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Das erste Jahr nach der SPOX-Aktion

Haruka GruberSPOX
10. Januar 201219:18
Philippinens Nationaltrainer Michael Weiß im Kreise seiner Mannschaft um Stephan Schröck (2.v.l.)Getty
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Vor exakt zwölf Monaten wurde der Deutsche Michael Weiß Nationaltrainer der Philippinen, nachdem er auf die einzigartige Stellenanzeige des Verbands bei SPOX aufmerksam wurde und sich beworben hatte. Der Beginn eines unglaublichen Abenteuers. Der 46-jährige Weiß über historische Erfolge, Chaos und David Beckham.

SPOX: Michael Weiß, Sie bekamen vor exakt einem Jahr den Zuschlag als neuer Trainer der philippinischen Nationalmannschaft. Seitdem haben sich die Philippinen in der Weltrangliste um sechs Plätze von 153 auf 159 verschlechtert. Was sagt das über Ihre Arbeit aus?

Michael Weiß: Nur wenig. Leider werden in der Weltrangliste viele Faktoren nicht berücksichtigt, von daher ist es vor allem für die hinteren Plätze nur bedingt repräsentativ. 2011 haben wir mehrere historische Bestmarken aufgestellt: Wir sind erstmals in die zweite Runde der WM-Qualifikation und in die Hauptrunde des Challenge Cup, den Asienmeisterschaften für Fußball-Entwicklungsländer, eingezogen. Außerdem haben wir nach sechs Jahren mit der U 23 wieder ein Nachwuchs-Nationalteam auf die Beine gestellt. Zuvor gab es nur die A-Mannschaft - und sonst nichts. Diese Erfolge sagen mehr aus als die reine Weltranglisten-Position.

SPOX: In einer philippinischen Zeitung hieß es: '2011 geht in die Annalen ein als das Jahr, in der der philippinische Fußball wiederbelebt wurde.' Was ist 2012 möglich?

Weiß: Seit wir Nepal im September mit 4:0 weggeputzt haben, weiß ich, woran ich mich orientieren kann. Nepal lag zu dem Zeitpunkt 31 Weltranglisten-Plätze vor uns und war der große Favorit - aber wir konnten von Stephan Schröck abgesehen alle Europa-Profis einsetzen und überrollten den Gegner. Jetzt bin ich überzeugt, dass wir in der Gruppenphase des Challenge Cup gegen WM-Teilnehmer Nordkorea, Indien und Tadschikistan nicht chancenlos sind, vor allem wenn Schröck von Fürth die Spielberechtigung erhält.

SPOX: Schröck ist bereits der große Fußball-Star der Philippinen, obwohl er erst im Sommer eingebürgert wurde. War sein Traumtor im WM-Quali-Rückspiel gegen Kuwait auch für Sie das Highlight des Jahres, obwohl Ihre Mannschaft am Ende ausschied?

Weiß: Es gehört zu den intensivsten Momenten: Wir hatten das Hinspiel in Kuwait mit 0:3 verloren, aber dank Schröck gingen wir im Rückspiel 1:0 in Führung. Dann besaßen wir die riesige Chance zum 2:0, wenige Minuten später sah Kuwait die Rote Karte und unsere Fans flippten angesichts eines möglichen Wunders aus. Die Sensation war möglich, stattdessen drehte Kuwait die Partie in Unterzahl und wir verloren 1:2. Dennoch gehörte sie zu den Höhepunkten meines Lebens. Genauso das 4:0 in der Runde zuvor gegen Sri Lanka - der erste Sieg in einem WM-Quali-Spiel überhaupt für die Philippinen. Oder das 3:0 gegen Bangladesch, wodurch wir uns die Teilnahme am Challenge Cup sicherten.

SPOX: Warum zählen Sie das Freundschaftsspiel gegen den neuen US-Meister Los Angeles Galaxy mit David Beckham, Robbie Keane und Landon Donovan nicht auf? Von der medialen Präsenz die wohl wichtigste Fußball-Partie aller Zeiten.

