Alle gegen Inter: Italienische Revolution bei Juve

Von Christian Bernhard
Claudio Marchisio (M.) und Paolo De Ceglie (l.) sind zwei Eigengewächse von Juventus Turin
© Getty

Am Samstag startet in der italienischen Serie A die Jagd auf Meister und Triple-Sieger Inter Mailand. Die Roma, Milan und Juventus Turin wollen die Nerazzurri nach fünf Jahren vom Scudetto-Thron stoßen. Im Schatten dieses Trios hat der FC Genua um Luca Toni und Rafinha groß aufgerüstet. SPOX nimmt die fünf Klubs vor dem Saisonstart unter die Lupe.

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Inter Mailand

Was ist bisher passiert? Mourinho ist nicht mehr da, der Portugiese lässt sich nach getaner Mission seit Juli in Madrid fürstlich entlohnen. Ex-Liverpool-Coach Benitez hat die reizvolle, aber schwierige Aufgabe, die Nerazzurri nach der vergangenen Traumsaison zu weiteren Siegen zu führen. Titel Nummer eins wurde mit dem italienischen Supercup schon mal eingefahren.

Mit Balotelli hat nur ein Spieler, der in der vergangenen Saison ein Faktor war, das Team verlassen. Super-Marios Platz im Kader nimmt jetzt der pfeilschnelle Biabiany ein. Ex-Sampdoria-Keeper Castellazzi ersetzt Toldo (Karriereende) als Nummer zwei im Kasten. Ebenfalls neu ist der junge Brasilianer Coutinho (s. Shootingstar).

Was müsste noch passieren? Nicht viel. Benitez ist noch auf einer Suche nach einem Außenstürmer und eventuell einem linken Verteidiger, da sich Santon weiter mit Kniebeschwerden herumplagt. Kuyt ist als treuer Benitez-Untergebener ein heißer Kandidat für den Posten in der Offensive.

Shooting-Star der Saison: Coutinho. Der 18-jährige Brasilianer, der bereits mit 16 von Inter verpflichtet wurde und bis Saisonbeginn bei seinem Heimatverein Vasco da Gama in Ruhe reifen konnte, überzeugte im Trainingslager die komplette Inter-Familie, besonders Benitez und Präsident Moratti. Der dribbelstarke Offensivmann ist der erste Ersatz für Sneijder und wurde vergangene Woche von Brasiliens Nationalcoach Mano Menezes erstmals zu einem Trainingslager der Selecao einberufen.

Prognose: Inter ist und bleibt das Team, das es zu schlagen gilt. Die Nerazzurri haben so gut wie keine Qualität verloren und können auf eine äußerst solide Basis bauen. Scudetto Nummer sechs in Serie wird ihnen nur schwer zu nehmen sein.

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AS Rom

Was ist bisher passiert? Die Roma ist noch brasilianischer geworden. Zu den bereits vorhandenen sechs Samba-Kickern gesellten sich mit Adriano und Simplicio zwei weitere hinzu. Adriano ist die große Wette der Roma, behutsam wollen die Giallorossi den Imperator wieder an seine erfolgreichen Zeiten heranführen.

In der Abwehr ersetzt Rückkehrer Rosi den zu Juve gewechselten Motta als Backup für Rechtsverteidiger Cassetti. Castellini kommt auf Leihbasis aus Parma als Ersatzmann für Riise.

Was müsste noch passieren? Höchste Priorität genießt die Verpflichtung eines Innenverteidigers. Nicolas Burdisso, der vergangene Saison auf Leihbasis in der ewigen Stadt spielte, will unbedingt zurückkehren - und auch der Verein will ihn. Nur Inter stellt sich (bisher) quer und will mehr als die bisher gebotenen fünf Millionen Euro. "Der Verein weiß, dass dem Team noch etwas fehlt", sagte Coach Ranieri - und machte der Klubführung damit klar, dass er sich noch Verstärkungen erwartet.

