In den Tagen vor dem Start der neuen Bundesliga-Saison stellt SPOX alle 18 Klubs in einer Vorschau-Serie vor - mit allen Transfers, Hintergründen und der Saison-Prognose. Diesmal: Der 1. FSV Mainz 05.
Es ist ruhig geworden um den einstigen Trainer-Überflieger Thomas Tuchel. Während Teams wie Freiburg und Frankfurt in der vergangenen Saison mit erfrischendem Angriffsfußball die Sympathien der Massen eroberten, kehrte in Mainz speziell während der schwachen Rückrunde der graue Liga-Alltag ein. Doch nicht nur das Spiel seiner Mannschaft, auch Tuchel selbst bestimmte meist in negativer Hinsicht die Schlagzeilen.
Lediglich der guten Hinrunde und den noch schlechteren Rückrundenleistungen von Teams wie Hoffenheim, Düsseldorf oder Bremen hatte es Mainz zu verdanken, dass am Ende der Saison noch Platz 13 stand. Das Saison-Highlight in negativer Sicht war der höhnische Applaus der eigenen Fans beim letzten Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach.
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Im kommenden Jahr will Mainz wieder an die erfolgreiche Hinrunde und das taktische Konzept der ersten Bundesligajahre anknüpfen. Die Rechnung ist dabei denkbar einfach: Mehr Pressing plus mehr Ballbesitz ergibt mehr Spaß. Die Vorbereitung machte bereits Lust auf mehr.
Das ist neu
Kurz gesagt: Eine Menge. Neun Abgängen stehen acht Neuzugänge gegenüber, die Thomas Tuchel vor dem Saisonstart in die Mannschaft integrieren muss. Mainz spielte eine durchweg überzeugende Vorbereitung mit sechs Siegen und lediglich zwei Unentschieden gegen den Champions-League-Teilnehmer FC Basel und den SV Wiesbaden.
In der Defensive bleibt auf den ersten Blick fast alles beim Alten. Frei nach dem Motto "never change a winning Viererkette" bleibt das Prunkstück der Mainzer weitgehend unangetastet. Lediglich auf der linken Abwehrseite wurde mit dem Südkoreaner Joo-Ho Park auf den Abgang von Radoslav Zabavnik reagiert. Tuchel und Manager Christian Heidel leiteten zudem mit der Verpflichtung von Julian Koch und Rückkehrer Stefan Bell einen Generationenwechsel ein, den das hohe Durchschnittsalter der restlichen Stammviererkette mittelfristig unumgänglich macht.
Im zentralen Mittelfeld bekommen Julian Baumgartlinger und Elkin Soto Konkurrenz durch Christoph Moritz (FC Schalke 04) und Johannes Geis (Greuther Fürth). Den größten Umbruch gab es aber auf den offensiven Positionen: Shinji Okazaki, Sebastian Polter und Dani Schahin sollen im kommenden Jahr die Feuerkraft (20 Tore und acht Assists) von Andreas Ivanschitz und Adam Szalai ersetzen.
Offen ließ sich Manager Heidel bis zuletzt die Verpflichtung eines neuen Torwarts. Heinz Müller und Christian Wetklo hatten beide ihre Schwächephasen.
Die Taktik
4-1-2-1-2 mit Raute, 4-2-3-1 oder das klassische 4-4-2 - Mainz gehört zu den taktisch variabelsten Mannschaften der Bundesliga. Nachdem das unglaubliche Verletzungspech der letzten Saison - zeitweise fehlten Tuchel bis zu neun Stammspieler - überstanden ist, kann Tuchel taktisch nun endlich wieder aus den Vollen schöpfen.
Die große Rotation ist mit Blick auf die stabile Defensive der letzten Saison vor allem in der Offensive zu erwarten. Junior Diaz und Neuzugang Park konkurrieren um die linke Abwehrseite. In der Mitte stehen Tuchel mit Nikolce Noveski, Bo Svensson und Nico Bungert drei erfahrene Abwehrrecken zur Verfügung. Zdenek Pospech hat auf der rechten Abwehrseite die Nase vor Julian Koch, der sich seine Chancen erst erarbeiten muss.
Im Mittelfeld geht es eng zu: Im defensiv ausgerichteten System mit zwei Sechsern baut Tuchel meist auf den erfahrenen Soto und einen spielstarken Partner. Johannes Geis überzeugte in der Vorbereitung und könnte eine Option sein. Julian Baumgartlinger ist dagegen Tuchels Abräumer für das 4-1-2-1-2.
