorlage von Thomas Müller 2016/17. Damit überbietet er seinen persönlichen BL-Saisonrekord aus den Spielzeiten 2010/11 und 2012/13 (je 11).
- Der FCB gewann die letzten 28 BL-Spiele gegen Aufsteiger! Die letzte Pleite gegen einen Emporkömmling aus dem Unterhaus gab es zu Beginn der Saison 2010/11, als die Münchner am 2. Spieltag mit 0:2 in Kaiserslautern verloren.
- Der FC Bayern erzielte in der laufenden BL-Saison schon das 8. und 9. Tor ab der 90. Minute und stellt einen neuen BL-Rekord auf. So viele Tore in der Schlussminute (inkl. Nachspielzeit) gelangen in einer BL-Saison keinem anderen Team.
- Nur einmal zuvor kassierten die Bullen im Profifußball 4 Gegentore: beim 0:4 gegen Sandhausen im Mai 2015.
- Lewandowski schnürte seinen 41. Mehrfachpack in der Bundesliga, nur Manfred Burgsmüller, Klaus Fischer (je 44), Jupp Heynckes (51) und Gerd Müller (87) trafen öfter mehrfach.
- 4 Gegentore kassierten die Bayern unter Ancelotti nur beim 2:4 nach Verlängerung bei Real Madrid.
- Beim 1:4 gegen die Stuttgarter Kickers im Oktober 1991 kassierte der FCB letztmals so viele Gegentore gegen einen Aufsteiger.
- Lewandowski erzielte in seinem 226. BL-Spiel seinen 150. BL-Treffer - nur Gerd Müller benötigte weniger Spiele für seine ersten 150 Treffer (192).
- Leipzig traf zum 9. Mal innerhalb der ersten 6 Minuten und stellte damit den BL-Rekord von Eintracht Frankfurt (1971/72) und dem 1. FC Köln (1982/83) ein, die über eine komplette Saison jeweils 9 Mal in den ersten 360 Sekunden trafen.
Leipzig - Bayern: Daten zum Spiel
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