Shooting-Star der Saison: Jeremy Menez. Momentan scheint es ausgeschlossen, dass Totti, Vucinic und Adriano als "tridente pesante" (schwerer Dreiersturm) gleichzeitig auf dem Platz stehen. Menez hat mit seiner leichtfüßigen und technisch hochwertigen Spielweise bewiesen, dass er gut zu Vucinic und Totti passt. Diese Saison könnte er explodieren - besonders nach seiner Einberufung in die französische Nationalmannschaft. "Jeremy hat Riesen-Potenzial, die Mannschaft und ich vertrauen ihm. Jetzt liegt es an ihm, seine Qualitäten unter Beweis zu stellen", sagte Ranieri.

Prognose: Für die Roma wird es schwierig, die Beinahe-Meistersaison zu wiederholen. Juve und Milan werden am Erster-Inter-Jäger-Thron, der zuletzt den Giallorossi zustand, kräftig sägen.

 

AC Milan

Was ist bisher passiert? Zweites Mailänder Team, zweiter neuer Coach: Ex-Cagliari-Coach Allegri soll die Rossoneri wieder zu Titeln führen. Viel neues Spieler-Material hat der 42-Jährige allerdings nicht zur Verfügung, in Milanello regiert der Rotstift. Allegris erster Wunsch war eine Verstärkung im Mittelfeld - bekommen hat er via Genua Kevin-Prince Boateng.

Der 22-jährige Papastathopoulos (kann zentral und außen spielen) verjüngt die Abwehr, mit Yepes kam ein Backup für Nesta und Thiago Silva im Abwehrzentrum. Amelia kam so wie Boateng und Papastathopoulos ebenfalls aus Genua und kämpft mit Abbiati um die Nummer-1-Position im Tor. Die Youngster Merkel, Oduamadi und Strasser haben Allegri, der gerne mit jungen Spielern arbeitet, in der Vorbereitung überzeugt. Gut möglich, dass diese Saison jede Menge frisches Blut durch die Milan-Adern fließt.

Massimiliano Allegri im SPOX-Porträt

Was müsste noch passieren? Das große Ziel heißt Ibrahimovic. Die Fans lechzen nach einem großen Namen, Galliani und Berlusconi versuchen alles, den Schweden zurück nach Mailand zu holen. Im Angriff gibt es in der Tat noch Nachholbedarf, allerdings eher auf den Flügeln. Ein Außenstürmer, der Pato oder Ronaldinho bei Bedarf ersetzen kann, täte gut. Mit Huntelaar und Inzaghi hat Allegri bereits zwei zusätzliche Mittelstürmer in der Hinterhand.

Shooting-Star der Saison: Pato. Vergangene Saison verpasste der Youngster 15 Ligaspiele, immer wieder plagten in Verletzungssorgen. Bleibt er gesund, wird er in seinem dritten Jahr bei Milan so richtig durchstarten - auch weil Brasiliens Nationalcoach Menezes voll auf ihn baut. Seine Schnelligkeit und Technik sind überragend - und nicht vergessen: Obwohl er schon lange im Konzert der Großen mitspielt, ist er trotzdem erst 20 Jahre alt.

Prognose: Der Titel wird nur sehr schwer zu holen sein - außer Ibra kommt. Mit Pato, Ibrahimovic und Ronaldinho sind die Scudetto-Träume erlaubt.

 

Juventus Turin

Was ist bisher passiert? So viel, wie bei keinem anderen der Topteams. Mit Trainer Delneri und Sportdirektor Marotta wurde die sportliche Leitung komplett ausgetauscht, im Schlepptau kamen mit Storari, Bonucci, Motta, Aquilani, Pepe, Krasic, Martinez und Lanzafame gleich acht neue Spieler, sechs davon Italiener. Nummer sieben wird wohl Torschützenkönig Di Natale sein. In Turin geht eine italienische Revolution über die Bühne. Poulsen, Cannavaro und Giovinco (an Parma ausgeliehen) wurden abgegeben.

