NFL

Die Rückkehr des Königs

Tom Brady gibt sein Saisondebüt gegen die Cleveland Browns
© getty

Nach vier Wochen hat das Warten ein Ende. Der Herr der Ringe, Tom Brady, kehrt zurück und gibt beim Gastspiel der New England Patriots bei den Cleveland Browns (So., ab 19 Uhr live in der RedZone-Konferenz auf DAZN) sein Saisondebüt. SPOX blickt voraus und erklärt, was sich bei den Pats verändern wird, wer profitiert und wer zurückstecken muss. Und was erwartet eigentlich die Browns?

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Fragt man eingefleischte Fans der New England Patriots, wann die NFL-Saison 2016 beginnt, sie würden unisono auf den 9. Oktober verweisen, im offiziellen Kalender als Week 5 bekannt. Doch für die Patriots startet die Saison erst jetzt so richtig, denn am Sonntag in Cleveland kehrt gewissermaßen der König nach abgesessener Deflategate-Sperre zurück.

Brady übernimmt dann eine Mannschaft, die ohne ihn vor der Shutout-Pleite gegen die Buffalo Bills in der Vorwoche teils souverän drei Spiele vom Start weg gewann. Unter anderem überraschend in Arizona und daheim zu Null gegen die Houston Texans.

Und sie taten dies mit nicht einem, sondern zwei Backup-Quarterbacks. Denn bereits im zweiten Viertel des zweiten Spiels verletzte sich der als Starter für die ersten vier Spiele vorgesehene Jimmy Garoppolo so schwer an der Schulter, dass er auch noch in Week 4 ausfiel. Also musste die Nummer drei, Rookie Jacoby Brissett ran, der sich ebenfalls zeitig verletzte und Week 4 gegen Buffalo mit lädiertem Daumen spielte - mit Julian Edelman als potenzieller Notfall-Option.

Doch wie war dieses Kunststück möglich? Es war eine Kombination aus einem stetig angepassten Playbook, einer zumeist dominanten Defense und der neu gewonnenen Freude am Laufspiel.

Keine Stützräder für Garoppolo

Mit Garoppolo sah man einen ähnlichen Spielstil wie mit Brady, wobei "Jimmy G" keineswegs Stützräder dran hatte. Er kommandierte die Offensive recht gut, vertraute ähnlich wie Brady auf Julian Edelman oder James White, um über kurze Pässe größeren Raumgewinn nach dem Catch zu erzielen. Den Rest besorgte LeGarrette Blount, der nach Woche drei die Liga in Lauf-Yards anführte. Selbiger eröffnete auch Räume für Play-Action-Spielzüge, die auch tiefe Pässe - etwa auf Chris Hogan - ermöglichten.

Zudem glänzte Garoppolo meist mit einem schnellen Release, er verschaffte also der nicht immer sattelfesten Offensive Line, die weiter auf Right Tackle Sebastian Vollmer verzichten muss, bei Passspielzügen etwas Entlastung.

Nachdem dann auch noch Garoppolo ausfiel, war es an Brissett, die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Gegen Miami musste er sich eigentlich nur als Verwalter präsentieren, man lag ja nach drei frühen Touchdowns komfortabel vorn. Die Dolphins machten die Partie später nochmal eng, doch letztlich reichte die Zeit nicht mehr.

Coup gegen Houston

Das größte Kunststück war dann jedoch die Vorstellung gegen Houston am Donnerstagabend in Week 3 nach kurzer Pause. Brissett hatte kaum Zeit, sich vorzubereiten und so setzte New England so massiert auf den Lauf wie seit Jahren nicht mehr. 39 Laufversuchen standen nur 19 Passversuche gegenüber. Ein Verhältnis, das recht selten zu bestaunen ist bei den Patriots.

Doch es funktionierte, auch weil die Texans nicht auf den Spielstil von Brissett eingestellt waren. Dieser erzielte seinen ersten NFL-Touchdown mit einem Bootleg über 21 Yards. Den Rest besorgten Blount und die Defense. Hinzu kamen starke Special Teams auf eigener und zwei Special-Teams-Turnovers auf Seiten der Texans.

