"Nach Schalke schockt mich nichts mehr"

Von Interview: Haruka Gruber
Ivan Rakitic (r.) wechselte im Winter von Schalke zu Sevilla und setzte sich sofort durch
© Imago

Ob Schalke trauert? Ivan Rakitic wechselte im Winter nach Spanien - und schlug voll ein. Dem 23-jährigen Kroaten gelangen in acht Liga-Spielen bereits drei Treffer und zwei Assists, zuletzt erzielte er das 1:0-Siegtor in Valencia. Sevillas vorhersehbares Offensivspiel über die Flügel ist dank ihm und Gary Medel, der ebenfalls neu verpflichtet wurde, variabler geworden. Wegen Manuel Neuer fing Rakitic aber einen "Streit" an.

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SPOX: Mit Luis Fabiano provoziert der Star der Mannschaft seinen Verkauf, Trainer Gregorio Manzano steht in der Kritik und das Umfeld regiert nach jeder Niederlage hoch empfindlich: Warum sind Sie von Schalke ausgerechnet nach Sevilla gegangen, wenn es dort nicht minder turbulent zugeht?

Ivan Rakitic: In den letzten fünf Jahren hat Sevilla sechs Titel gewonnen, entsprechend groß ist die Enttäuschung, dass wir diese Saison im optimalen Fall nur die Europa League erreichen. Aber so läuft das Business und damit muss man klarkommen.

SPOX: Und Sie kommen damit klar?

Rakitic: Ich hoffe schon, in Sevilla geht es sehr aufgeregt zu, aber nach dreieinhalb Jahren auf Schalke kann mich nichts mehr schocken. (lacht) Ich habe auf Schalke gemerkt, dass ich dieses ganz spezielle Umfeld mag, auch wenn es viele Diskussionen drum herum gibt. Dafür haben Vereine wie Schalke und Sevilla das gewisse Etwas.

SPOX: Hat das den Ausschlag für Sevilla gegeben?

Rakitic: Es war einer der Gründe. Bei Sevilla hat einfach alles gepasst. Das Angebot, die sportliche Perspektive, die Gespräche mit Sportdirektor Monchi und dem Technischen Direktor Victor Orta. Mit den beiden habe ich mich auf Anhieb hervorragend verstanden. Ich möchte für eine lange Zeit in Sevilla bleiben, dafür muss ich mich wohlfühlen. Der Verein vermittelte mir genau dieses Gefühl.

SPOX: Aber reichte das, um Juventus Turin, Inter Mailand oder Atletico Madrid zu übertrumpfen, die allesamt an Ihnen interessiert waren?

Rakitic: Ohne auf einzelne Namen einzugehen: Es gab Kontakt zu anderen Vereinen, bei Sevilla hat jedoch das gesamte Paket gestimmt. Wenn es nur nach dem Finanziellen gegangen wäre, hätte ich wohl woanders unterschreiben müssen.

SPOX: Stimmt es, dass neben Ihrem ehemaligen Mitspieler Raul auch Davor Suker und Robert Prosinecki eine wichtige Rolle beim Wechsel zu Sevilla gespielt haben?

Rakitic: Das stimmt, Davor Suker hat mir wie Raul bei der Entscheidung geholfen. Davor ist in Sevilla eine Ikone und hat mir erzählt, wie besonders der Verein ist und dass ich gut zur Primera Division passe. Und Robert Prosinecki war insofern wichtig, dass es für mich einen besonderen Reiz hat, einen ähnlichen Weg wie er einzuschlagen. Schon als kleiner Junge habe ich ihn bewundert, wenn er für Real Madrid, Barca und später Sevilla gespielt hat.

SPOX: Auf Schalke kam der Endruck auf, dass Sie im Klub und bei den Fans auch nach dreieinhalb Jahren in erster Linie als Talent wahrgenommen wurden. War der Weggang von Schalke der nötige Schritt in der Entwicklung hin zum international anerkannten Spieler?

Rakitic: Ja, ich will in Sevilla den nächsten Schritt schaffen. Auf Schalke habe ich seit meinem Wechsel aus Basel ein bisschen in einer Schublade festgesteckt, aber ich bin mittlerweile nicht mehr der kleine Blonde aus der Schweiz. Ich habe für mein Alter einiges erlebt: Fast 100 Bundesligaspiele, zwei Champions-League-Teilnahmen, eine EM mit Kroatien, über 30 Länderspiele. Diese Erfahrung will ich in Sevilla wenn möglich einbringen.

SPOX: Ihr Einstand in Sevilla wird von den spanischen Medien sehr wohlwollend begleitet, in Valencia erzielten Sie am Sonntag das 1:0-Siegtor. Wie bewerten Sie die ersten Wochen?

Rakitic: Ich bin rundum zufrieden, nur die Sprache bereitet mir Probleme. Ich nehme zwar seit kurzem Spanischunterricht, aber der Dialekt in Andalusien ist doch schwieriger als erwartet. Immerhin kann ich bereits Tapas bestellen und wenn ich nicht mehr weiter weiß, hilft mir mein serbischer Teamkollege Ivica Dragutinovic, mit dem ich die meiste Freizeit verbringe.

SPOX: Vor allem Ihr Zusammenspiel mit Gary Medel wird gelobt. Mit dem chilenischen Nationalspieler, der ebenfalls im Winter verpflichtet wurde, harmonieren Sie im zentralen Mittelfeld bereits erstaunlich gut.

