"So eine Stimmung hatten wir selbst 2006 nicht"

Von Interview: Leonie Dowidat
DB Schülerreporterin Leoni Dowidat traf Karl-Heinz-Körbel im Stadion in Frankfurt
© DB

Redakteure, mySPOX-User, Facebook-Fans und SPOX-Reporter vor Ort: Hier kommen alle zu Wort - und jeder schreibt tatsächlich über Frauen-Fußball. Buntes, Randnotizen und persönliche Erlebnisse zur WM 2011. Diesmal plaudert WM-Botschafter und Rekordbundesligaspieler Karl-Heinz Körbel aus dem Nähkästchen: Wie kam ein "echter Kerl" wie er zum Frauenfußball? Gegen welche Frau muss auch ein gelernter Vorstopper wie er sich im Kopfballduell strecken? Und warum sperrt Heribert Bruchhagen am Spieltag sein Büro zu?

Cookie-Einstellungen

DB Schülerreporter: Herr Körbel, in 602 Bundesligaspielen haben Sie sich den Ruf als harter Vorstopper und echter Kerl erarbeitet? Wie kamen Sie nun plötzlich zum Frauenfußball?

Karl-Heinz Körbel: Ich wurde im November letzten Jahres von Petra Roth, der Frankfurter Oberbürgermeisterin, angesprochen, ob ich mir vorstellen könnte, Botschafter für die Frauen-WM zu werden. Ich wollte natürlich Frankfurt bei dieser Aufgabe unterstützen und habe zugesagt. Allerdings habe ich anfangs gar nicht so viel von diesem Posten als Städtebotschafter erwartet. Ich dachte, ich gebe im Grunde meinen Namen für das Projekt her und das war es dann. Hätte mir jemand erzählt, was da auf mich zukommt - ich hätte es nicht für möglich gehalten.

DB Schülerreporter: Doch dann kam die erste Veranstaltung...

Körbel: Ja, zusammen mit Steffi Jones und Frau Roth haben wir auf dem Weihnachtsmarkt die ersten Karten verkauft. Frau Roth ist wirklich mit einer großen Karte rumgelaufen und hat immer wieder gerufen: "Kauft Karten für die Frauen-WM!" Ich dachte, das gibt es doch gar nicht! Doch dann hat sich plötzlich so eine Eigendynamik entwickelt. Man hat wirklich gespürt, dass die Stadt Frankfurt komplett dahintersteht. Sie ist mit einer solchen Leidenschaft dabei, die Frauen-WM zu verkörpern! Und da ist dann auch der Funke zu mir übergesprungen. Ich glaube, ich hatte über 40 Veranstaltungen seit dieser Zeit. Das Spiel gegen Nigeria war allerdings das erste Länderspiel, das ich live im Stadion sehen konnte. Und wenn man sieht, was hier los war, das ist schon toll. Die Stimmung ist fantastisch, so etwas gab es selbst bei der WM 2006 nicht.

DB Schülerreporter: Im Ernst?

Körbel: Ungelogen! Ich war zum Beispiel am Nachmittag vor dem Spiel noch in der Geschäftsstelle der Eintracht. Die war wie leergefegt. Die waren alle draußen am Stadion. Selbst Heribert Bruchhagen hat um 15 Uhr sein Büro zugemacht.

DB Schülerreporter: Aber wie präsent ist der Frauenfußball in Frankfurt, wenn gerade keine WM ist.

Körbel: Frankfurt war mit dem SG Praunheim einer der Wegbereiter des deutschen Frauenfußballs. Auch die Nationalmannschaft wird schon seit Jahren vom 1.FFC Frankfurt geprägt - der Verein stellt fast alle der entscheidenden Spielerinnen. Deshalb erzielt der FFC auch die besten Zuschauerzahlen - auch in Zeiten, in denen sich angeblich kein Mensch für den Frauenfußball interessiert hat.

DB Schülerreporter: Sie sind hier in Frankfurt eine Fußballikone. Birgit Prinz, der Star des 1. FFC Frankfurt, ist im Prinzip Ihr weibliches Pendant. Haben Sie sie schon kennengelernt?

