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NBA-Legendenserie - Tracy McGrady: Der Unvollendete

Von Max Marbeiter
Tracy McGrady war einer der besten Scorer der NBA-Geschichte
© getty

Beinahe hätte Tracy McGrady seine Karriere doch noch mit einem Ring gekrönt, stattdessen verließ er die NBA-Bühne unvollendet. Dennoch hinterließ einer der besten Scorer der letzten Dekaden ein großes Erbe.

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Dieser Artikel erschien ursprünglich am 27. August 2013.

LeBron James staunte nicht schlecht, als er sich kurz vor Beginn seiner NBA-Karriere noch einmal ein Spiel der Detroit Pistons gegen die Orlando Magic ansah. Er staunte über einen Baseline-Drive, dem Clifford Robinson nicht einmal ansatzweise folgen konnte. Und er staunte sicherlich noch mehr, als sich der Drive zu einem krachenden Dunk über den bemitleidenswerten Mehmet Okur entwickelte.

Vielleicht bekam es der MVP von 2013 sogar ein wenig mit der Angst zu tun, als er sah, was und vor allem wer denn da im Anschluss an den Draft auf ihn warten würde - kein Geringerer als einer der begnadetsten und dominantesten Scorer der frühen 2000er.

Gut ein Jahrzehnt ist seither vergangen, doch die Bilder gleichen sich. Wenn auch mit umgekehrten Vorzeichen. Während der vergangenen Finals fand sich McGrady plötzlich in der Zuschauerrolle wieder und musste nahezu tatenlos mit ansehen, wie LeBron und die Heat seinen Spurs den in Spiel sechs schon beinahe sicher geglaubten Titel doch noch entrissen.

James beendet Titel-Traum

Seit Montag und T-Macs offiziellem Rücktritt vom NBA-Parkett ist nun klar, dass ausgerechnet diese Finalpleite McGradys letzter Eindruck als Aktiver sein soll. Was bleibt, ist der Eindruck eines LeBron James, der Spiel sieben dominierte - und ein Tracy McGrady, für den es abermals einfach nicht reichte.

Schließlich fehlte nicht viel, und T-Mac, der mit seinen Teams zuvor nicht eine einzige Playoff-Runde überstanden hatte, hätte sich doch noch NBA-Champion nennen dürfen - und das ohne großes eigenes Zutun. Beinahe wäre der Unvollendete doch noch vollendet worden.

Doch James hatte etwas dagegen. Der, der einst andächtig im Palace zu Auburn Hill gesessen hatte, tat genau das, wofür McGrady jahrelang bekannt war. Er dominierte. James mag zwar kräftiger sein, dank seiner unglaublichen Athletik, Größe und Spannweite stellte T-Mac zu seinen besten Zeiten allerdings ein beinahe ebenso großes Mismatch dar, wie der amtierende MVP heute.

Begnadeter Scorer

McGrady wusste, wie man scort. Und an diesem Wissen ließ er spätestens mit seiner Unterschrift in Orlando auch den Rest der Liga teilhaben. Ob aus der Distanz, am Brett, per Floater oder Dunk - in schöner Regelmäßigkeit fand der Spalding seinen Weg durch die Reuse. Mit seiner spektakulären und effektiven Spielweise wurde er zu einem der beliebtesten Spieler der Liga.

Mehr noch: Als Magic sicherte er sich den Titel des Most Improved Player (2001), wurde Scoring Champion (2003 und 2004) und zwei Mal ins All-NBA First Team gewählt. Während seiner letzten Saison in Florida gelangen McGrady gegen Washington schwindelerregende 62 Punkte, 10 Rebounds und 5 Assists. Kurz: Der Shooting Guard war nicht zu stoppen.

Jahrhundertperformance gegen die Spurs

Dennoch verkommen diese Zahlen im Angesicht des geschichtsträchtigsten Auftritts in McGradys Karriere zur Makulatur. 2005, McGrady war 2004 nach Houston gewechselt, lagen die Rockets 35 Sekunden vor dem Ende gegen San Antonio mit 8 Punkten zurück, das Spiel schien verloren zu sein. Auftritt: T-Mac. Dreier Nummer eins fliegt über Malik Rose hinweg durch den Ring, beim zweiten schickt Tim Duncan den Swingman sogar noch an die Linie - And One!