Rakitic: Ehrlich gesagt kannte ich Gary vorher gar nicht, bis er einen Tag vor mir den Vertrag unterschrieben hat und wir gemeinsam vorgestellt wurden. Richtig verständigen können wir uns leider nicht, aber der Beginn war vielversprechend. Das Zusammenspiel läuft erstaunlich gut und vielleicht können wir unseren Teil dazu beitragen, dass sich der Verein zumindest für die Europa League qualifiziert.

SPOX: Beim 1:1 gegen den FC Barcelona spielten Sie zunächst als Spielmacher und Medel sicherte ab, nach der Pause bildeten Sie mit ihm die Doppel-Sechs und leiteten mit einem Hackenpass den Ausgleich ein. War Ihre Vielseitigkeit ein wichtiges Kriterium für Ihre Verpflichtung?

Rakitic: Ich glaube schon. Heutzutage macht es mir nichts aus, etwas weiter vorne, hinten oder auf den Halbpositionen eingesetzt zu werden. Ich versuche, immer positiv an die Aufgabe heranzugehen.

SPOX: Gebührt Ihrem Ex-Trainer Felix Magath ein Dank, dass Sie sich unter ihm im Zweikampf derart verbessert haben, dass Sie gegen Barcelona sogar Andres Iniesta in den Griff bekamen?

Rakitic: Ich fand in der ersten Hälfte als Zehner schwer in die Partie, weil Barca dem Gegner die Luft zum Atmen nimmt. In der Pause haben wir dann abgesprochen, dass ich mich zurückziehe, um aus der Tiefe das Spiel zu organisieren und die Defensive zu stabilisieren. Gegen Iniesta sollte ich aggressiv rangehen, was ganz ordentlich geklappt hat, obwohl er einem mit seinen Bewegungen und Finten richtiggehende Schmerzen bereitet. Vor ein, zwei Jahren wäre es wohl nicht so gut ausgegangen. Magath hat mir sehr geholfen, eine neue Qualität in mir zu entdecken.

SPOX: Magath wurde mittlerweile entlassen. Aber wie eng sind Ihre Verbindungen zu Schalke?

Rakitic: Sehr eng, ich bin ja erst vor sieben Wochen gewechselt. Ich schaue mir natürlich alle Spiele im Fernsehen an und gehe richtig mit, so wie beim Achtelfinal-Rückspiel der Champions League gegen Valencia. Ich habe im Spaß sogar einen Streit mit meinen neuen Mitspielern angefangen, weil ich gesagt habe, dass Schalke definitiv weiterkommt und Manuel Neuer garantiert nicht mehr als ein Gegentor kassiert. Vor allem Torwart Andres Palop, der aus Valencia stammt, hat gegen mich gestänkert, aber er hat sich nicht getraut zu wetten. Glück für ihn, am Ende hatte ich auf ganzer Linie recht.

SPOX: Sie sagten noch auf Schalke, dass Neuer der weltbeste Torwart sei. Sind Sie weiterhin dieser Meinung?

Rakitic: Auf jeden Fall. Heutzutage bin ich mir sogar noch sicherer, dass es keinen Besseren gibt als Manuel, das wird mir in Spanien jede Woche bestätigt. Hier spricht zwar jeder über Iker Casillas, weil er bei Real Madrid spielt und die Weltmeisterschaft gewonnen hat, aber selbst er kommt nicht an Manuel heran. Der Rest ist nicht einmal ansatzweise in der Nähe von ihm. Manuels Ausstrahlung, seine Aura, das hat nicht einmal Casillas. Ich habe in Sevillas Kabine schon gesagt, dass ich gerne mal Manuel für zwei Tage herholen möchte, damit die anderen mal sehen, wie ein richtiger Torwart spielt. (lacht) Neuer ist mit Abstand die Nummer eins.

SPOX: Neben Neuer zeigte auch Ihr Freund Mario Gavranovic im Rückspiel gegen Valencia eine starke Leistung. Haben Sie seine Leistungsexplosion erwartet?

Rakitic: Er ist ein ganz besonderer Stürmer, nur seine körperliche Entwicklung hinkte lange Zeit hinterher, deswegen tat er sich in den ersten zwölf Monaten schwer. Aber ich wusste  immer, dass ihm der Durchbruch gelingt, wenn er die Defizite aufholt, deswegen habe ich ihm immer geraten, einfach weiterzuarbeiten und nie den Kopf hängen zu lassen. Er hat das beherzigt und immer Gas gegeben, jetzt bekommt er den verdienten Lohn.

SPOX: Gavranovics Form blieb in der Schweiz nicht unbemerkt: Nationalcoach Ottmar Hitzfeld hat Ihn nun nominiert. Gavranovic selbst tendierte offenbar zu Kroatien, doch er klagte über fehlende Wertschätzung des Verbands. Sie steckten in einem ähnlichen Dilemma und bekamen sogar Morddrohungen, als Sie sich für Kroatien entschieden. Halfen Sie ihm bei der Entscheidung?

Rakitic: In Kroatien gibt es viele Leute, die ihn unbedingt für die Nationalmannschaft gewinnen wollen, ich gehöre definitiv dazu. Aber ich wollte ihm gar nichts sagen. Die Situation ist für Mario so schon schwierig genug, ohne dass sich andere einmischen. Ich habe mir damals von keinem etwas einreden lassen und bin froh über meine Entscheidung, auch wenn ich danach eine schwere Zeit erlebt habe. Mario soll genauso in sich gehen und sein Herz sprechen lassen.

Schweiz, Schalke, Sevilla: Ivan Rakitic im Steckbrief

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