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Bortles' Abgang? Alternativlos und eine Lektion

Die Zeit von Blake Bortles bei den Jacksonville Jaguars geht ihrem Ende entgegen
© getty

SPOX startet ein neues Format: In der neuen Saison wird NFL-Redakteur Adrian Franke wöchentlich die wichtigsten Ereignisse der vergangenen Woche in der NFL beleuchten - und das aus persönlicher Sichtweise. Nachdem es in der Vorwoche mit richtigem Protest und falschen Hot Takes los ging, stehen dieses Mal Blake Bortles, Baltimores Ryan-Mallett-Dilemma und Chicagos Quarterback-Frage im Mittelpunkt.

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1. Die Bortles-Demontage ist alternativlos. Und eine Lektion.

Die Ansage von Jags-Coach Doug Marrone nach dem Spiel gegen Tampa Bay hat mich im ersten Moment stutzig gemacht: "Ich habe mich mit beiden Quarterbacks nach dem Spiel getroffen und ihnen gesagt, wonach ich suche. Ich suche jemanden, der diese Offense anführen kann. Ich bin nicht zufrieden mit den Leistungen heute, da werde ich nicht drum herum reden. Ich meine, jeder hat es ja gesehen. Nennt es, wie ihr wollt. Ich versuche noch herauszufinden, wer die beste Wahl für diese Position ist. Das habe ich beiden gesagt."

Marrones deutliche Aussage schreit geradezu den Frust in Jacksonville heraus. Alle haben sie gehofft, dass Blake Bortles seine Horror-Saison 2016 hinter sich lassen könnte. Allein, es muss die Frage erlaubt sein: Was genau gab Anlass zu dieser Hoffnung? Denn die Leistungen in der vergangenen Saison waren keine Aneinanderreihung unglücklicher Umstände oder ein unerklärliches Loch, in das Bortles gefallen ist.

Selbst in seinen statistisch besseren Spielzeiten nämlich waren die technischen Probleme offensichtlich. Eine riesige Ausholbewegung beim Wurf, enorme Probleme mit Pressure, furchtbare Fußarbeit und beim Wurf selbst auch in der Wurf-Mechanik offensichtliche Defizite. Das war im College so, das war in Bortles' ersten Spielzeiten in der NFL so.

Ein dementsprechender Schocker war es auch, als die Jags Bortles mit dem dritten Pick im Draft wählten - vor Teddy Bridgewater, Derek Carr, Jimmy Garoppolo. Seine Statur und sein starker Arm sorgten für Hirngespinste bei Quarterback-Coaches und Offensive Coordinators in der NFL und stachen Dinge wie Spielverständnis, Technik und dergleichen aus. Und hier ist die Lektion: Quarterbacks im Draft zu bewerten sollte mit mehr nüchterner Beobachtung und Tape-Fokussierung erfolgen. Nicht durch einen Medien-Hype zwischen Februar und April.

Bortles (8/13, 65 YDS) leistete sich gegen Tampa zwar keinen schwerwiegenden Fehler, trotzdem aber legte er in nur kurzer Spielzeit mehrere desolate Würfe an den Tag, bei denen er Receiver deutlichst verfehlte. Der Frust in Jacksonville ist deutlich, das zeigte auch ein Trainings-Clip aus der vergangenen Woche, welcher via Social Media die Runde machte. Marrone hatte schon in den Einheiten vor dem zweiten Preseason-Spiel Chad Henne Snaps mit den Startern gegeben.

Jacksonvilles Team ist zumindest defensiv zu talentiert, um eine Saison im Quarterback-Nirvana zu verbringen. Spieler wie Calais Campbell wurden geholt, um sofort Erfolg zu haben und mit A.J. Bouye und Jalen Ramsey könnten die Jags das beste Cornerback-Duo der Liga auf den Platz bringen. Bortles hat gezeigt, dass die Vorsaison kein Ausrutscher war, sondern dass er der Quarterback ist, den man auf dem Feld sieht und für eine plötzliche 180-Grad-Drehung gibt es keinerlei Andeutungen.

Henne wirkt jedenfalls sicherer, Alternativen gibt es in der Free Agency oder via Trade. Klar ist: Die Demontage von Bortles ist für Jacksonville inzwischen alternativlos und dass Marrone hier so kurz vor dem Saisonstart den offenen Wettkampf ausgerufen hat, ist für mich ein klares Zeichen dafür, dass Bortles dieses interne Duell verlieren wird. Wenn er es nicht schon verloren hat.

Achso: Ist Bortles zum Saisonstart tatsächlich nicht mehr der Starter, rechne ich fest mit der RG3-Behandlung: Bortles wird für Spiele gar nicht erst aktiviert, denn die vom Team bereits gezogene Vertragsoption für 2018 garantiert Bortles 19,053 Millionen Dollar - jedoch nur im Verletzungsfall.