Weiß: Vom Drumherum war es eine super Sache. Dennoch enttäuschte mich das Spiel, weil es genau aufzeigte, woran es der Nationalmannschaft noch mangelt. Wir lagen zur Pause lediglich 1:2 zurück, doch am Ende hieß es 1:6. Meine Spieler vergaßen vor lauter Begeisterung völlig die taktische Ordnung und schienen nur daran zu denken, nach dem Abpfiff ein Autogramm von Beckham zu besorgen. Es wurde verpasst, Werbung für den Fußball an sich zu machen.

SPOX: So streng?

Weiß: Die Nationalspieler sind anders als früher keine Amateure, stattdessen sollen sie auch von außen als echte Profis respektiert werden. Dafür müssen sie sich so verhalten. Deswegen habe ich zum Neujahr einen Brief an alle verschickt, in der ich die Verantwortung unseres Teams für die gesamte Nation hervorgehoben habe. Dieses Bewusstsein zu entwickeln gehört zu meinen wichtigsten Aufgaben.

Teil 2: "Einmal prügelten sich zwei Busfahrer"

SPOX: Welche Reaktionen erhalten Sie, seit Sie auf den Philippinen arbeiten?

Weiß: Sehr viel Zuspruch. Nicht nur von Freunden, sondern von Bekannten aus dem deutschen Profi-Fußball und den deutschen Medien. Die 'Süddeutsche Zeitung', die 'Welt', der 'Kicker', die 'ZDF-Sportreportage', sie alle berichteten seit der SPOX-Trainersuch-Aktion über die Philippinen. Das ist der Wahnsinn. Aber auch in Asien hat sich schnell herumgesprochen, was hier entsteht. Ich wurde sogar in Japan, dem Geburtsland meiner Ehefrau, um Autogramme gebeten.

SPOX: Sie sind mitverantwortlich für den zuvor nicht für möglich gehaltenen Fußball-Hype auf den Philippinen. Befürchten Sie, den gestiegenen Erwartungen nicht gerecht werden zu können?

Weiß: Im Gegenteil: Die Qualität der Spieler ist so hoch, dass wir 2012 und 2013 noch wesentlich mehr erreichen werden als letztes Jahr. Ohne das richtige Maß zu verlieren, werden wir die Mannschaft weiter mit Halb-Filipinos verstärken, ähnlich wie bei Schröck oder Ingolstadts Manuel Ott: In Schweden gibt es ein Brüderpaar, das wir uns anschauen. Kevin Ingreso, das Talent des Hamburger SV, könnte ebenfalls eine Rolle spielen, genauso Villarreal-Star Jonathan de Guzman. Selbst auf der Torhüter-Position, wo wir mit Fulhams Nummer zwei Neil Etheridge und Duisburgs Nummer drei Robert Müller für asiatische Verhältnisse extrem gut besetzt sind, bietet sich jemand aus Frankreich an.

SPOX: Der Keeper heißt Alphonse Areola: Französischer U-19-Nationalkeeper, der von PSG zur zukünftigen Nummer eins aufgebaut wird - und ebenfalls philippinische Wurzeln besitzt.

Weiß: Unser Teammanager Dan Palami war im August in Paris und traf sich mit ihm. Er soll ein Riesentalent sein, daher spekuliert er verständlicherweise auf eine Perspektive bei den Franzosen.

SPOX: Sie zeichnen sich nicht nur für das Training verantwortlich, sondern auch um das Scouting möglicher Nationalspieler und vielen weiteren organisatorischen Fragen rund um die Mannschaft. Wie anstrengend war 2011?