Diese Geschenke gab es jedoch gegen Buffalo nicht, sodass die Patriots - und vor allem die lokalen Medien - von den Bills auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt wurden. Brissetts Daumen half ebenso wenig, was sicher eine Erklärung für sein insgesamt schwaches Passspiel in seinem zweiten Start gewesen sein mag. Der andere war wohl das recht zurückhaltende Play-Calling.

Der Kopf des Teams ist zurück

Gegen die Cleveland Browns hingegen wird jetzt wieder Normalität einkehren. Der Kopf des Teams ist zurück und wird folglich das altbewährte Playbook aufstoßen. Heißt: Beim Verhältnis Pass zu Lauf wird das Pendel wieder in die andere Richtung ausschlagen, wobei es durchaus denkbar ist, dass das Laufspiel weiterhin ein wichtiger Faktor sein wird, auch um die weiterhin fragliche Offensive Line bei der Pass-Protection zu entlasten. Letzteres wird Brady aber auch mit seinem schnellen Release beisteuern.

Einer, der sich ganz besonders über Bradys Rückkehr freuen dürfte, ist indes sein bester Kumpel, Julian Edelman. In den letzten zwei Spielen fing er ganze fünf Pässe und wurde gerade von Brissett kaum mal gefunden, was schwierig ist, da gerade Edelman eigentlich immer offen ist. Brady wiederum wird ihn gezielt suchen, zumal er noch nicht wahnsinnig viele Reps mit den Neuen, also Martellus Bennett, Chris Hogan oder Malcolm Mitchell, hatte und daher eher auf Altbewährtes setzen wird.

Dazu zählen im Übrigen auch Danny Amendola und James White aus dem Backfield, der bislang einen guten Job gemacht hat, was die Vertretung von Dion Lewis angeht, der nach wie vor auf der PUP-Liste steht.

Und dann wäre da noch Rob Gronkowski, der in dieser Saison erst einen Catch gesammelt hat und größtenteils als Extra-Blocker fungierte. Das war Gerüchten zufolge einer Oberschenkelverletzung aus der Preseason geschuldet, von der sich der eigentlich beste Tight End der NFL noch nicht so richtig erholt haben soll. Selbiger hielt sich auch zurück was öffentliche Statements zu seiner Verletzung betrifft.

Was wird aus Gronk?

Von CSN New England wird er mit den Worten zitiert: "Wenn ich ins Rollen kommen kann, werde ich auch ins Rollen kommen", nachdem er zuvor zumindest einräumte, dass ihn der Oberschenkel in der Tat derzeit zurückhält. Doch auch wenn er nicht bei 100 Prozent ist, darf man davon ausgehen, dass Gronk wenigstens in der Red Zone, wo man nicht allzu weite Wege gehen muss, eine ernstzunehmende Option sein wird. Mit Brissett sah man dies nicht, doch der war schlicht zu selten in der Red Zone, um diese These zu untermauern.

Gegen Cleveland dürfte der Gameplan so aussehen, dass in erster Linie Brady mit schnellen, präzisen Pässen den Weg ebnen wird und gelegentlich von Blount auf dem Boden unterstützt wird. Letzterer wird jedoch deutlich seltener auf dem Platz stehen als bisher. Stattdessen werden Leute wie White oder auch D.J. Foster als Extra-Receiver aus dem Backfield agieren und damit ebenfalls Bradys Passspiel unterstützen und noch variabler machen. Ein Punkt, den Brady ins Spiel bringt und den die anderen beiden noch nicht drauf haben, ist die Fähigkeit, immer den offenen Mann zu finden. Und das sollte auch mit Bennett und Co. der Fall sein.

Was wir hingegen auf keinen Fall mehr zu sehen bekommen, ist die Read-Option, die mit Brady schlicht unsinnig wäre. Brissett als Top-Athlet war in diesem System eine formidable Option, doch Brady ist ein reiner Pocket-Passer. Und das ist auch gut so.