2. Baltimores Dilemma mit Colin Kaepernick und Ryan Mallett

Ich hatte eine Weile lang überlegt, ob ich den Punkt so rein bringen soll, die Zitate von John Harbaugh nach Baltimores Sieg über Miami am Donnerstag aber sind dann irgendwie doch hängen geblieben. Nachdem Harbaugh auf kritische Fragen nach Mallett seinem Backup-Quarterback vor einer Woche noch "Winning Football" attestiert hatte, ging er jetzt dazu über, zu sagen: "Ich denke, er hat guten, soliden Football gespielt." Und überhaupt, Mallett habe unter den Ausfällen einiger Offensive Linemen gelitten.

Verzeiht mir die Deutlichkeit, aber: So ein Quatsch.

Wer sich Mallett anschaut, dem fallen nämlich vielmehr folgende Attribute auf: Extrem ungenaue Pässe aus der Pocket und überhastete Entscheidungen gegen Pressure, erzwungene Würfe in Coverage, viel zu viele Pässe mit Turnover-Potential. Ryan Mallett ist kein Quarterback, den man in einer Game-Manager-Rolle will. Umso weniger in einer Offense wie Baltimores, die nicht gerade mit einem Playmaker-Überfluss daher kommt.

Was also tun? Auf dem Quarterback-Markt gibt es nach wie vor einige Optionen, darunter auch kostengünstige. Und unweigerlich muss hier auch der Name Colin Kaepernick wieder fallen. Die Ravens sind vor einigen Wochen komplett offen mit Kaepernick umgegangen: Coach John Harbaugh bestätigte, dass er den Sommer über Kontakt zu Kaepernick hatte und Ravens-Besitzer Steve Bisciotti adressierte als erster Team-Besitzer den Hymnen-Protest ganz offen.

"Ich weiß, dass wir damit einige Leute verärgern. Und ich weiß, dass wir andere Leute glücklich machen, wenn wir uns dafür einsetzen", betonte Bisciotti. "Er hat von seinem Recht Gebrauch gemacht, gewaltloser Protest ist etwas, das wir alle begrüßen. Persönlich mochte ich die Art und Weise, wie er es gemacht hat, nicht. Aber es hat mir gefallen, als er vom Sitzen (auf der Bank) zum Knien übergegangen ist." Außerdem gab er unverblümt zu, dass sich das Team extern umgehört und mögliche Folgen einer Verpflichtung ausgelotet habe.

Seither ist es auffällig ruhig geworden, und das Lob für Mallett, das so gar nicht zu seinen Leistungen passt, hat mich genau deshalb stutzig gemacht. Die Verpflichtung von Thad Lewis am vergangenen Montag - die, sollte Kaep nicht tatsächlich eine ganze Menge an Gehalt verlangen, unerklärlich ist - dürfte das Kapitel Baltimore/Kaepernick endgültig schließen. Auch wenn Harbaugh offensichtlich von Kaepernick angetan war und mit Greg Roman Kaepernicks alter Offensive Coordinator aus den erfolgreichen 49ers-Tagen inzwischen bei den Ravens arbeitet. Das unangebrachte Lob für Mallett wirkt auf mich wie der Versuch, alle Quarterback-Debatten endgültig zu ersticken.

So bleibt Kaepernick weiterhin ohne Job. Umso wichtiger ist es, und da schließe ich an meine Aussagen aus der vergangenen Woche an, dass der von Kaepernick angestoßene Protest ein Thema bleibt. Und das kann langfristig nur funktionieren, wenn es kein exklusiv Afro-Amerikanisches Thema bleibt. Genau diese Entwicklung haben wir in der vergangenen Woche erlebt.

Da war etwa Justin Britt, der seinem protestierenden Seahawks-Mitspieler Michael Bennett symbolisch während der Hymne die Hand auf die Schulter legte. Raiders-Quarterback Derek Carr legte seine Hand auf die Schulter von Khalil Mack und Eagles-D-Liner Chris Long wählte einen ähnlichen Weg, um Mitspieler Malcolm Jenkins zu unterstützen. Seine Erklärung: "Ich habe Malcolm einfach gesagt, dass ich für ihn da bin. Ich denke, es ist ein guter Zeitpunkt, dass Leute, die wie ich aussehen, für diejenigen da sind, die für Gleichheit kämpfen." New Yorker Polizisten unterschiedlichster Herkunft stellten sich öffentlich hinter Kaepernicks Protest. Nur so wird der Protest langfristig die Leute erreichen, die er erreichen muss.

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