Macht CM Punk sich in Chicago unsterblich?

Von Maurice Kneisel
Mit seiner Shoot-Promo hat er sich zum Messias aufgeschwungen: (Noch-)WWE-Superstar CM Punk
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CM Punk kündigt für Money in the Bank (Sonntag Nacht, 1.45 Uhr im LIVE-TICKER) seinen Abgang aus der WWE an und tritt damit mal eben die fesselndste Storyline seit langem los. Im Rahmen einer epischen Shoot-Promo verpasst er der Liga einen verbalen Schlag in die Weichteile und erhält trotz zwischenzeitlicher On-Air-Suspendierung sein Titelmatch gegen John Cena beim Pay per View. Doch was soll das Ganze eigentlich?

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Eines vorweg: Die WWE hat es hinbekommen, alle Fan-Schichten mit ihrer Über-Storyline rund um CM Punk sowie den Meldungen abseits des Rings derart zu verwirren, dass dieser Tage selbst der größte Smark mit einem fetten Fragezeichen in der Visage rumläuft. Also keine Angst vor Spoilern, diese Vorschau ist einfach nur vollgepackt mit Fakten und wirren Theorien rund um die heißeste WWE-Storyline seit Jahren.

Vorgeschichte: Bereits seit längerem war bekannt, dass der Vertrag von CM Punk Mitte diesen Jahres auslaufen würde. Als er also ankündigte, sich nach Money in the Bank zu verabschieden, kam dies wenig überraschend. Er versprach uns, die Liga mit einem Knall zu verlassen, aber was konnte das schon heißen? Schließlich spazierte der dreifache Welt-Schwergewichts-Champion zuletzt von Niederlage zu Niederlage und wurde als besserer Jobber verheizt. Was sollte man da schon von seiner vermeintlich letzten Fehde ausgerechnet gegen WWE-Aushängeschild John Cena erwarten?

Die Promo: Sicherlich nicht das, was folgte. Nämlich einige der stärksten Promos, die man im Business jemals erleben durfte. Nachdem er R-Truth bei Raw am 27. Juni zu einem Sieg im Tables-Match gegen den amtierenden WWE-Champion verholfen hatte, schnappte Punk sich ein Mikrofon, wanderte die Rampe hoch und hielt eine epische Shoot-Rede, in der er (fast) alles verbal niedermachte, was nicht bei drei auf den Bäumen war.

Sein kommender Gegner, John Cena, kam dabei noch vergleichsweise glimpflich weg. WWE-Boss Vince McMahon wurde angegriffen, ebenso wie dessen rechte Hand und der Hauptverantwortliche für die Personalangelegenheiten, John Laurinaitis. Dafür lobte der Straight Edge Savior seinen ehemaligen Arbeitgeber Ring of Honor, grüßte Ex-Kollegen und Leute, die bei der WWE ein ganz mieses Standing haben.

Als er dazu überging, McMahons Familie zu beschimpfen, wurden zunächst sein Mikro und dann die Sendung abgeschaltet. Anschließend verkündete die WWE auf ihrer Website, Punk sei suspendiert worden und werde nicht bei Money in the Bank antreten.

Wirkung: War Punk angesichts seines anstehenden Abgangs tatsächlich ausgetickt, oder handelte es sich um ein geplantes Work? Diese Frage stellten sich nicht nur die Zuschauer in der Halle, sondern auch die Smart Marks im Internet.

Einerseits konnte sich niemand vorstellen, dass McMahon es tolerieren würde, wenn einer seiner (Noch-)Angestellten in seiner Sendung ehemalige WWE-Angestellte wie Brock Lesnar und Paul Heyman abfeiert und gleichzeitig seine Liga und Familie diskreditiert. Andererseits: Wieso hatte man Punks Mikro dann nicht schon deutlich früher den Saft abgedreht? Und wenn CM alles egal war, wieso ließ er dann McMahons ärgste Feinde und Konkurrenten außen vor?

Eine Woche später: Die Antwort lieferte indirekt die nächste Raw-Ausgabe. Hier setzte sich ausgerechnet John Cena für seinen Gegner ein, da er zwar nicht mit dessen Aussagen übereinstimme, aber dennoch der Meinung sei, dass Punk das Recht habe, für seine Überzeugungen einzutreten. Immerhin herrsche in den USA doch Redefreiheit.

Die Show endete mit einem Showdown zwischen dem Champion und McMahon, während dessen Cena seinen Boss zwar davon überzeugen konnte, CMs Suspendierung aufzuheben, allerdings mit einem Haken: Verlässt Punk nach Money in the Bank Chicago mit dem Gürtel, dann wird Vince seinem Lieblingshobby nachgehen und Cena feuern.

