Werbung
Werbung

Kölliker: "In die Hallen durften keine Schwarzen"

Florian RegelmannSPOX
10. November 201121:20
Der Schweizer Jakob Kölliker hat beim DEB die Nachfolge von Uwe Krupp angetretenImago
Werbung
Werbung

Jakob Kölliker steht beim Deutschland Cup in der Münchener Olympiahalle zum ersten Mal als Bundestrainer hinter der Bande. Aber wer ist der 58-jährige Schweizer eigentlich? "Köbi" über seine Philosophie, NHL-Superstars und sein Südafrika-Abenteuer.

SPOX: Herr Kölliker, bevor Sie die Trainerlaufbahn einschlugen, haben Sie eine große Karriere als Spieler hingelegt. Sie waren unter anderem lange Rekordnationalspieler der Schweiz. Was ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

Jakob Kölliker: Als erstes kommen mir da natürlich die beiden Olympischen Spiele in den Sinn, die ich als Spieler miterleben durfte. 1976 in Innsbruck haben wir gegen Deutschland verloren und euch damit aufgebaut für die berühmte Bronzemedaille. Aber das ist lange her. Und 1988 in Calgary war es für uns sehr erfolgreich. Wir sind unter die besten Acht gekommen und haben dabei Finnland geschlagen - das war für die damalige Zeit eine Sensation. Die Olympischen Spiele waren sicher Highlights, aber auch die vielen Weltmeisterschaften. Es war zwar auch ein Hin und Her zwischen A- und B-Gruppe, aber jede WM schreibt ihre eigene Geschichte, ob sie positiv oder negativ ist. Jede WM hatte ihre schönen Momente. Diese Großereignisse sind einfach die Sahne auf dem Dessert. Ich durfte dabei ja auch gegen viele große Stars spielen, wie die alten starken Russen zum Beispiel. Das war schon sehr eindrucksvoll.

SPOX: Bevor Sie in die Nationalmannschaft kamen, haben Sie ganz zu Beginn Ihrer Karriere ein riesiges Abenteuer erlebt. Erzählen Sie uns von Eishockey in Südafrika...

Kölliker: Ich war damals Junioren-Spieler in Biel, als ein Kollege, der schon mal unten in Südafrika war, auf mich zugekommen ist. Er erzählte mir, dass sie noch einen Verteidiger suchen würden und fragte mich, ob ich nicht mitkommen wolle. Ich war aber gerade mitten im Abschluss meiner Lehre. Als ich diese erfolgreich beendet hatte, bin ich zum Präsidenten gegangen und habe ihn gefragt, ob ich das Sommertraining auslassen und in Südafrika Eishockey spielen darf. Das hat dann geklappt und so bin ich mit 19 Jahren nach Südafrika geflogen. Mit 20 war ich dann wieder zurück. Das war wirklich ein riesiges Abenteuer, ich war das erste Mal von zuhause weg, und dann gleich in Afrika. Aber es war toll. Wir haben mit den Swiss Bears auch den Titel geholt. (lacht)

SPOX: Ich habe extra nachgeschaut. Aktuell liegt Südafrika in der IIHF-Weltrangliste auf Platz 42, zwischen Irland und Luxemburg. Wie kann man sich das Niveau vorstellen, das Sie damals dort vorgefunden haben?

Kölliker: Es war schon damals so, dass sehr wenige Südafrikaner Eishockey gespielt haben. Eishockey steckte noch in den Kinderschuhen - es haben fast nur Ausländer dort gespielt. Viele Österreicher und Kanadier, einige Schweizer, auch ein paar Deutsche. Unsere Mannschaft bestand im Prinzip aus Schweizern, gespickt mit ein paar Deutschen, das war eine ganz lustige Konstellation. Wir hatten auch nur elf oder 12 Spieler im Team, das reichte für das damalige Niveau.

SPOX: Wie wurde Eishockey angenommen?

Kölliker: Die Hallen waren voll. Im alten Wembley Stadium waren 3500 Zuschauer da, die Spiele waren ausverkauft. Es war eine Riesengaudi. Zu unseren Spielen kamen viele Schweizer Fans, die dort lebten, und haben Kuhglocken mitgebracht. Das waren wirklich Feste.