Delneri ist bekannt für sein 4-4-2-System, deshalb kamen mit Krasic, Pepe, Martinez und Lanzafame gleich vier Spieler für die Außenpositionen. Diego und Trezeguet stehen vor dem Abschied, der erste aus monetären und taktischen, der zweite aus Alters- und Gehaltsgründen.

Was müsste noch passieren? Höchste Priorität genießt die Suche nach einem Innenverteidiger Nummer drei und einem Mann für links hinten. Für die zentrale Position zirkulieren die Namen von Burdisso, Barzagli, Bocchetti und Demichelis. Ein Tauschgeschäft Grosso-Kaladze mit Milan steht ebenfalls im Raum. Weltmeister Capdevila ist der heißeste Name für den Linksverteidigerposten.

Shooting-Star der Saison: Leonardo Bonucci. 56 Gegentore kassierten die Bianconeri in der abgelaufenen Saison, nur fünf Serie-A-Teams waren schlechter. Delneris Spielweise und Neuzugang Bonucci werden dafür sorgen, dass das nicht wieder passiert. Der 23-Jährige nimmt den Platz von Cannavaro in der Abwehrmitte neben Fixpunkt Chiellini ein - sowohl bei Juve, als auch in der Nationalmannschaft. Zusammen mit Ranocchia ist er der talentierteste Innenverteidiger Italiens.

Prognose: Nach der katastrophalen letzten Saison wurde in Turin der große Schnitt gemacht. Delneri steht für soliden, ausgewogenen Fußball. Juve hat das Potenzial, die Roma und Milan hinter sich zu lassen. Inter ist noch nicht in Reichweite.

 

FC Genua

Was ist bisher passiert? Was ManCity in England ist, ist der FC Genua in Italien. Der Klub aus Ligurien hat auf dem Transfermarkt ganz groß zugeschlagen: Toni, Rafinha, Veloso, Eduardo, Zuculini und Chico unterschrieben bei den Rot-Blauen, dazu kehrte Ranocchia an die Basis zurück. Außerdem wurde KP Boateng verpflichtet - und gleich an Milan weiterverliehen.

Über 30 Millionen Euro hat Boss Preziosi locker gemacht, mit Ausnahme von Papastathopoulos verließ kein Leistungsträger das Team.

Was müsste noch passieren? Die Frage muss wohl eher heißen: Was soll denn noch passieren? Der Kader ist sowohl qualitativ als auch quantitativ sehr gut aufgestellt. Coach Gasperini wird seine liebe Not und Mühe haben, alle Mann bei Laune zu halten.

Shooting-Star der Saison: Klar, Luca Toni ist kein junger Hecht mehr. Aber Gasperinis 3-4-3-System mit zwei schnellen, dribbelstarken Außenstürmern und einem Stoßstürmer scheint wie geschaffen für den Ex-FCB-Stürmer zu sein.

Nach einem schwierigen Halbjahr in Rom brennt Toni darauf, allen Kritikern zu zeigen, dass er immer noch ein Knipser ist. In Genua gibt es die Voraussetzungen dafür: In der Saison 08/09 traf Milito 24 Mal für Genua, die Spielzeit davor Borriello 19 Mal. 15 Tore sind auch für Toni möglich.

Prognose: Die Qualifikation für die Europa League ist mit diesem Kader ein Muss. Da sich das Team im Gegensatz zu allen anderen Spitzenteams nur auf die Liga konzentrieren kann, ist auch Platz vier nicht unmöglich - aber immer noch sehr schwierig, denn Palermo, Napoli und die Fiorentina werden auch ein gewichtiges Wort im Kampf um die Spitzenplätze mitreden.

Supercup: Benitez setzt Inters Titeljagd fort