Besonders in diesem System ergeben sich für die zwei offensiven Zentralpositionen eine ganze Reihe Möglichkeiten. Christoph Moritz und der zuletzt bärenstarke Niki Zimling dürften die ersten Kandidaten sein, wenngleich Moritz in der Vorbereitung noch Luft nach oben hatte. Auch eine sehr offensive Ausrichtung mit Dani Schahin oder Nicolai Müller auf den offensiven Halbpositionen scheint möglich.
Auch im Sturm kann Tuchel bei seinen taktischen Wechselspielen aus dem Vollen schöpfen. Okazaki ist zwar laut Tuchel als Stürmer eingeplant, dürfte jedoch dank seiner technischen Fähigkeiten als offensiver Linksaußen bis zur Rückkehr von Eric Maxim Choupo-Moting erste Option sein. Müller lieferte letzte Saison seine stärksten Spiele auf der rechten Außenbahn ab und kann bei Bedarf auch als Sturmspitze agieren.
Mit Schahin, Polter und Parker verfügt Tuchel für das Sturmzentrum über drei torgefährliche Optionen. Gerade in Systemen mit einer Spitze bietet sich Polter dank seiner Körperlichkeit als kopfballstarker Prellbock an, der den Ball mit dem Rücken zum Tor behaupten und verteilen kann. Schahin und Parker dagegen sind technisch beschlagen und können als bewegliche Spitze oder hängend als eine Art Zehn agieren.
Generell will Tuchel in der kommenden Spielzeit das Pressing auf dem ganzen Feld wieder intensivieren. Aber auch in Ballbesitz hat der Trainer durch die technisch fast durchweg versierten Neuzugänge wieder mehr Optionen.
Der Spieler im Fokus
Joo-Ho Park könnte das fehlende Puzzleteil im Mainzer Spiel werden, zuletzt stand er aber im Fokus der Schweizer Behörden. Nach Angaben einer Nachbarin soll Park seinen Hund auf dem Balkon eingesperrt haben. Inzwischen hat sich der Vorfall jedoch in Wohlgefallen aufgelöst, die Nachbarin hatte wohl überreagiert. Auch seine Oberschenkelverletzung, die er sich noch in Diensten des FC Basel zuzog, hat Park inzwischen auskuriert.
Der Wechsel vom Champions-League-Qualifikanten nach Mainz überrascht vielleicht manche Beobachter, Park hat jedoch seine Gründe: "Ich habe in Basel ziemlich viel erreicht. Ich hatte das Gefühl, jetzt ist der richtige Zeitpunkt, noch einmal eine neue Herausforderung zu suchen." Geholfen haben bei der Verpflichtung übrigens zwei Landsmänner: "Ja-Cheol Koo und Dong-Won Ji haben sehr gut über Mainz 05 gesprochen."
Gemeinsam mit Okazaki könnte Park die latente Defensivschwäche der Mainzer auf den Außenbahnen beheben. Die Kommunikation zwischen den beiden funktioniert jedenfalls einwandfrei. Mit den restlichen Teamkollegen spricht er auf Englisch, aber einen Satz kann er bereits auf Deutsch: "Ich will mit Mainz Deutscher Meister werden!"
Die Prognose
Deutscher Meister wird Mainz auch in diesem Jahr sicherlich nicht werden. Aber wenn das Team vom Verletzungspech verschont bleibt, haben Tuchel und Co. mit dem Abstieg ebenfalls nichts zu tun. Der Kader wurde sinnvoll ergänzt und verstärkt. Die Testspielergebnisse lassen sogar wieder so etwas wie Euphorie aufkommen.
Ungewöhnlich ist diese Frühform jedoch für die Mainzer nicht: Auch in der letzten Saison startete Tuchels Mannschaft stark in die Liga und stand am Ende der Hinrunde immer noch auf Platz sechs. In der Saison 2010/2011 startete Mainz sogar mit acht Siegen und einem Unentschieden. Es fehlt jedoch an der Konstanz. Mainz wird auch in diesem Jahr wieder von der Doppelbelastung der Europapokal-Teilnehmer profitieren, am Ende reicht es aber dann nicht ganz für das internationale Geschäft. Ein einstelliger Tabellenplatz ist realistisch.
Der Kader des 1. FSV Mainz 05
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