Claus-Dieter Wollitz ist der Felix Magath des VfL Osnabrück - Trainer und Manager in Personalunion. "Pele" im Interview über die Belastungen der Doppelfunktion, die Auswirkungen der Osnabrücker Finanzprobleme auf seine Arbeit und den Fall Martin Fenin.
SPOX: Herr Wollitz, wie schon in Cottbus üben Sie auch in Osnabrück das Trainer- und Manageramt in Doppelfunktion aus. Markus Babbel beendete das in Hoffenheim aufgrund zu hoher Belastung. Wie ist es für Sie?
Claus-Dieter Wollitz: In Cottbus war es wegen des Standorts manchmal etwas kompliziert. Da musste man mal schnell nach Düsseldorf fliegen, wenn die andere Partei nicht kurzfristig nach Cottbus kommen konnte. Der Verein hat solche Dinge aber immer sehr gut organisiert. In Osnabrück ist es einfacher, sich schnell zu treffen, weil die Entfernung eine andere ist. Mein Aufgabenbereich als Manager ist sowieso machbar: Ich führe nur die Gespräche mit den Spielern bei Verhandlungen, ansonsten mache ich nichts.
SPOX: In England ist dieses Modell ja längst etabliert, hat es für Sie auch in Deutschland Zukunft?
Wollitz: Für mich ist die Konstellation mit einem Manager, der aus dem Fußball kommt und auf Augenhöhe mit dem Trainer ist, weiterhin sehr sinnvoll - solange nur die Verantwortung aufgeteilt und nach außen geschlossen aufgetreten wird. Vier oder sechs Augen sehen immer mehr als zwei. Ein Modell wie bei Borussia Dortmund mit Klopp und Zorc, wo die Vereinsphilosophie nach außen erkennbar dargestellt wird und nicht an irgendwelchen Eigeninteressen zerbricht, halte ich für stimmig.
SPOX: Dass Sie beim VfL beide Funktionen einnehmen hat wohl auch finanzielle Gründe, oder?
Wollitz: Genau. Als Lothar Gans aus seinem Amt ausgeschieden ist, war der Verein wirtschaftlich nicht in der Lage, einen neuen sportlichen Leiter einzustellen. Und so hat man es mir anvertraut, weil ich hier das Umfeld und die Situation sehr gut kenne.
SPOX: Wie kam es denn beim VfL zu dieser angespannten Finanzlage?
Wollitz: Angespannt ist ja noch gelinde ausgedrückt. Es wurde eben das eine oder andere Mal versucht, durch Mehrausgaben kurzfristig sportliche Erfolge zu erzielen. Das gelang aber nicht und daraus resultierte dann ein Ungleichgewicht, das zum Kollaps führt. Das ist unsere aktuelle Situation.
SPOX: Welche Gelder fehlen denn jetzt in der 3. Liga?
Wollitz: Der Verein hat immer gewisse Einnahmen generiert - aber mehr eben auch nicht. Die Sponsorengelder liegen bei 2,5 Millionen Euro. Bei den Zuschauereinnahmen ist es so: Wir haben ein Stadion für 16.000 Zuschauer mit ca. 11.000 Stehplätzen. Da ist der Durchschnittspreis nicht so hoch wie vielleicht bei anderen Vereinen. Und dann stecken wir in den Nachwuchsbereich jährlich bis zu 750.000 Euro, was für uns sehr viel Geld ist.
SPOX: Inwiefern ist denn unter diesen Voraussetzungen der Aufstieg in die 2. Liga ein Muss?
Wollitz: Wenn es ein Muss gäbe, hätte man vor zwei Jahren nicht absteigen dürfen und im letzten Jahr bereits aufsteigen müssen. Da wir nun aber erst im Juni die Lizenz erteilt bekamen, mussten wir mit wenig Geld in ein paar Tagen 16 neue Spieler verpflichten. Daher verdient die Mannschaft für den derzeitigen Erfolg auch den allerhöchsten Respekt.
SPOX: Und von den 16 Neuen stehen meist acht oder neun Spieler in der Startelf. Wie ist es da möglich, das Team so kurzfristig zu einem funktionierenden Ganzen zu formen?
Wollitz: Das ist mir ja nicht zum ersten Mal gelungen. Schon 2004 hatten wir in Osnabrück einen totalen Umbruch, sind erst als Vierter nur knapp am Aufstieg gescheitert, mussten im zweiten Jahr ein paar Rückschläge hinnehmen und sind dann in Jahr 3 aufgestiegen. In Cottbus war es nach dem Bundesligaabstieg ähnlich. Schon im zweiten Jahr standen wir im DFB-Pokal-Halbfinale und haben mit 65 geschossenen Toren um den Aufstieg mitgespielt. Dort habe ich Spieler wie Nils Petersen oder Leonardo Bittencourt entwickelt - bis sie mir weggekauft wurden.
