Rhetorische Frage: War das ein aufregender Start ins neue Jahr? Antwort: Ja. Überall nur Derbys und Duelle, Hamburg gegen Bremen, Stuttgart gegen Bayern, Messi gegen Ronaldo, Rafael gegen Sylvie, Gut gegen Böse, Not gegen Elend und immer wieder Franz Josef Wagner gegen den eigenen Wahnsinn (Endergebnis stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest). Und ganz nebenbei hat ein einfacher Mann aus Castrop-Rauxel die Weltformel gefunden. Wissenschaftliche Details wie immer in der Alternativen Liste.
Noch mehr rhetorische Fragen: Haben Sie sich nun mit Tottenham geeinigt? Hat Lewis Holtby jetzt in London unterschrieben? Fliegt er heute noch nach England? Oder vielleicht morgen? Oder übermorgen? So geht das nun seit geschlagenen drei Wochen: unbeirrbar, gnadenlos und stur - jeden Tag die gleiche Frage. Zum Glück hat das nun ein Ende. Diese journalistische Recherchetechnik geht übrigens ursprünglich auf die amerikanischen Geschwister Simpson zurück (Guckst Du!), ist mittlerweile aber allgemeine Praxis im Boulevard. Denn auf wundersame Weise ist sie effektiv: eine Art Perpetuum mobile, das zwar keine News, aber doch wenigstens die tägliche Schlagzeile erzeugt:
+++ "Holtby vor sofortigem Wechsel nach Tottenham! Immer noch!" +++
Davon grenzen sich öffentlich-rechtliche Medien als letzte Bastionen der Seriosität natürlich ab. So leitete zum Beispiel das Aktuelle Sportstudio das Thema mit einer Solidaritätsadresse ein: "Herr Holtby, wie sehr nerven Sie eigentlich diese ständigen Fragen nach Ihrem Wechsel?" Ein hübscher Verbrüderungstrick, der im Wesentlich darin besteht, sich von dem, was "die Anderen" machen, kritisch zu distanzieren, und dabei gleichzeitig haargenau dasselbe zu tun. Eine Fragetechnik, die in Deutschland übrigens auf die Gebrüder Johannes und Baptist zurückgeht. Im Handbuch steht sie unter "Heuchelei".
Und gleich noch eine Breaking News: +++ Die einstige Kokain-Hauptstadt München ist auf Pep umgestiegen +++ Durchschlagender Erfolg: So high waren Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge lange nicht mehr +++ Nachtrag: Matthias Sammer schwört weiterhin auf Karottensaft +++
Unfassbar, Wahnsinn, hyper, mega! Oder anders formuliert: Aogoooooooooooooool! Dennis Aogo hat getroffen! Zum ersten Mal überhaupt! Seit 1987! Über eine Millionen Mal hatte er zuvor aufs Tor geschossen, aber immer daneben, meistens sogar weit daneben. So daneben wie Veronika Ferres! Und dann war die Murmel plötzlich doch drin. Ausgerechnet im Derby! Im Niemandsland-Nachbarschafts-Duell mit Werder! Wow! Der Dank dafür gebührt natürlich Thorsten Fink, der Aogo endlich dort hinstellte, wo er doch eigentlich schon immer hingehörte: als klassischer hängender Außensechser im linken Zentrum. Da hätte man auch selbst drauf kommen können. Ist man aber nicht. Von daher völlig neidlos: Glückwunsch Thorsten Fink, Glückwunsch Dennis Aogo, Glückwunsch HSV! Die Nummer eins im Niemandsland seid Ihr!
Stand by me: Fünf Tore und vier Punkte in zwei Spielen, dazu noch ungeschlagen in der Rückrunde - klingt eigentlich ganz gut. Und trotzdem gilt Jens Keller auf Schalke immer noch als größte Fehlbesetzung seit Elijah Wood (Herr der Ringe) und Wolf-Dieter Poschmann (überall). Umso schöner ist es da, dass Horst Heldt (Kleiner Hobbit) seinem Trainer täglich das Vertrauen ausspricht, denn Vertrauen ist total wichtig, man muss sich nämlich auch mal fallenlassen können, das gilt überhaupt und sowieso fürs ganze Leben. Allerdings mit einer wichtigen Einschränkung: Man muss vorher die Rahmenbedingungen auch grundsätzlich begriffen haben. Guckst Du!