Weiß: Es war ein super Jahr, das aber viel Kraft gekostet hat. Das eigentliche Coaching nahm nur 40 Prozent der Zeit, parallel stellte ich ein Trainingslager in Deutschland und Dubai auf die Beine oder ging auf Sponsorensuche. Dazu die vielen Reisen: Nicht nur nach Deutschland und Dubai, es ging nach Japan, in die Mongolei, Sri Lanka, Myanmar, Bahrain, Kuwait, und so weiter. Trotz allem will ich mich nicht beschweren. Über Weihnachten habe ich mich aufgeladen und bin bereit für 2012.

SPOX: Bekommen Sie zur Entlastung den von Anfang an erwünschten Technischen Direktor? Der ehemalige Zweitliga-Trainer Michael Krüger gehört zu den Kandidaten.

Weiß: Zuletzt war Eckhard Krautzun im Auftrag des DFB sechs Wochen lang auf den Philippinen und schrieb einen Evaluierungsbericht über den Stand des Fußballs. Ich hoffe, dass in diesem Jahr ein vom DFB, dem DOSB und dem Auswärtigen Amt finanzierter Technischer Direktor entsandt wird, um mir zu helfen und die Entwicklung des Fußballs zu fördern. Ich versuche, vieles zu korrigieren, dennoch bleibt die grundlegende Struktur amateurhaft.

SPOX: Ein Beispiel?

Weiß: Es gibt zig Beispiele. Einmal prügelten sich zwei Busfahrer, weil der eine Urlaub nehmen wollte und der andere es verboten hat. Am Ende hatten wir keinen Busfahrer und keinen Bus, so dass die gesamte Mannschaft irgendwo in Manila auf der Straße stand und eine halbe Ewigkeit warten musste. So was ist Alltag.

SPOX: Sie sprechen entspannt über das dortige Chaos, aber gab es einen Moment, an dem Sie an Ihre Grenzen stießen?

Weiß: Alles rund um Fukushima verlief extrem für mich. Wir hielten in Japan ein Trainingscamp ab, als die Katastrophe passierte. Zu dem Zeitpunkt waren wir inmitten von Tokio unterwegs und mussten so schnell es geht zum Hauptbahnhof. Weil keine U-Bahnen mehr fuhren, sind wir mit dem gesamten Gepäck quer durch die Innenstadt gesprintet, während überall um uns herum Panik herrschte. Hinzukamen die Sorgen um meine Familie: Meine Frau und die Kinder hielten sich ebenfalls in Japan auf und ich konnte sie anfangs nicht erreichen.

SPOX: Haben Sie angesichts all der widrigen Umstände irgendwann die Lust am Job verloren?

Weiß: Niemals! Vielmehr hätte ich nichts dagegen, wenn ich noch länger auf den Philippinen bleiben könnte. Ich habe jetzt genau die Hälfte meines Zwei-Jahres-Vertrags hinter mir, vielleicht können wir uns auf eine Verlängerung bis 2013 oder 2014 einigen.

SPOX: Vietnams Nationaltrainer Falko Götz verlor mit der U 23 bei den südostasiatischen Meisterschaften lediglich eines von sechs Spielen, was jedoch das Ende im Halbfinale bedeutete, und wurde nun gefeuert. Sie verloren mit der philippinischen U 23 vier von fünf Spielen, schieden in der Vorrunde raus - und sind weiter im Amt. Was bedeutet es?

Weiß: Dass die entscheidenden Personen hinter mir stehen. Teammanager Palami und Verbandspräsident Mariano Araneta haben mich intern wie auch in den Medien immer unterstützt. Sie wissen, dass wir vor allem in Nachwuchsbereich aufholen müssen, und verfolgen keine unrealistischen Ziele. Vietnam und die anderen Großen Südostasiens stellen seit Jahren Jugend-Nationalmannschaften von der U 17 bis aufwärts zur U 23, wir hingegen haben nur die U 23, die einige Wochen vor dem Turnier noch nicht einmal existiert hatte. Daher geht es nur mit Kontinuität - das weiß nicht nur ich, sondern auch der philippinische Verband.

Die Philippinen im Steckbrief

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