Peter Schmeichel im Interview: "Das CL-Finale war unser schlechtestes Spiel 1999"

Von Interview: Thomas Gaber
Peter Schmeichel gewann 1999 mit United die Champions League.
© getty

Am 26. Mai 1999, also heute vor genau 21 Jahren, hat der FC Bayern im Champions-League-Endspiel dramatisch mit 1:2 gegen Manchester United verloren. Im Interview mit SPOX und Goal erinnert sich der damalige Red-Devils-Torhüter Peter Schmeichel an Sir Alex Fergusons Taktik-Experiment, Bayerns Pfosten- und Lattentreffer und provokanten Jubel.

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Dieses Interview wurde bereits 2012 erstmals veröffentlicht

SPOX: Peter, was fällt Ihnen spontan zum Champions-League-Finale 1999 ein?

Peter Schmeichel: Wir haben gewonnen.

SPOX: Richtige Antwort. Aber wie wär's mit "Drama", "Sheringham" oder "Solsjkaer"?

Schmeichel: Passt alles. Aber bei all dem Drama darf man eins nicht vergessen: Wir haben damals sehr schlecht gespielt. Wir haben in der Saison 1998/99 eigentlich sehr viele gute Spiele gemacht. In der ersten Saisonhälfte waren wir noch nicht so konstant, 1999 dafür aber nahezu unschlagbar. Und dann mussten wir in Barcelona gegen die Bayern ohne Roy Keane und Paul Scholes auskommen.

SPOX: Worauf Alex Ferguson seine Aufstellung total durcheinanderwarf. David Beckham spielte auf einmal links....

Schmeichel: Sir Alex musste sich ja was überlegen, wie die zwei Ausfälle zu kompensieren sind. Roy und Paul waren absolute Leistungsträger. Roy war unser Kapitän und Leader. Sir Alex hat sich dann für Nicky Butt und Jesper Blomqvist im Mittelfeld entschieden. Wir dachten, vielleicht können wir die Bayern ja überraschen mit unserer Aufstellung.

SPOX: Was am Anfang nicht wirklich gelungen ist.

Schmeichel: Es ist überhaupt nicht gelungen. Wir kamen nie in unseren gewohnten Rhythmus. Wir haben es nicht geschafft, Roy und Paul zu ersetzen. Ich denke, das CL-Finale war unser schlechtestes Spiel 1999.

SPOX: Und dann haben die Bayern auch noch früh geführt.

Schmeichel: Große Torchancen hatten die Bayern nicht. Wir haben schlecht nach vorne gespielt, aber wenigstens hinten wenig zugelassen. Die Bayern brauchten einen Freistoß für ihr Tor. Der war raffiniert geschossen.

SPOX: Es waren nach dem 0:1 aus Manchesters Sicht noch 84 Minuten zu spielen.

Schmeichel: Klar, das war unser Vorteil. Aber wir sind nie ins Spiel gekommen, hatten kaum brauchbare Aktionen in der Offensive.

SPOX: Die Bayern schon. Da gab es erst einen Pfostentreffer von Mehmet Scholl...

Schmeichel: Den hab' ich schon drin gesehen. Das war ein klasse Chip, da kam ich nicht mehr ran und war umso glücklicher, dass der Ball an den Pfosten ging und mir dann in die Arme sprang.

SPOX: Wenig später traf Carsten Jancker per Fallrückzieher die Latte.

Schmeichel: Da habe ich schon im Ansatz gesehen, dass der nicht rein geht. Jancker stand ja auf Höhe der Fünfmeterlinie und ich mehr oder weniger auf der Torlinie. Der konnte nicht rein gehen, dafür flog der Ball zu steil nach oben. Letztendlich war's dann egal, ob der Ball drüber geht oder an die Latte.

SPOX: Hand aufs Herz: Haben Sie in der Schlussphase noch an den Sieg geglaubt?

Schmeichel: Nachdem die Bayern ihre Chancen nicht genutzt hatten, wusste ich, die schießen heute kein zweites Tor mehr. Wir waren so schlecht; die Bayern hätten längst das 2:0 machen müssen. Dann wär' das Ding gelaufen gewesen.

SPOX: Und dann gab's in der Nachspielzeit eine Ecke für Manchester. Sie sind aus dem Tor in den Bayern-Strafraum gestürmt.

Schmeichel: Es war ja egal, ob wir 1:0 oder 2:0 verlieren. Ich wusste, das wird unsere letzte Chance, ein Tor zu schießen. Also bin ich nach vorne gelaufen - es hat sich gelohnt.

SPOX: Sie sind zum Kopfball hochgesprungen. Der Ball kam zu Thorsten Fink, dessen Befreiungsschlag landete bei Giggs.

Schmeichel: Und dann war da eben diese kleine Lücke für Teddy Sheringham. Wir hatten sicher auch ein bisschen Glück.

SPOX: Wie haben Sie die Sekunden danach erlebt?

Schmeichel: Ich habe mich natürlich gefreut, aber nicht mit den Jungs gejubelt, sondern bin sofort zurück in mein Tor gelaufen. Ich habe mir immer wieder gesagt: Jetzt konzentrier' dich und pass' bloß auf, dass du in der Verlängerung keinen Fehler machst. Damals gab es ja das Golden Goal und ein Fehler von mir wäre möglicherweise das Aus gewesen.

Peter Schmeichel besiegte den FCB im Champions-League-Finale 1999 in einem dramatischen Spiel.
© getty
Peter Schmeichel besiegte den FCB im Champions-League-Finale 1999 in einem dramatischen Spiel.

SPOX: Sie gingen also auch von einer Verlängerung aus.

Schmeichel: Natürlich, der Schiedsrichter wollte ja nach unserer Ecke, die zum 1:1 geführt hat, abpfeifen.

SPOX: Es kam aber alles anders...

Schmeichel: Ich habe überhaupt nicht mitbekommen, dass wir noch eine Ecke kriegen. Auch das Tor habe ich live gar nicht gesehen. Ich war so sehr mit mir selbst beschäftigt. Auf einmal haben die Leute geschrien, ich habe mich umgedreht und registriert: Oh, wir führen 2:1.

SPOX: Sie haben spontan getanzt und ein Rad geschlagen. Ein paar Freunde von mir, alles Bayern-Fans, standen hinter Ihrem Tor und mussten das mit ansehen.

Schmeichel: Habe ich Ihre Freunde provoziert?

SPOX: Die waren zu geschockt.

Schmeichel: Sie konnten sich ja zwei Jahre später über den Titel in der Champions League freuen. Ich habe mich 2001 gefreut, dass einige Bayern-Spieler, die 1999 dabei waren, dann auch feiern durften.