Die Rechnung geht auf: Ganz anders die Lage in Wolfsburg. Dort sitzt Dieter Hecking trotz Niederlage in Hannover fest im Sattel. Und zwar vollkommen zu Recht! Drei Tore hat der VfL nämlich bereits in zwei Spielen der Rückrunde geschossen - und damit schon eins mehr als in den ersten acht Spielen in der Hinrunde unter Magath. Das beweist: Der Trainer hat das grundlegendste aller Probleme gelöst, den Schlüssel zu einem stimmigen System gefunden, das große Rätsel geknackt! Und das durchaus kreativ: Auf der Suche nach dem Higgs-Teilchen, das dem Chaos im Kader einen Zusammenhang und dem Treiben auf dem Platz einen Sinn verleiht, ist Hecking nämlich auf Alexander Madlung gestoßen. Ausgerechnet Alexander Madlung! Jener Madlung, von dem man im Sommer noch annehmen musste, der letzte logische Karriereschritt wäre bestenfalls noch Kängurupimmel-Essen auf RTL. Und der schießt jetzt die Tore! Wie am Fließband! Eine schöne Geschichte, für die es nur ein konsequentes Ende geben kann: den Nobelpreis für Dieter Hecking! Sowie einen Sprechchor in allen Stadien der Republik: "Alex Madlung, Fußballgottesteilchen!"
Klatschpappe: Für sein Brunftgeschrei nebst standhafter Weigerung, sich wenigstens die Namen der Spieler zu merken, haben wir Fritz von Thurn und Taxis in der Vergangenheit schon häufiger getadelt. Diesmal aber gibt es Lob. Als in Hamburgs VIP-Bereich nämlich die Ehefrau von Rafael van der Vaart ins Fernsehbild genommen wurde, da freute sich der Adel-Ösi : Ah, da sitzt ja auch die "Cindy"! Offensichtlich brachte es der alte Fritz also tatsächlich fertig, vier Wochen lang sämtliche Klatschspalten von Wien bis Amsterdam vollständig zu ignorieren. Und das: verdient Respekt!
Rhetorische Frage: Muss das nicht eigentlich Edel-Ösi heißen? Antwort: Nein.
Und apropos Hamburg: Als das Derby in der Schlussphase endlich zum Derby wurde, da hatte auch Marko Arnautovic mal wieder seinen großen Auftritt. Blödes Foul im Mittelfeld: Gelb. Als Frustreaktion in Richtung Schiedsrichter Thorsten Kinhöfer dann die Andeutung, den Ball wegzuschlagen: Gelb-Rot. Und da muss man sich doch in der Tat auch als neutraler Zuschauer die Frage stellen: Was soll das? Ständig dieses überspannte Ego, das Gockelhafte in den kurzsichtigen und impulsiven Reaktionen, die aggressive Geltungssucht, andauernd im Mittelpunkt zu stehen. Muss das denn unbedingt sein? Hm, Herr Kinhöfer?
Eins noch: Kurzer Nachklapp noch zum Thema Franca. Zur Erinnerung: Das ist der, den sich Hannover gekauft hat, weil man dort dringend noch ein großes, böses Kopfballungeheuer brauchte. Das Problem: Gescoutet wurde nur per Video; und im Fernsehen wirken die Menschen nun mal größer als sie sind, deshalb gab es am Ende die unangenehme Überraschung: Statt der im Lieferschein angegebenen 1,90 Meter war Franca in Wirklichkeit nur einen Kopf größer als ein Spiegelei - und Hannover damit ordentlich angeschmiert. Schöne Story, ohne Zweifel, nur bitten wir doch künftig davon Abstand zu nehmen, sie mit Bemerkungen der Sorte "Größe spielt doch eine Rolle" zu versehen. Wir wollen schließlich keine Brüderle im Geiste werden. (Schon gar nicht mit der FDP.)
Die Bundesliga-Tabelle
Meistgelesene Artikel
Das könnte Dich auch interessieren