Kein Kommentar

An dieser Stelle stellt sich normalerweise die Frage, was der Rückkehrer selbst zu sagen hat. Doch der hat sich bislang noch gar nicht geäußert. Der Grund dafür ist perfide: Er wurde noch nicht vom Team von der Exempt List aktiviert. Eine reine Formalie, doch lokale Medien munkeln, dass Bill Belichick dies absichtlich erst so spät wie möglich tun wird, nämlich am Samstag, um einen Medienzirkus im Trainingskomplex zu verhindern. Wer auf der Exempt List steht, muss nicht mit den Medien reden.

Und auch der Hoodie selbst gab sich gewohnt wortkarg zum Thema und tat sein bestes, alle konkreten Fragen zu seinem QB in gewohnter Manier zu umgehen. Wie könne Brady seinen Kollegen klarmachen, dass er allein nicht alle Probleme lösen werde? "Wir müssen alle unseren Job machen, einen besseren Job machen. Wir alle haben einiges, an dem wir arbeiten müssen", so Belichick.

Und wie fühlt sich der Coach generell, jetzt da Brady zurück ist? "Wir müssen nach Cleveland kommen und gut spielen, um zu gewinnen. Das werden wir jedenfalls versuchen." Aber sicherlich sollte Brady dem Team einen Boost geben, oder? "Ich denke, unser Team muss diese Woche sehr gut spielen, sehr gut gegen Cleveland. Das ist es, was wir tun müssen."

Aber er könne doch sicher was zur generellen Verfassung des QBs sagen, oder? "Wir werden heute im Training sehen, wie unser ganzes Team drauf ist", so Belichick, der wie immer so unverständlich wie eben möglich in seinen nicht vorhandenen Bart genuschelt hat. Abschließend ließ er wissen: "Wir sind diese Woche auf Cleveland fokussiert. Punkt. Cleveland."

Jackson ist besorgt

Gesprochen - und zwar über die Perspektive, als erstes gegen Brady nach dessen Rückkehr zu spielen - hat dagegen Hue Jackson, der Head Coach des kommenden Gegners: "Es wird keineswegs ein Spaß. Er konnte seine Passion, was nun mal neben seiner Familie der Football ist, in den letzten vier Wochen nicht ausleben, also wird er bereit sein. Gar keine Frage."

Und Jackson muss es wissen, denn er versuchte einst, Brady zu College-Zeiten für Cal zu rekrutieren: "Coach Steve Mariucci und ich haben damals versucht, ihn da wegzuscheuchen, doch er blieb letztlich bei Michigan. Und offensichtlich ist seine Geschichte eine der großartigsten, die jemals erzählt wurden."

Auch die Spieler der Browns wissen, worauf sie sich einstellen müssen: "Es wird ein Zirkus, jedenfalls für die Medien", so Browns-Allzweckwaffe Terrelle Pryor: "Aber er hat das auch verdient. Er ist einer der größten Quarterbacks, die jemals dieses Spiel gespielt haben."

Was den Browns besondere Sorgen bereitet, ist die Tatsache, dass sie wohl auf einen besonders motivierten, weil ärgerlichen, Brady treffen werden. "Er wird mit den Hufen scharren", so Jackson.

Parallelen zum Opener 2015?

Einen passenden Vergleich zog vor kurzem ESPN, das auf eine ähnliche Situation im Vorjahr verwies: Damals im Season Opener hatte Brady auch schon mit Deflategate zu kämpfen, damals aber seine Sperre erfolgreich vor Gericht abweisen lassen. Doch sauer war er dennoch - und zerlegte direkt zum Start die Steelers mit 288 Yards, vier Touchdowns und keiner Interception. Es folgten drei weitere Spiele mit sieben Touchdowns und ohne Interception.

Die noch sieglosen Browns werden eher weniger Gegenwehr leisten als die Steelers im Vorjahr, doch Brady muss zumindest noch nachweisen, dass er sein Timing schon wieder hat, nach vier Wochen Freizeit mit gelegentlichen Pass-Einheiten mit seiner Frau Gisele Bündchen oder seinem Ex-Kollegen Wes Welker.

Doch vielmehr wird wohl nicht für die Browns sprechen, die sich am Sonntag wohl vorkommen werden, als seinen sie zur falschen Zeit am falschen Ort - auf Kollisionskurs mit einem wütenden Brady, der auf Rache sinnt und wohl alles zerstören wird, was sich ihm in den Weg stellt.

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