"Lebemänner sind wir alle"

Von Martin Gödderz
Matthias Dolderer stieg 2009 ins Red Bull Air Race ein, im ersten Rennen 2014 wurde er Sechster
© Red Bull
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SPOX: Für derart waghalsige Manöver in der Luft scheint es so, als müsse man ja schon ein ziemlicher Draufgänger sein. Sind Sie abseits des Red Bull Air Race auch so ein Adrenalin-Junkie?

Dolderer: Eigentlich überhaupt nicht. Es ist natürlich auch Adrenalin dabei, aber im Flug bist du so fokussiert und konzentriert, dass du alles ausblendest. Da entwickelt sich ein Tunnelblick. Für das, was wir in der Luft machen, muss man auch kein Draufgänger sein. Das sieht von außen immer ziemlich waghalsig aus, aber es ist alles sehr genau kalkuliert. Es geht eben darum, das Risiko zu minimieren, das ist in der Luft immer so.

SPOX: Haben Sie ein Beispiel dafür?

Dolderer: Wenn man mit dem Auto losfahren möchte, dann geht man gewöhnlicherweise ja nicht jedes Mal um das Auto herum und schaut, ob das Öl passt oder ob es irgendwo lockere Teile gibt. Vielmehr macht man ja die Türe auf und fährt los. Beim Fliegen ist das grundsätzlich etwas anderes. Wie überlegen bereits vor dem Start und während des Rennens: Was würden wir machen, wenn jetzt eine bestimmte Sache am Motor defekt wäre? Deswegen ist mental alles bis ins kleinste Detail vorbereitet.

SPOX: Sie beschrieben das Gefühl im Flieger einmal selbst damit, dass es sich so anfühlt, also würde man ein Auto bei Tempo 400 in einer Garage parken wollen. Da wird dem gewöhnlichen Menschen ja schon beim Gedanken schwindelig. Hatten Sie jemals Angst oder existiert dieses Wort in Ihrem Wortschatz nicht?

Dolderer: Angst ist im Flugzeug völlig fehl am Platz. Wenn man irgendwann Angst hat, dann sollte man es sein lassen. Natürlich sollte man großen Respekt vor der Technik und gerade vor dem Wetter haben, aber wenn ich losfliege, dann ist auch alles wohlüberlegt. Ich schaue: Wie viel Sprit brauche ich? Wie ist das Wetter? Ich versuche das Risiko einfach auszuschließen. Angst habe ich vor anderen Dingen, zum Beispiel vor Schlangen.

SPOX: Wie viel Vorbereitung gehört denn zu so einem Rennen?

Dolderer: Mein allgemeines Training ist letztendlich ein fortlaufender Prozess und schwierig einzuschätzen. Für die Rennen bin ich meistens schon eine Woche vorher da. Mein Techniker baut das Flugzeug auf und ich mache die ersten Tests, ob die Telemetrie und die Teile passen. Vier Wochen vor so einem Rennen erhalten wir die Daten, damit man den Kurs mental durchgehen kann. Welche Linie scheint die optimale zu sein? Welche Referenzpunkte gibt es außerhalb der Rennstrecke, um sich am Umfeld zu orientieren? All solche Fragen geht man dann durch.

SPOX: Von vielen Formel-1-Piloten ist bekannt, dass sie echte Lebemänner sind. Sie können vielleicht nicht mit schnellen Autos, aber mit einem eigenen Flugzeug glänzen. Playboys müssten es in der schnellsten Rennserie der Welt also auch geben - wie sieht das in der Red Bull Air Race Series aus?

Dolderer: Lebemänner sind wir alle. Ich selbst wurde ja auch schon vom Playboy gesponsort, da waren die Hasen auch mal dabei. Die meisten von uns sind aber verheiratet und in festen Händen. So ein richtiger Playboy ist also nicht dabei, wir geben aber trotzdem alle Vollgas.

SPOX: Sie selbst organisierten einst sogar einen Charterflug für Ihre Fans nach Budapest und luden diesen in Ihren Hangar ein. Eine ziemlich tolle Aktion für Ihre Anhänger. Was hat Sie dazu veranlasst?

Dolderer: Das Rennen in Budapest 2009 war eigentlich das naheliegendste zu meiner Heimat. Mich haben so viele Leute gefragt, die mitwollten und etwas organisieren wollten. Am Anfang haben wir noch gesagt, dass alle mit dem Bus oder dem Airliner kommen sollen, dann meinte mein Vater: "Charter doch einen Flieger!" Wir dachten anfangs, das sei zu teuer, aber dann haben wir uns weiter damit befasst und eine Boeing 737 gechartert, die wir auch fast voll bekommen haben. Wir sind mit ungefähr 130 Leuten losgeflogen. Die hatten alle rote T-Shirts an und waren alle im gleichen Hotel. Das war natürlich eine wahnsinnige Aktion und eine tolle zusätzliche Motivation. Gerade diese mentale Power ist immer Gold wert. Das ist jetzt im nächsten Rennen in Kroatien hoffentlich auch so.

SPOX: Zum Saisonauftakt in Abu Dhabi reichte es für Sie zum 6. Platz und 3 Punkten im Gesamtklassement. Sie waren trotzdem nicht ganz zufrieden, woran lag das?

Dolderer: Für den Saisonauftakt wäre ich zufrieden gewesen, hätte ich zwei Plätze weiter vorne oder auf dem Podium gestanden, aber es waren ein paar kleinere Fehler dabei. Durch die neuen Standardmotoren ist das Feld extrem eng zusammen und da wird jeder kleine Fehler gleich bestraft. Es ist okay, aber zufrieden bin ich nicht. Leider gab es auch Probleme mit der Zeitabnahme, was hoffentlich in Kroatien jetzt besser wird. Letztendlich habe ich aber auch gesehen, dass ich vorne gut mitmischen kann, im Abschlusstraining war ich schließlich Zweiter.

SPOX: Sie sprechen es schon an: Das nächste Rennen steht am 13. April im kroatischen Rovinj an, was nicht weit entfernt von Deutschland liegt. Fliegen Sie dann bedingungslos auf Sieg und wie sieht es in diesem Jahr mit Ihren Ansprüchen im Gesamtklassement aus?

Dolderer: Kroatien ist jetzt die zweite Chance für mich. Vor dem ersten Rennen war es ziemlich schwer zu sagen, wer wo steht. Aber wir haben gesehen, dass wir vorne gut dabei sind. Da es aber nur acht Rennen sind, wird es natürlich schwierig, noch die WM zu holen, aber am Anfang der Saison ist der Titel immer das Ziel. Man darf nie aufgeben.

SPOX: Derzeit sind Sie der einzige Deutsche im Starterfeld der Red Bull Air Race Series. Können wir mit weiteren deutschen Startern rechnen?

Dolderer: Mit Claudius Spiegel kommt ja ein Neuling aus der Challenger Class dazu. Natürlich muss man schauen, wie sich das entwickelt, aber ich glaube schon, dass auf kurz oder lang ein Deutscher nachkommt. Ich hoffe aber natürlich, dass ich selbst auch noch lange dabei bin.

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Der WM-Stand des Red Bull Air Race