Die jüngsten Ereignisse: Und als man gerade dachte, besser (und verwirrender) kann es nicht mehr werden, gab einem die jüngste Raw-Ausgabe den Rest. Zu Beginn verkündete Punk, es werde später in der Show eine Live-Vertragsverhandlung im Ring stattfinden, an deren Ende McMahon ihm den Hintern küssen müsse. John Cena kam hinzu und die beiden lieferten sich ein überragendes Wortgefecht, in dem der Champ erklärte, Punk sei nur der nächste in einer langen Reihe von Superstars, die davon überzeugt waren, besser zu sein als er. Letzten Endes habe er sich aber gegen jeden Einzelnen durchgesetzt.

Die Show endete mit dem angekündigten Verhandlungsgespräch zwischen Punk und McMahon, im Rahmen dessen der Anführer des New Nexus den WWE-Boss auf jede nur erdenkliche Weise demütigte und ihn mit absurden Forderungen auf die Palme brachte. Als es gerade so wirkte, als sei Vince bereit, ihm selbst diese zu erfüllen, kam einmal mehr Cena hinzu und bezeichnete Punk als Heuchler. Nach einigen weiteren Provokationen attackierte John seinen Herausforderer, worauf dieser die Rampe hoch flüchtete, erneut erklärte, die Liga mit dem Titel zu verlassen und vor laufenden Kameras den Vertrag zerfetzte.

Sinn und Zweck: Was soll das Ganze? Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass Punk die WWE tatsächlich nach dem Match beim kommenden Pay-per-View verlassen wird. Dennoch erhält er zum Abschied noch mal eine solch starke Storyline., die ihn völlig over bringt.

Zum Vergleich: Chris Jericho verließ die Liga 2010 nach einer Niederlagen-Serie und einem Punt Kick von Randy Orton. Batista erhielt zwar nochmal einen starken Aufbau als Heel, verabschiedete sich aber nach einer Niederlage gegen John Cena im "I quit"-Match bei Over the Limit 2010. Wird es bei CM Punk genauso laufen? Die eindeutig uneindeutige Antwort: Man weiß es nicht.

Entwicklung: Und eben dieser Punkt macht die Storyline so überragend. Selbst, wenn man sämtliche Dirt Sheets im Netz konsumiert, sich die Diskussionen auf den Message Boards gönnt und dazu jede einzelne Stimme von Punk, WWE-Mitarbeitern und -Kollegen aufsaugt - man hat immer noch keinen blassen Schimmer, was bei Money in the Bank tatsächlich passieren wird.

Schon vor einigen Jahren hat die WWE begonnen, sich dem Kampf gegen die lästigen Spoiler im Internet zu stellen und selbstständig Gerüchte zu streuen, um zu verhindern, dass sämtliche Handlungsstränge schon vorab bekannt werden.

Und seien wir mal ehrlich: Die Storylines, die nicht vorab leaken, sind doch die Besten. Wie groß wäre die Wirkung der Punk-Rede gewesen, wenn vorab klar gewesen wäre, worauf das Ganze hinaus läuft? Wie schockierend wäre die Zerstörung von Raw durch den Nexus gewesen, wenn man sie erwartet hätte?

Nichts neues: Grund zum munteren Zweifeln liefert einem auch Punks Vorgeschichte. 2005, als er sich entschloss, Ring of Honor Richtung WWE zu verlassen, schrieb er in seinem "LiveJournal", ihm sei bereits Anfang des Jahres klar gewesen, dass er im Sommer gehen werde. Zudem kündigte er an, sich mit einem Knall zu verabschieden.

Diese Ankündigung war fast wortwörtlich identisch mit jener, die er vor seiner Shoot-Rede auf "Twitter" postete. Das Pikante daran: Damals gewann CM beim anschließenden PPV den Titel und blieb noch zwei weitere Monate bei RoH. Weiterhin hat Colt Cabana - eben der Mann, den Punk während seiner Shoot-Rede grüßte und der zu seinen besten Freunden zählt - angekündigt, bei Money in the Bank im Publikum sitzen zu wollen.

Ein besonders interessantes Detail, wenn man bedenkt, dass die Wiedereinstellung Cabanas, der bereits zwischen 2008 und 2009 als Scotty Goldman bei SmackDown antrat, eine der Forderungen Punks im Rahmen der tatsächlichen Vertragsverhandlungen gewesen sein soll. Bleibt also abzuwarten, ob Colt tatsächlich nur brav seinen Sitzplatz wärmen wird.