SPOX: Sie scheinen in diesen Extremsituationen ein Händchen bei der Spielerauswahl zu haben.
Wollitz: Ich glaube, dass ich innerhalb kürzester Zeit feststellen kann, welcher Spieler zu welchem Standort passt. Nach diesem Verfahren habe ich gearbeitet. Ich habe gesichtet und gesagt: Mit den Möglichkeiten, die der VfL hat, kann man diesen und jenen Spieler verpflichten.
SPOX: Wie sieht denn für Sie der Prototyp eines Spielers aus, der Osnabrück in der aktuellen Lage weiterhelfen kann?
Wollitz: Hier sind die klassischen Tugenden wichtig, der Spieler muss sich mit Gesamtkonzept und Situation identifizieren. Er muss bereit sein, diese Situation positiv zu verändern. Man spürt in den Gesprächen relativ schnell, welche Ziele ein Spieler verfolgt und ob diese nachhaltig für den Verein sind oder sich nur auf die persönliche Entwicklung fokussieren.
SPOX: Identifikation mit dem Verein wird ja aber nicht der ausschlaggebende Punkt sein können, oder?
Wollitz: Nein. Was will ich mit Identifikation, wenn ich nicht teamfähig bin? Wenn ich nicht viel Geld ausgeben kann, dann brauche ich Spieler, die neben der Identifikation Willensstärke, Leidenschaft und Teamfähigkeit verkörpern. Darauf habe ich wert gelegt. Es gibt vielleicht bessere Spieler, aber nicht jeder bessere Spieler passt in ein System.
SPOX: Die Identifikation leben Sie vor: Sie haben als Spieler und Trainer in Osnabrück Wurzeln geschlagen. Wie wichtig ist Ihnen für Ihre Arbeit eine gewisse Nestwärme?
Wollitz: Ich fühle mich im Fußball wohl, egal an welchem Standort. Ich möchte einfach nur in einem Team arbeiten, in dem gegenseitiges Vertrauen herrscht. Von Cottbus bin ich ja nur gegangen, weil ich das Gefühl hatte, dass Platz sieben oder acht nicht mehr ausreicht. Ich habe dann dem Präsidenten gesagt, dass ich glaube, ein neuer Trainer kann der Mannschaft vielleicht viel mehr geben. Aber ich fühlte mich dort auch wohl.
SPOX: Eine schwere Phase hatten Sie bei Energie mit dem Fall Martin Fenin, bei dem sich nach einer Hirnblutung herausstellte, dass er an Depressionen erkrankt sowie alkohol- und medikamentenabhängig war. Hinterfragt man sich nach einem solchen Vorfall auch selbst?
Wollitz: Ganz ehrlich: Das alles ist drei Wochen nach Martin Fenins Verpflichtung passiert. Nach dieser kurzen Zeit muss sich da keiner bei Cottbus hinterfragen. In den Jahren bei Eintracht Frankfurt ist so einiges übersehen worden. Daher müsste man sich eigentlich dort hinterfragen. Das ist jedenfalls meine persönliche Meinung.
SPOX: Hat man während der drei Wochen nichts feststellen können?
Wollitz: Wir haben schon bemerkt, dass wir auf einen Spieler trafen, der sehr nervös und verunsichert war und auch ziemlich nachdenklich wirkte. Deshalb haben wir ihn ja angesprochen und erst dann ist der Fenstersturz passiert. Doch so etwas ist eben ein ganz schmaler Grat. Zu jemandem zu sagen: "Du, wir haben das Gefühl, du hast das und das." Nachher stimmt das nicht und der Spieler fragt sich, was das denn sollte. Doch jetzt sollte Martin Energie Cottbus, dem Trainer Rudi Bommer, der Mannschaft und dem gesamten Verein sehr dankbar sein, dass er wieder dorthin kam, wo er jetzt ist.
SPOX: Über Cottbus zum Abschluss wieder zurück nach Osnabrück: Glauben Sie insgeheim an den Aufstieg?
Wollitz: Damit beschäftige ich mich nicht. Das sage ich auch meiner Mannschaft. Ich sage auch nicht: Wenn wir am 30. Spieltag noch da oben stehen, werden wir alles versuchen. Es ist unmöglich, in dieser ausgeglichenen Liga langfristig zu planen. Mir sind nur die Gegenwart und das nächste Spiel wichtig. Es entscheiden winzige Details, aber wir haben in jeder Partie die Chance, das bisher Erreichte zu bestätigen.
Claus-Dieter Wollitz im Steckbrief
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