"Das NBA-Interesse ist komisch"

Von Interview: Haruka Gruber
Nächster Schritt NBA? Center Tibor Pleiß werden sehr gute Chancen eingeräumt
© Imago

Wegen Burger King und Fressorgien streikte sein Körper. Dennoch hat das 20-jährige Center-Supertalent Tibor Pleiß den Durchbruch geschafft. Jetzt ist der Sprung in die NBA nur noch eine Frage der Zeit.

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SPOX: Es heißt, Sie hätten als Teenager innerhalb von eineinhalb Jahren 30 Kilogramm zugenommen. Stimmt das?

Tibor Pleiß: Zu meinem Leidwesen: ja. Ich wollte als Jugendlicher immer zunehmen, weil ich für meine Größe zu dünn war und habe deswegen auch mehrere Ernährungsberater um Rat gebeten. So richtig geholfen hat nichts, deswegen habe ich vor Basketball-Spielen manchmal einfach eine Wasser-Flasche ausgetrunken, um mich zumindest mental kräftiger zu fühlen.

SPOX: Und wie haben Sie dann doch so viel Gewicht zugelegt?

Pleiß: Irgendwann habe ich einfach angefangen, ohne Ende zu futtern. Bei RheinEnergie Köln bekam die Mannschaft beispielsweise jede Burger-King-Rechnung bezahlt. Deswegen sind wir häufig hin und wenn die anderen zu viel gekauft hatten, sollte ich die Burger aufessen - was ich auch gemacht habe. Oder im Sport-Internat, wo ich damals gewohnt hatte, habe ich mir beim Buffet immer gleich drei oder vier Teller vollgeladen und bin damit in mein Zimmer. Irgendwann kannte mein Körper kein Sättigungsgefühl mehr.

SPOX: Mit fatalen Folgen.

Pleiß: Weil ich so schnell zugenommen habe, erlitt ich 2008 einen Ermüdungsbruch im Fuß. Die Knochen und die Muskeln sind nicht im gleichen Maße mitgewachsen. Ich musste über ein halbes Jahr aussetzen und als ich wieder spielen durfte, war ich ein komplett neuer Basketballer. Es war ein schönes Gefühl, im Training dank der neuen Pfunde alle umrennen zu können. Andererseits habe ich meine Stärken, die Schnelligkeit und Beweglichkeit, verloren.

SPOX: Weswegen Sie wieder abgenommen haben?

Pleiß: Genau. Was damals passiert ist, darf nie wieder passieren. Ich habe aus meinen Fehlern gelernt und achte auf meine Ernährung. Ich hätte gerne noch drei bis vier Kilo mehr Muskelmasse, aber mit den jetzigen 116, 117 Kilo fühle ich mich wohl.

SPOX: Was an Ihren Leistungen in diesem Jahr für Bamberg ablesbar ist.

Pleiß: Vor der Saison wäre ich mit zehn Einsatz-Minuten im Schnitt zufrieden gewesen. In Köln war ich froh, wenn wir mit 20 Punkten vorne oder mit 20 Punkten hinten lagen, da ich dann die letzten zwei Minuten spielen durfte. Jetzt bekomme ich auf einmal fast 20 Minuten und stehe in der Starting Five. Wahnsinn.

SPOX: Mehr noch: Mit 1,5 Blocks liegen Sie ligaweit gemeinsam mit John Turek aus Hagen auf Platz eins. Und das als 20-Jähriger. Was ist Ihr Geheimnis?

Pleiß: Dank meiner Körpergröße von 2,15 Meter bringe ich die beste Eigenschaft ja schon mit. Zudem habe ich gemerkt, dass ich ein Händchen für Blocks habe und nicht unkoordiniert nach jedem Ball schlage, der in meine Nähe kommt. Ich mag es, mit einem Block die gegnerischen Spieler so einzuschüchtern, dass sie sich zweimal überlegen, zum Korb zu ziehen. Durch Blocks kann sich ein ganzes Spiel verändern.

SPOX: Gegen Artland haben Sie einen Karriererekord von 7 Blocks aufgestellt. Im Spiel darauf in Hagen erreichten Sie wiederum mit 26 Punkten ebenfalls einen Bestwert. Mit welcher Leistung waren Sie eher zufrieden?

Pleiß: Eigentlich mit keiner der beiden. Mein Problem ist nach wie vor, dass ich noch keine Balance habe. Mal fällt offensiv jeder Wurf und dafür komme ich defensiv nicht ins Spiel, oder es ist andersherum. Gegen Artland gelingen mir 7 Blocks, ich erziele aber nur 9 Punkte. In Hagen mache ich 26 Punkte und greife dabei aber nur 4 Rebounds ab.

SPOX: Woran liegt das?

Pleiß: Vieles liegt am Kopf. Ich grübele vielleicht manchmal zu viel, statt wie andere Basketballer nur intuitiv und auf eine gewisse Art freier zu spielen. Dann denke ich zum Beispiel darüber nach, aggressiv zum Korbleger hochzugehen - und verwerfe vor lauter Aggressivität.

SPOX: Klingt nach einem Nachteil.

Pleiß: Zuviel nachdenken ist nicht gut, aber insgesamt finde ich, dass mein analytisches Wesen eine Stärke ist. Ich versuche, meine Gegenspieler zu lesen und deren Stärken und Schwächen so einzuschätzen, dass ich einen strategischen Vorteil habe, indem ich mich richtig positioniere oder den Laufweg darauf anpasse. So langsam habe ich ein Gefühl dafür, wie ich gegen die bekannten Center der Liga wie Chris Ensminger, Jeff Gibbs oder Darius Hall zu spielen habe.