Die Halle steht Kopf, Spurs-Coach Gregg Popovich tobt. Als dann selbst Bruce Bowen, der damals vielleicht beste Wing-Defender der Liga, T-Mac am Perimeter nicht stoppen kann, liegen die Rockets plötzlich nur noch 2 Punkte zurück. Und McGrady bringt zu Ende, was er begonnen hat. Gegen Tony Parker und Manu Ginobili steigt er zum Dreier hoch - Swish!

35 Sekunden. 13 Punkte. Eine der größten Clutch-Performances in der Geschichte der Liga. So groß, dass selbst Duncan, wenn auch gewohnt stoisch, Respekt zollt: "Tracy hat hervorragende letzte 50 Sekunden gespielt. Er hat einen Weg gefunden, doch noch zu gewinnen", sagte der Superstar nach dem Spiel.

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Kobe: Unangenehmster Gegner

Derartige Höchstleistungen lassen McGrady in die Liga der absoluten Superstars aufsteigen. Kobe Bryant nannte ihn einst sogar den härtesten Gegner, den er je verteidigen musste. Nur zur Erinnerung: Die Black Mamba war bereits zu Zeiten eines gewissen Michael Jeffrey Jordan, dem König aller scorenden Zweier, aktiv.

Genau in diese Liga der Allerbesten, derer, die mindestens einen Ring gewonnen haben, steigt McGrady jedoch nie auf. Zunächst bremst ihn die Gesundheit seiner besten Mitspieler Grant Hill und Yao Ming aus, dann streikt der eigene Körper. Ab 2005 schlägt sich McGrady immer wieder mit Rückenproblemen herum, muss sich operieren lassen und regelmäßig einige Partien aussetzen.

Verletzungsprobleme

Dennoch trägt er die Rockets 2008 ohne Ming zu einer 22-Sieges-Serie und in die Playoffs, aber erneut nicht in die zweite Runde. Houstons Superstar ist nicht fit, muss sich Flüssigkeit aus Schulter und Knie entfernen lassen, und die Rockets unterliegen in Runde eins. Schon wieder.

Im Sommer lässt sich McGrady am Knie operieren und unterzieht sich 2009 schließlich einer Mikrofrakturierung. Einer Prozedur, die jeglicher Explosivität ein Ende setzt. T-Mac verpasst die Playoffs, und ausgerechnet jetzt gewinnen die Rockets ihr Erstrunden-Matchup. Der Abstieg beginnt.

Enttäuschendes Ende

Einem Trade nach New York folgen Wechsel nach Detroit und zu den Hawks und schließlich ein Engagement in China, ehe ihn die Spurs kurz vor den vergangenen Playoffs unter Vertrag nehmen. Der Alte ist T-Mac da schon lange nicht mehr.

Während seiner letzten fünf Jahre erzielt er im Schnitt weniger als 10 Punkte. Während der vergangenen Playoffs kommt er lediglich sechs Mal zum Einsatz. Dennoch sagt er bei "First Take" auf ESPN, dass er "glücklich" zurücktrete - auch wenn die letzten drei Jahre ihre Spuren hinterlassen hätten.

"Sie haben mich mental vom Spiel entfernt", sagt McGrady. "Ich denke, dass ich noch etwas geben könnte. Aber wenn ich nicht die Rolle spielen kann, die ich für mich für möglich halte, ergibt es keinen Sinn."

Das Erbe bleibt

Die Rolle des dominanten Scorers ist inzwischen tatsächlich zu groß. Das Erbe des Tracy McGrady sollte jedoch ohnehin nicht auf die letzten, weniger erfolgreichen Jahre reduziert werden. Schließlich ist T-Mac einer der begabtesten Scorer, die jemals einen Basketball in die Hand genommen haben.

Er wusste zu dominieren und Teams auf seinen Schultern zu tragen. McGrady hatte keine perfekte Karriere, aber er begeisterte Fans wie Experten gleichermaßen. Dafür zollen ihm aktuelle Spieler wie Kevin Durant auch heute noch Respekt. Nicht nur, weil er damals in Detroit den jungen LeBron James beeindruckte.

Die NBA-Statistiken von Tracy McGrady

TeamSpielePunkteReboundsAssists
Raptors19211,15,52,5
Magic29528,175,2
Rockets30322,75,55,6
Knicks249,43,73,9
Pistons7283,53,5
Hawks525,332,1
Spurs6 (nur Playoffs)01,31,2
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