Ajax Amsterdam: Beste Waffenschmiede der Welt

Von Matthias Kerber
Beim letzten CL-Triumph von Ajax 1995 standen neun Spieler aus der eigenen Jugend auf dem Platz
© Getty

Wenn die europäischen Topklubs auf Shoppingtour gehen, sind sie häufig in Amsterdam zu finden. Die Ajax-Jugendausbildung ist eine der besten der Welt, aber trotz eines schier unerschöpflichen Reservoirs an jungen Weltklasseleuten macht der immer schnellere Aderlass Ajax zu schaffen.

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Ajax war einer der Haupthelden während des Trojanischen Kriegs. Nach Homer war Ajax riesig, viel größer als andere. Auch der Fußballklub Ajax Amsterdam - der sich nach dem griechischen Helden benannt hat - ist riesig.

Riesig, wenn es darum geht, Talente in Stars zu verwandeln.

Der Klub blickt auf eine fast 40-jährige Erfolgsgeschichte in der Ausbildung junger Fußballer zurück. In der Champions-League-Saison 2005/2006 stellten die Spieler, die eine Ausbildung bei Ajax genossen hatten, den größten Anteil - noch vor Spielern, die bei Real Madrid und dem FC Barcelona geschult worden waren.

Für Ajax geht es beim Fußball aber nicht nur um den persönlichen Erfolg, sondern vielmehr auch um die Umsetzung einer Philosophie, ein geteiltes Erbe und Kultur.

Zukunft im Schatten der Arena

Im Schatten der Amsterdam Arena, die von außen eher wie ein Raumschiff als ein Trainingszentrum aussieht, liegt das Herzstück der Ajax-Talentschmiede, "De Toekomst" (Die Zukunft). Der Ort wurde mit Bedacht gewählt. Die Junioren können und sollen bei jeder Trainingeinheit die Arena sehen, in der sie selbst einmal als Profi spielen wollen.

Seit den 60er Jahren betreibt Ajax eine professionelle Jugendausbildung. Das Trainingszentrum "De Toekomst" ermöglicht es dem Klub, die Entwicklung junger Talente effektiver und besser voranzutreiben. Der Komplex ist seit 1996 in Betrieb und wurde durch die Extraeinnahmen des Champions-League-Gewinns 1995 finanziert.

Dank eines jährlichen Millionenbudgets verfügt das Ausbildungszentrum über rund 240 Spieler im Alter zwischen sieben und 19 Jahren. Der Klub ist zudem mit insgesamt sieben Mannschaften in den nationalen Meisterschaften vertreten.

Lieber Talente aus der Umgebung

Die Scoutingabteilung aus 40 freiwilligen und vier Teilzeit-Mitarbeiten scannt regelmäßig in einem Umkreis von 60 bis 80 Kilometern die Fußballplätze in der Umgebung von Amsterdam und hält Ausschau nach talentierten Kickern.

"Wir glauben an unsere eigene Kultur und es ist nicht unsere Überzeugung, uns junge Spieler im Ausland zu suchen", erklärt Jan Olde Riekerink, Leiter des Jugendzentrums. Die Spieler sollen möglichst lange in der Familienatmosphäre aufwachsen und sich entwickeln. Ajax besitzt kein Internat.

Im Bedarfsfall stehen dem Klub Gastfamilien zur Verfügung, die Jugendliche aufnehmen. Die jungen Spieler leben bei ihren Gastfamilien und gehen auch dort zur Schule.

Dennoch hat auch Ajax sein Scoutingnetz nach Südafrika und in die USA ausgeworfen und dort den Satelliten-Klub Ajax Cape Town gegründet sowie Ableger in den USA. Steven Pienaar schaffte so den Sprung in die niederländische Hauptstadt, nachdem er auf den Radarschirmen dieser Ajax-Außenposten aufgetaucht war.

Bei den Satelliten-Klubs trainiert man nach den an der Amsterdamer Akademie gültigen Grundsätzen afrikanische und amerikanische Talente. Ziel ist es, junge Spieler nach Europa zu holen, die sich fußballerisch nahtlos in das Ajax-Spielsystem einfügen können.

Knallharter Auswahlprozess

Um überhaupt einmal Ajax-Luft schnuppern zu dürfen, gilt es allerdings die erste Hürde zu überwinden und die Scouts zu überzeugen. Die Aufnahmekriterien werden mit dem Wort TIPS abgekürzt, ein Akronym für Technik, Intelligenz, Persönlichkeit und Schnelligkeit.

Außergewöhnliche Talente werden von der Scoutingabteilung zunächst den fünf Topscouts gemeldet, welche die Kandidaten erneut einem Leistungstest unterziehen. Erst wer danach ein sechswöchiges Probetraining erfolgreich absolviert hat, schafft es in den ehrwürdigen Kreis der Ajax-Jugendakademie.

An den Wänden von "De Toekomst" hängen die Zeugnisse Amsterdamer Erfolge mit den dazugehörigen Gesichtern. Sie sollen als Motivation und Ansporn dienen. Die Ajax-Philosophie ist allgegenwärtig und wabert wie ein unsichtbarer Nebel über das Gelände und zieht in jede Ritze und jede Pore. Das ist die Luft, die die Talente täglich in sich aufsaugen.

"Das kann man nicht mehr als 17-Jähriger lernen"

Die hoffnungsvollen Talente müssen sich in der Ausbildung von Anfang an beweisen. Schonfristen gibt es nicht. Ein entscheidendes Moment in der Ausbildung ist das Zusammenspiel zwischen Kopf und Auge.

Gerald Vanenburg, der selbst bei Ajax ausgebildet wurde und mit den Niederlanden 1988 Europameister wurde, drückt das im Gespräch mit SPOX so aus: "Für einen Spieler muss es eine Selbstverständlichkeit sein, dass er das Spielgeschehen richtig einschätzt, Situationen antizipiert und dementsprechend handelt. Das kann man nicht mehr als 17-Jähriger lernen. Diese Grundlagen müssen bereits in der Jugend gelegt werden und den Spielern in Fleisch und Blut übergehen."

Hier geht's zum 2. Teil: Der Übergang vom Jugend- zum Profifußball