SPOX: Es war für Sie sicher nicht nur sportlich ein Abenteuer, sondern auch von den Lebensumständen. Sie sind auch mit den Schattenseiten in Berührung gekommen. Stichwort: Rassismus.

Kölliker: Das ist richtig. Rassismus war "groß in Mode". Es war schockierend, als ich dort gelebt und die Problematik hautnah mitbekommen habe. Es gab getrennte Busse, es gab getrennte Postschalter, es gab auch Geschäfte, in die nur Weiße rein durften. In die Hallen durften auch keine Schwarzen, das war eine Zone exklusiv für Weiße. Das war als junger Mann alles schwierig zu verstehen für mich.

SPOX: Was haben Sie an schönen Dingen abseits der Eisfläche erlebt?

Kölliker: Als wir einmal zwei, drei Wochen Pause hatten, haben wir einen Trip nach Botswana gemacht in die Sümpfe. Wir haben auch die "Garden Route" gemacht bis nach Port Elizabeth und wir waren im Krüger-Nationalpark. Es war schon eindrucksvoll, mit den Tieren zu übernachten. In einem Zelt in der Wildnis. Es war eine schöne Zeit.

SPOX: Wie ist es dann später dazu gekommen, dass Sie Trainer geworden sind? War das schon immer Ihr Ziel?

Kölliker: Nein, eigentlich überhaupt nicht. Ich wollte diesen Job nie machen, weil ich wusste, wie schwierig er ist, wie man immer Konflikte mit den Spielern bekommt. Auf der anderen Seite habe ich mich aber schon immer für den Trainerberuf interessiert. Ich war als Spieler sehr nahe an meinen Coaches dran und habe mich für taktische Dinge interessiert. Auch weil ich davon als Spieler auf dem Eis profitiert habe. Aber wie gesagt: Ich wollte es nicht machen. Gegen Ende meiner Karriere, ich war bis 41 aktiv, war es dann aber so, dass in Biel kurz vor den Playoffs der Trainer gefeuert wurde. Wir waren damals ambitionslos, es hieß einfach, dass ich das Amt für die letzten Spiele der Regular Season und die Playoffs übernehmen soll. Das habe ich gemacht und Spaß an der Sache bekommen. Ich habe noch eine halbe Saison gespielt, bis ich wegen Rückenproblemen aufhören musste. Danach war ich Trainer in Biel und so ging es immer weiter. Ich war in der Mühle drin.

Kölliker über Crosby und Co., Philosophien und den Schweiz-Vergleich

SPOX: Sie waren in der Folge nicht nur lange der Assistent von Ralph Krueger bei der Schweizer Nationalmannschaft, Sie waren vor allem auch als Head Coach für die Junioren verantwortlich. Junioren-Weltmeisterschaften sind traditionell besondere Highlights.

Kölliker: Junioren-WM-Turniere sind wirklich etwas ganz Besonderes. Wenn ich nur an die Jahrgänge 1985, 1986 und 1987 denke - die Kanadier mit Crosby, Phaneuf, Bergeron, die Russen auf der Gegenseite mit Owetschkin und Malkin. Das war sensationelles Eishockey. Diese zwei Nationen haben sich ja auch jahrelang um den Titel gestritten, dann kamen noch die USA dazu, mit Kessel und Co. - es war beeindruckend, gegen diese Jungs zu coachen. Wir sind mit Schnaps und Arbeit, wie man in der Schweiz sagt, immer oben geblieben und durften viele aufregende Turniere miterleben. Die Junioren-Turniere sind für jeden Spieler und auch für jeden Trainer absolute Höhepunkte.

SPOX: Sie haben es angesprochen: Die Schweiz ist bei den Junioren immer in der A-Gruppe vertreten, Deutschland muss in diesem Jahr wieder eine Klasse drunter ran. Wie sehen Sie die deutsche Nachwuchsarbeit?

Kölliker: Deutschland hat immer gut gearbeitet und gute Nachwuchsspieler herausgebracht. Man muss sich nur anschauen, wie viele Deutsche in der NHL und AHL spielen. Da hat Deutschland fast noch mehr als die Schweiz. Wir Schweizer haben erst in den vergangenen Jahren aufgeholt, vorher hatten wir lange nur einen Feldspieler und zwei Torhüter. Gerade in den Jahrgängen 1984 bis 1990 hat Deutschland gute Jungs, von denen auch einige hier beim Deutschland Cup sind. Sicher kann man noch das eine oder andere verbessern, aber da sind wir dran. Wir sind dabei, Programme auszuarbeiten, dass es beispielsweise einige Maßnahmen mehr für den Nachwuchs gibt. Diese Projekte kommen auf den Tisch und wir hoffen, dass wir einiges davon umsetzen können.

