Eduardo Camavinga von Real Madrid: Ungewollter Aufstieg zum derzeit besten Linksverteidiger der Welt

Von Tim Ursinus
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Eduardo Camavinga von Real Madrid hat die in dieser Spielzeit wohl explosionsartigste Entwicklung in Europas Spitzenfußball hinter sich. Dabei lässt ihn Trainer Carlo Ancelotti gar nicht auf seiner bevorzugten Position spielen.

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Im Halbfinal-Hinspiel sorgte Camavinga für regelrechte Verzweiflung bei Manchester City - jedoch nicht in seiner angestammten Rolle als zentraler Mittelfeldspieler, sondern auf der linken Abwehrseite. Was durch die erneute Verletzung von Ferland Mendy erst ein notgedrungenes Experiment war, hat sich längst als ein waschechter Glücksgriff entpuppt.

Die spanischen Presse feierte Camavinga bereits als derzeit besten Linksverteidiger der Welt, beim 1:1 gegen die Skyblues untermauerte er diesen Status auf höchstem Niveau eindrucksvoll. Bernardo Silva prallte regelmäßig an ihm ab. Vielmehr war der Portugiese aber in der Defensive gefordert.

Camavinga dribbelte immer wieder weit in die gegnerische Hälfte, tänzelte seine Gegenspieler trotz seiner 1,82 Meter mit seinem explosiven Antritt leichtfüßig aus und avancierte mit seinen 20 Jahren und 180 Tagen nebenbei zum jüngsten Assistgeber in einem Semifinale der Champions League: Nach einem Doppelpass mit Luka Modric holte er zu einem unwiderstehlichen Solo aus und bediente Vinícius Júnior.

Die Leistungsexplosion erinnert an Alphonso Davies, als der damalige Linksaußen aufgrund ähnlicher Umstände in der Saison 2019/20 eine Reihe weiter hinter seinen großen Durchbruch und maßgeblichen Anteil am Triple des FC Bayern hatte. Anders als Münchens Publikumsliebling hat Camavinga aber gar keine Lust auf seine aktuelle Rolle.

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Eduardo Camavinga: Keine Lust auf Linksverteidiger

"Nein, immer noch nicht", antwortete Camavinga kurz und und knapp auf die Fragen der Journalisten, ob er denn Gefallen am Linksverteidiger-Dasein gefunden habe. Schon bei der Weltmeisterschaft in Katar war er vereinzelt für Frankreichs Nationalmannschaft hinten links gefragt. Langfristig sieht er sich aber im zentralen Mittelfeld.

In der Akademie seines ehemaligen Klub Stade Rennes hatte er nach eigener Aussage nur "30 Minuten" auf seiner ungeliebten Position gespielt. Bei dem Ligue-1-Klub war der in einem Flüchtlingslager in Angola geborene Camavinga bereits mit 16 Jahren Stammspieler im Mittelfeld, ehe er er im Sommer 2021 für in Supertalent-Sphären lächerliche 31 Millionen Euro an die Conacha Espina wechselte und sich unter anderem gegen den FC Bayern entschied.

Nun macht Camavinga - bis auf ein paar wenige Ausnahmen in LaLiga - schon seit Wochen nichts anderes. Derart souverän, dass sich daran auch vorerst nichts ändern wird. Entsprechend fiel auch der Konter von Ancelotti auf seinen Spieler aus: "Er mag es nicht - wir schon." Eine dauerhafte Anstellung als Linksverteidiger droht ihm allerdings nicht.

Eduardo Camavinga: Keiner spielte öfter bei Real Madrid

"Für mich kann er auf dem Platz überall spielen. Wenn ich ihn als Mittelstürmer aufstelle, erfüllt Camavinga seinen Job. Wenn ich ihn als Innenverteidiger aufstelle, erfüllt er seinen Job, denn er hat etwas Besonderes. Mit seinen Eigenschaften ist er ein besonderer Spieler", erklärte Ancelotti. Dass der Italiener viel von seinem Schützling hält, spiegelt sich in Camavingas Einsätzen wider. Mit 54 von 56 möglichen Auftritten wurde in dieser Saison kein Real-Profi häufiger eingesetzt - eine Partie verpasste er wegen einer Gelbsperre.

In der Hinrunde hatten die Königlichen noch ausschließlich mit dem Mittelfeldspieler Camavinga, der meist von der Bank kam, geplant. Leistungsschwankungen verhinderten einen Stammplatz in der hochdekorierten Real-Zentrale aber. Ein Umstand, der ihm trotz vielversprechender Ansätze schon in seiner Premierensaison zum Verhängnis wurde.

Doch auf lange Sicht gibt es nur ein Zuhause für Camavinga: das Mittelfeld. Daran würde auch eine Verpflichtung von Jude Bellingham nicht viel ändern. Schließlich neigt sich die Ära von Toni Kroos und Luka Modric, obwohl deren auslaufende Verträge dem Vernehmen nach um ein Jahr verlängert werden, dem Ende zu.

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Eduardo Camavinga: Lebenslang Real Madrid?

Dann kann Camavinga seine beeindruckende Athletik und Technik noch besser zur Geltung bringen. Zur ganzen Wahrheit gehört jedoch, dass er in Sachen Stellungsspiel und Passgenauigkeit noch ein bisschen Luft nach oben hat. Schwächen, die ihm auch als Linksverteidiger Probleme machen - so auch beim Ausgleichstreffer von Manchester City.

Dem Traumtor von Kevin De Bruyne war ein schlampiger Pass Camavingas in die Mitte vorausgegangen. Sein Zweikampfverhalten, die begnadeten Dribblings und sein feines Füßchen überwiegen jedoch. Um die Defizite auszumerzen, ist Spielpraxis freilich die beste Methode. Egal in welcher Form. Außerdem bleibt ihm wohl noch jede Menge Zeit in Madrid.

Camavingas Vertrag läuft noch bis 2027 in Madrid, sein Berater öffnete aber bereits die oberste Schublade. "Er will ein Spieler von Real Madrid sein und für den Rest seines Lebens das weiße Trikot tragen", erklärte Jonathan Barnett im April gegenüber SPOX und GOAL. An einer Vertragsverlängerung wird bereits gearbeitet, im Raum steht eine Ausstiegsklausel von einer Milliarde Euro.

Eduardo Camavinga: Ungewollte Schlüsselfigur

Bleibt Camavinga tatsächlich seine gesamte Karriere beim weißen Ballett, könnte er sich zu den größten Titelsammlern gesellen. Durch den Gewinn der Copa del Rey vor einigen Wochen hat er bereits jeden möglichen Pokal mit Real Madrid abgestaubt.

Bevor vom zweiten Henkelpott in der Vitrine geträumt werden darf, muss zunächst Manchester City aus dem Weg geräumt werden. Für das Rückspiel am Mittwoch (21 Uhr im Liveticker) ist er laut Ancelotti trotz leichter Knieprobleme in den vergangenen Tagen fit. Schon jetzt ist klar: Setzt sich Real durch und geht auch als Sieger im Endspiel hervor, war Camavinga eine Schlüsselfigur - wenn auch nicht ganz wie gewollt.

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Real Madrid: Spieler mit den meisten Einsätzen

  • Alle Zahlen stammen von transfermarkt.de
SpielerEinsätzeMinuten
Eduardo Camavinga543.298
Vinícius Júnior524.549
Federico Valverde524.191
Rodrygo523.526
Antonio Rüdiger483.545