Körbel: Wir haben sogar schon öfter miteinander gespielt, auch zusammen mit Steffi Jones und Nadine Angerer im Tor. Deren Vorgängerin Silke Rottenberg hat vor kurzem bei uns in der Traditionsmannschaft gespielt. Diese Frau ist fußballtechnisch eine echte "Maschine"; es war unglaublich, wie sie sich in dieses Spiel rein gearbeitet hat. Wie Nadine Angerer: Sie ist auch so eine "Besessene", die unglaublich motivieren kann. Und wenn Steffi Jones zum Kopfball geht, da muss ich mich schon ganz schön strecken. Das ist fast wie bei uns damals in der Bundesliga. Birgit Prinz dagegen ist eher ein schüchterner Mensch, eine Art Dirigent im Hintergrund. Vielleicht hat sie bis jetzt noch nicht überzeugt, aber sie tut instinktiv immer das Richtige für die Mannschaft. Das weiß auch Silvia Neid und deswegen lässt sie sie auch spielen. Birgit wird schon noch ihre Tore machen.

DB Schülerreporter: Die Offensive ist ja auch das Prunkstück. In der Defensive sah die DFB-Elf aber nicht immer stabil aus. Gerade gegen Kanada...

Körbel: Ich glaube nicht, dass wir wirklich eine Schwäche in der Abwehr haben. Die Mannschaft war einfach zu leichtsinnig, zu siegessicher: Immerhin stand es ja 2:0 und es hätte auch 5:0 stehen können. Man verliert schnell die Konzentration, wenn das Ergebnis so eindeutig ist. Da kann es schon vorkommen, dass man glaubt, es kann gar nichts mehr passieren. Und dann geschehen eben genau solche Fehler. Das kann allen passieren, auch einem FC Barcelona.

DB Schülerreporter: Wie beurteilen Sie insgesamt das Niveau der bisher ausgetragenen Spiele?

Körbel: Die deutsche Nationalmannschaft ist einfach die Mannschaft, die am besten ausgebildet ist und somit vom fußballerischen Niveau am meisten bieten kann. Es gibt allerdings immer noch große Lücken, wenn man sich die anderen Mannschaften ansieht. In dieser Beziehung muss man einfach noch arbeiten, um diese Unterschiede zu verringern.

DB Schülerreporter: Das gilt allerdings auch für die Liga hier in Deutschland...

Körbel: Richtig, es müssen auch Bundesligavereine den Mut haben, wie Bayern München und Wolfsburg ihre Frauenmannschaften aufzurüsten, um ein besseres Niveau in der Frauenbundesliga zu erzielen. Ich freue mich natürlich auch, dass durch die Frauen-WM viele junge Mädchen den Mut bekommen, in die Vereine einzutreten. Auch bei uns in der Fußballschule der Eintracht haben wir momentan sechs bis zehn Mädchen. Es ist toll, dass sie den Mut haben, zusammen mit den Jungs zu trainieren.

DB Schülerreporter: Obwohl sich die körperlichen Voraussetzungen schnell auseinanderentwickeln, weshalb der ständige Vergleich zwischen Männer- und Frauenfußball auch hinkt...

Körbel: Absolut! Da darf man einfach keine Vergleiche ziehen. Das wäre Unsinn. Und jeder der mal selbst ernsthaft Fußball gespielt hat, müsste eigentlich wissen, welche Rolle die körperlichen Voraussetzungen spielen. Der Frauenfußball ist außerdem noch sehr jung, hat sich seit seinen Anfängen aber wirklich positiv entwickelt. Auch die Jugendarbeit hat sich ungemein verbessert. Von der WM wird der deutsche Frauenfußball noch einmal profitieren. Bei der WM 2006 konnte man ja sehen, wie das Turnier der Bundesliga geholfen hat: Man hatte wieder neue Stadien und Möglichkeiten, die man ansonsten gar nicht hätte finanzieren können. Und genau deshalb müssen unsere Frauen versuchen, Weltmeister zu werden: Einfach, um die Euphorie mitzunehmen.

DB Schülerreporter: Apropos Euphorie: Wenn Sie hier die Stimmung spüren, die Mannschaft erleben, den Rasen riechen - bekommen Sie da nicht Lust, noch einmal die Stiefel zu schnüren.

Körbel: Klar, die Lust zum Fußballspielen ist eigentlich immer geblieben. Und während der WM habe ich jetzt auch die Möglichkeit bei vielen Veranstaltungen mitzuspielen.

DB Schülerreporter: Und wie reagieren die Fans - worauf werden Sie am häufigsten angesprochen?

Körbel: In meiner Karriere gab es viele Spiele, die für mich persönlich sehr wichtig waren. Der UEFA-Cup-Sieg beispielsweise oder die DFB-Pokalsiege. Das sind auch die Dinge, auf die man immer wieder angesprochen wird. Für viele Menschen lebt die Mannschaft von damals durch diese Erfolge einfach weiter.

WM 2011 - der Spielplan