SPOX: Sie können die Schweizer Liga und die DEL am besten vergleichen. Wie fällt Ihr Urteil aus?

Kölliker: In der Schweiz ist sicher mehr Geld vorhanden bei den Klubs, sodass die besten Ausländer in die Schweiz oder in die KHL gehen, so ist im Moment eben das Gesetz. Es ist auch so, dass in der Schweiz eine Spur technischer, schneller und verspielter gespielt wird als in Deutschland. Dafür ist die physische Komponente in der DEL deutlich präsenter. Ich bin sehr angetan vom Rhythmus und vom Spielniveau insgesamt. Ich muss sogar sagen, dass es für mich schöner ist, Spiele in der DEL zu beobachten als in der Schweiz. Das Spiel ist hier irgendwie internationaler. Und wir haben ja gesehen, dass Deutschland die Schweiz besiegen kann.

SPOX: Bevor Sie den Job bekommen haben, war Ralph Krueger eigentlich so etwas wie der Wunschkandidat, er ist aber im Coaching Staff der Edmonton Oilers geblieben. Fühlen Sie sich als Bundestrainer schon voll akzeptiert?

Kölliker: Durchaus. Ich habe sehr gute Bedingungen vorgefunden. Die Zusammenarbeit mit den Vereinen ist sehr gut, ich habe die totale Unterstützung im Verband - es passt alles. Ich fühle mich voll akzeptiert. Jetzt geht es aber darum, auch Resultate zu bringen, denn das ist am Ende immer das Zeugnis für jeden Trainer. Mit Ralph habe ich übrigens per Telefon oder E-Mail weiter sehr viel Kontakt, wir erzählen uns regelmäßig, was bei uns gerade so alles passiert.

SPOX: Wie würden Sie Ihre Eishockey-Philosophie beschreiben?

Kölliker: Ich denke, dass ich mich da nicht großartig von anderen Trainern unterscheide. Alles steht und fällt mit der Verteidigung, das wissen wir inzwischen. Darüber hinaus setze ich auch auf eine gewisse Kreativität im Offensivbereich. Jeder Spieler hat seine individuellen Stärken, die soll er ausspielen. Ich bin sehr rollenbezogen. Das heißt, dass bei mir alle Leute ihre Rollen haben und auch zum Einsatz kommen. Das ist meiner Meinung nach in der Nationalmannschaft sehr wichtig, um die Belastung zu verteilen. In den Klubs ist es ja ein bisschen anders, da haben die Top-Ausländer häufig Doppelrollen. Außerdem bin ich sehr auf Details getrimmt. Rollenbezogen und viel Detailarbeit - so würde ich meine Philosophie kennzeichnen.

SPOX: Uwe Krupp hat mit dem vierten Platz bei der sensationellen Heim-WM und der Viertelfinale-Teilnahme in diesem Jahr einen optimalen Abgang gehabt, mehr als das Viertelfinale ist für Deutschland im Normalfall nicht drin. Die Schweiz hat vielleicht die besseren Perspektiven, was reizt Sie dennoch an der Aufgabe beim DEB?

Kölliker: Mit der neuen Gruppeneinteilung (ab 2012 zwei Achtergruppen, Anm. d. Red.) wird es vielleicht ein bisschen schwieriger, sich für das Viertelfinale zu qualifizieren. Aber eines ist auch klar: Ab dem Viertelfinale ist immer alles möglich. Klar, dafür braucht es einen Exploit, eine ganz besondere Leistung, aber Deutschland hat gezeigt, dass es Russland, die Slowakei oder die USA schlagen kann, nach vorne ist also alles möglich. Wir müssen aber auch genauso nach hinten schauen, denn die Konkurrenz hinter uns ist uns näher als wir der Konkurrenz vor uns sind. Wenn wir unsere aktuelle Position halten könnten, wäre das enorm wichtig.

Die aktuelle DEL-Tabelle

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung
Werbung
Werbung