Weichenstellung im Vollrausch

Von Frank Oschwald
Der VfB Stuttgart glieder die Profiabteilung aus
© getty

Nur elf Tage nach dem Wiederaufstieg haben sich die Mitglieder des VfB Stuttgart für die Ausgliederung der Profi-Abteilung ausgesprochen. Die Verantwortlichen haben geschickt die Gunst der Stunde genutzt. Doch die wirklich wichtigen Entscheidungen müssen noch gefällt werden. Ein SPOX-Kommentar von Frank Oschwald.

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Im weiten Rund der Mercedes-Benz-Arena brandete bei der Ergebnisverkündung Jubel auf: Mit einer überzeugenden Mehrheit von 84,2 Prozent stimmten die Mitglieder des VfB Stuttgart für die Ausgliederung der Profi-Abteilung. Was sich zunächst nach einem belanglosen juristischen Schritt anhört, hat weitreichende Folgen. Die Schwaben öffnen die Türen für finanzstarke Unternehmen, Nachbar Daimler steigt direkt mit 41,5 Millionen Euro ein. Mit Kärcher und Würth sollen weitere Unternehmen aus der Region folgen.

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Der VfB Stuttgart hat damit nur elf Tage nach dem Wiederaufstieg die zweite wichtige Hürde auf dem Weg zur Rehabilitation genommen. Fakt ist: Um auf Dauer im Oberhaus Erfolg zu haben, war der Schritt unumgänglich. Denn zuletzt drifteten Anspruch und Wirklichkeit im Schwabenland immer weiter auseinander und sorgten Jahr für Jahr für Ärger. Aus Stolz auf die Tradition des Klubs und die Skepsis gegenüber Neuem hat das Umfeld lange das Tor zur Zukunft zugehalten. Ausgliederung? Nein, danke! Erfolg? Ja, bitte! Ein Spagat, der leider schwer ist. Dynamische Klubs wie 1899 Hoffenheim und Mainz 05 überholten den altbackenen VfB locker.

Nun haben die Verantwortlichen um Präsident Wolfgang Dietrich und Sportvorstand Jan Schindelmeiser die Gunst der Stunde perfekt genutzt. Die Kehrwoche nach dem Abstieg, die vielen Siege in der 2. Liga und der direkte Wiederaufstieg haben das schwäbische Umfeld elektrisiert und eine selten dagewesene Aufbruchsstimmung erzeugt. Für die angeknackste Beziehung zwischen Fans und Verein war der Ausflug ins Unterhaus Gold wert. Noch vor einem Jahr wäre eine Ausgliederung undenkbar gewesen. Doch im durch den Aufstieg ausgelösten Vollrausch fielen alle Hemmungen und Bedenken.

Wohin fließt das Geld?

Die großen Aufgaben folgen nun allerdings erst noch. 41,5 Millionen Euro sind eine Menge Holz, so viel steht fest. Doch am fehlenden Geld hat es bei den Schwaben in den letzten Jahren nicht gelegen. Die Abgänge von Mario Gomez (30 Millionen Euro), Sami Khedira (14 Mio.), Filip Kostic (14 Mio.), Timo Werner (10 Mio.), Antonio Rüdiger (9 Mio.) und Joshua Kimmich (8,5 Mio.) spülten über lange Zeit immer wieder mächtig Kohle ins Ländle. Durch wiederholte Fehlinvestitionen schafften es die Schwaben allerdings immer wieder, nichts aus den Millionen zu machen.

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Entscheidend für den Erfolg des Projekts Ausgliederung wird es sein, die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen und die vorhandenen Ressourcen intelligent und nachhaltig einzusetzen. Schindelmeiser und Dietrich müssen ein gesundes Mittelmaß zwischen Investitionen in den Kader und der Infrastruktur finden. Das sportliche Personal war für die 2. Liga ausreichend und machte dort einen guten Job. Doch Spiele wie gegen Hannover zeigten auch auf, dass es durchaus Nachholbedarf gibt. Die Infrastruktur auf der anderen Seite ist längst nicht mehr auf Bundesliga-Niveau.

Das Stuttgarter Umfeld bekommt mit der Ausgliederung eine Medizin verabreicht, die die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit wieder heilen kann. Wie bei jeder Krankheit muss dazu zunächst etwas mit bitterem Beigeschmack geschluckt werden. Das Resultat ist jedoch vielversprechend.

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