Ausblick: Der Ausgang des Main Events von Money in the Bank erscheint völlig offen. Noch einmal: Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass Punk die WWE tatsächlich verlässt. Es scheint schwer vorstellbar, dass sämtliche Aussagen vor und hinter den Kulissen von ihm sowie den WWE-Offiziellen fingiert sind.

Anderseits, wieso verschafft man ihm dann einen so untypisch starken Abgang? Nur, um Cena mit einem Sieg noch stärker als ohnehin schon zu verkaufen? Klar ist, dass Vince McMahon Punk nicht mit seinem WWE-Champion-Titel gehen lassen wird, da er fürchtet, ihn diesen anschließend bei einer Konkurrenz-Liga in bester Alundra-Blaze-Manier in eine Mülltonne werfen zu sehen.

Ebenfalls gerüchtelt wird, dass John Cena angeschlagen ist und eine Auszeit braucht. Sollte dies der Wahrheit entsprechen und Punk allen Berichten zum Trotz hinter den Kulissen still und heimlich einen neuen Vertrag unterschrieben haben, dann wird er wohl Sieg und Titel einfahren - vielleicht ja mithilfe von Buddy Colt Cabana. Unser aller Lieblings-Ex-Rapper könnte dann eine Auszeit nehmen und seine Blessuren in Hinblick auf sein Match gegen den Rock bei WrestleMania XXVIII auskurieren. Oder aber das ist alles nur heiße Luft.

Es gibt allerdings noch eine weitere Möglichkeit: Sollte die WWE Punk tatsächlich zum Abgang nochmal den Titel gönnen - beispielsweise, um ihn für zukünftige Vertragsverhandlungen positiver zu stimmen - , eine Pause Cenas aber nicht geplant sein, dann darf man nicht übersehen, über welchen Pay-per-View wir hier diskutieren.

Angesichts des großartigen Aufbaus des Main Events etwas in Vergessenheit geraten sind die beiden Money in the Bank-Leitermatches. Zudem steht mittlerweile fest, dass Alberto Del Rio neuer Nummer-Eins-Herausforderer auf den WWE-Titel ist und seine Chance, wie seit längerem gemunkelt wird, beim SummerSlam erhalten wird. Punk vs. Del Rio, Heel vs. Heel, beim zweitwichtigsten Event des Jahres - schwer vorstellbar. Also wird doch Cena gewinnen? Nicht zwingend.

Denn der Sieger des Raw-Ladder-Matches könnte seine Titelchance noch am gleichen Abend nach dem Main Event einfordern und den frisch gekrönten Punk gleich wieder entthronen. In diesem Fall dürfte auch Vince McMahon Cena nicht feuern, da Punk den Titel zwar gewonnen, Chicago damit aber nicht verlassen hätte. In jedem Fall böte sich so die Chance, neben Cena und Randy Orton einen weiteren Top-Face zu schaffen. Jemanden, der zuletzt einige Rückschläge wegstecken musste und beim Publikum enorm zieht: Ein gewisser Miz.

Fazit: Wie tweetete Chris Jericho nach der ersten Promo so schön: "Gratulation an CM Punk und Vince McMahon. Sie haben etwas gemacht, das schon für eine ganze Weile nicht mehr gelungen ist... Geschichte zu geschrieben." Lange hat man bei Raw keine so starke Storyline mehr erlebt. Punks Promos werden einem, ähnlich wie der Nexus-Takeover oder die Versöhnung zwischen Shawn Michaels und Bret Hart, noch lange im Gedächtnis bleiben.

Grund dafür sind nicht nur die Reden an sich, sondern eben auch, dass es Punk, Cena und der WWE gelungen ist, bei den Zuschauern und im Internet für derart viel Verwirrung zu sorgen, dass sich seit drei Wochen jeder fragt, was denn nun bei Money in the Bank passieren wird. Cena kündigte bereits an, dass wir das Match des Jahres erleben werden, und zumindest vom Aufbau her ist dies jetzt schon sicher.

Eines ist aber auch klar: Aller Spannung und Sympathie für den einen oder anderen Superstar zum Trotz, ein Abgang von CM Punk wäre fatal für die Liga. Der Straight Edge Savior hat seinem Namen einmal mehr alle Ehre gemacht und bewiesen, dass ihm nicht nur im Ring, sondern auch am Mikro niemand das Wasser reichen kann. Verliert die WWE nach Jericho und Edge allen Ernstes den dritten Main Eventer, dann wäre das ganz bitter. Nicht nur, weil die Drei große Namen sind. Sondern weil sie zurecht zu den Besten zählen.

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