SPOX: Wie halten Sie das Gleichgewicht: Nicht zu wenig analysieren, gleichzeitig auch nicht zuviel nachdenken?

Pleiß: Bundestrainer Dirk Bauermann hilft mir dabei sehr. Ich kann ihn jederzeit anrufen und er kommt jede Woche einmal nach Bamberg, um mit mir zu trainieren. Er ist quasi mein Psychologe und beruhigt mich, wenn ich zu viele Zweifel habe.

SPOX: Sie gehören zu den Lieblingsspielern des Bundestrainers. Immerhin erwähnt er immer wieder, dass nicht nur Elias Harris und Robin Benzing große Chancen auf den Sprung in die NBA hätten, sondern auch Sie. Zu Recht?

Pleiß: Ich weiß, was ich kann. Und ich weiß, dass ich in die NBA will. Bisher war es immer so, dass ich mich kontinuierlich hochgearbeitet habe. So habe ich mich in Bamberg auch als Starting Center durchgesetzt. Daher glaube ich daran, dass ich es auch in die NBA schaffe.

SPOX: Bei Benzing ist bekannt, dass einige NBA-Scouts eigens nach Ulm fahren, um ihn zu beobachten. Wie ist es bei Ihnen?

Pleiß: Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, weil sie sich nicht explizit ankündigen. Ein Scout war wohl da, aber ich habe nicht mitbekommen von welchem Klub. In Köln hatte sich so etwas immer schneller herumgesprochen, daher bekam ich mit, dass damals Leute von den Philadelphia 76ers und den Toronto Raptors beim Training waren.

SPOX: Vor der Saison stand ein Wechsel nach Spanien zur Debatte. Warum sind Sie nach Bamberg gegangen?

Pleiß: Spanien war immer eine Option, weil ich dachte, dass man es über Spanien leichter in die NBA schafft. Real Madrid und einige andere spanische Klubs hatten angefragt. Ich habe aber gelernt, dass man nicht zwingend eine Zwischenstation in einer Topliga machen muss, um es nach Übersee zu schaffen.

SPOX: Wie kommen Sie darauf?

Pleiß: Ich sehe ja, wie mein ehemaliger Teamkollege in Köln, Marcin Gortat, direkt aus der BBL in die NBA gewechselt ist und sich durchgesetzt hat. Natürlich war Gortat damals wesentlich weiter als ich, dennoch habe ich gemerkt, dass ich gegen ihn bestehen könnte, wenn ich körperlich robuster werde. Dieses Jahr kommt der Draft zu früh, aber ich stehe in Bamberg für zwei weitere Jahre unter Vertrag, in denen ich mich optimal weiterentwickeln kann. Ich spüre, wie viel Potenzial noch in mir steckt.

SPOX: Vor zwei Jahren sagte bereits ein hochrangiger NBA-Funktionär gegenüber SPOX, dass er Ihnen von allen deutschen Talenten die besten Perspektiven einräumt.

Pleiß: Ehrlich? Das höre ich gerne. Ich weiß natürlich, dass ich einen gewissen Marktwert habe, nichtsdestotrotz finde ich es nach wie vor surreal, dass es Leute in den USA gibt, die meine Leistungen genau verfolgen und sich für mich interessieren. Das klingt irgendwie komisch.

SPOX: In Ihren ersten beiden Länderspielen im letzten Sommer ging es gleich gegen Serbien mit NBA-Center Nenad Krstic - und Sie haben sich überraschend gut geschlagen. Waren Sie selbst erstaunt?

Pleiß: Ich wusste vorher nicht einmal, wer das sein soll. Ich will zukünftig in die NBA, von Dirk Nowitzki und Dallas abgesehen interessiere ich mich jedoch nicht besonders für die Liga. Zumindest derzeit. Ich kenne Superstars wie Kobe Bryant und LeBron James sowie natürlich Gortat. Aber sonst? Das hat den Vorteil, dass ich vor keinem Spieler Respekt habe und befreit aufspielen kann, so wie gegen Serbien.

SPOX: Bei der EM hingegen wurden Sie nur wenig eingesetzt und wirkten überfordert, wenn Sie mal spielen durften. Stimmte der Eindruck?

Pleiß: Ich bin in dieser Saison selbstbewusster geworden, weil ich die Sicherheit habe, auf höchstem Niveau mithalten zu können. Letztes Jahr in Köln habe ich so wenig gespielt, dass ich gar nicht absehen konnte, was bei der EM auf mich zukommt. Jetzt kenne ich mich aus und hoffe, bei der WM mehr Minuten zu bekommen, egal ob Chris Kaman dabei ist oder nicht.

SPOX: Dann sollten Sie aber nicht wie bei der EM von einem Sofoklis Schortsanitis einfach umgestoßen werden. Der griechische 150-Kilo-Koloss hat Sie beim Dunk einer Fliege gleich abgeschüttelt.

Pleiß: Ich gebe es zu: Die Szene sah ziemlich ungeschickt und lustig aus, ich habe es mir selbst im Internet mehrmals angeschaut. Irgendwie fehlte mir in der Szene die Anspannung. Ich habe jedoch dazugelernt und ich gehe davon aus, dass so etwas nicht mehr passieren wird.

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