"Dann werde ich richtig ungemütlich!"

Von Interview: Stefan Moser
jose Mourinho, Inter Mailand
© Getty

Jose Mourinho gehört zu den charismatischsten Persönlichkeiten im europäischen Klubfußball. Weil er darüber hinaus auch zu den erfolgreichsten Trainern der vergangenen Jahre zählt, war er nach seiner überraschenden Entlassung beim FC Chelsea im Sommer plötzlich bei fast allen Top-Klubs zwischenzeitlich als neuer Trainer im Gespräch. Der smarte Portugiese entschied sich schließlich für Inter Mailand und wechselte nach Italien.

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Eine neues Land, eine neue Sprache, eine neue Kultur - aber immer noch die alten Ansprüche: Der Meistertitel soll es sein und endlich auch der Champions-League-Pokal für Inter.

Dafür muss sich aber auch Mourinho zunächst durch die Gruppenphase kämpfen. Am Mittwoch (20.30 Uhr im SPOX-TICKER) erwarten die Mailänder Werder Bremen zum 2. Spieltag der Gruppe B.

Vorher sprach SPOX mit dem 45-Jährigen über die Qualität der Serie A, seinen Umgang mit internationalen Top-Stars, sein Verhältnis zu Roman Abramowitsch und seine Meinung zur Bundesliga allgemein und speziell Werder Bremen.

SPOX: Jose Mourinho, in den 90ern war Italien das Maß aller Dinge im europäischen Fußball. Mittlerweile stehen im UEFA-Ranking nur noch zwei Klubs unter den Top Ten. Wie sehen Sie die Serie A im Vergleich zu den anderen europäischen Top-Ligen?

Jose Mourinho: Der italienische Fußball ist wieder auf dem Weg ganz nach oben. Aber ich sage immer schonungslos die Wahrheit und die lautet: Im Moment ist die Serie A nicht die beste Liga der Welt. Da sehe ich die Premier League und die Primera Division noch vor Italien. Aber: So wie mein Klub Inter Mailand sich verbessern wird, wird auch die Serie A wieder nach oben kommen und schon bald wieder ihr Top-Level erreichen.

SPOX: Sie sehen sich als Trainer des Meisters also auch in einer größeren Verantwortung?

Mourinho: Aber klar. Auch ich muss persönlich meinen Teil dazu beitragen. Nur: An erster Stelle steht natürlich Inter. Die Mannschaft hat letzte Saison den Titel geholt, weil sie großartigen Fußball gespielt hat - bis auf die letzten zwei Monate. Doch die Voraussetzungen sind da, um aus dem Team noch mehr heraus zu holen.

SPOX: Ein Klischee besagt, dass das italienische Spiel langsamer und damit auch langweiliger sei als in Spanien oder in England. Ist der Unterschied so groß?

Mourinho: Sie müssen das so sehen: Eine Mannschaft, die den Titel in England holt, würde ihn in Spanien nicht holen. Ebenso würde der spanische Meister in der Premier League nichts gewinnen. Es sind völlig verschiedene Wettbewerbe. Also muss man flexibel sein und sich an den Charakter und die Art des Fußballs des jeweiligen Landes anpassen. Wenn ich in Italien tätig bin, kann ich mein Team nicht spielen lassen als wäre ich noch in England.

SPOX: Und was macht Jose Mourinho, The Special One, im Vergleich zu anderen Trainern denn nun wirklich so besonders?

Mourinho: Auf jeden Fall stehen bei mir Ehrlichkeit und Geradlinigkeit an erster Stelle. Ich sage meinen Spielern die Dinge offen ins Gesicht - und ich erwarte auch von ihnen, ehrlich zu sein. Ich will, dass meine Spieler mit sportlichen Mitteln um einen Platz im Team kämpfen, deshalb will ich immer zwei Alternativen für eine Position. Niemand darf sich seines Stammplatzes sicher sein.

SPOX: Ein fairer Wettkampf im Training, mehr nicht? Hört sich recht einfach an....

Mourinho: Mit mir kann man ja auch leicht zusammenarbeiten, weil ich die Menschen respektiere. Ich habe den Drang, immer gewinnen zu wollen, und ich versuche, professionell und immer perfekt organisiert zu sein. Darauf kommt es an. Aber wenn meine Mitarbeiter nicht auch diese Mentalität an den Tag legen, werde ich richtig ungemütlich.

SPOX: Also haben Sie doch sehr präzise Vorstellungen, wie die Dinge zu laufen haben....

Mourinho: Dafür bin ich Trainer und stehe in der Verantwortung. Ich habe einen Verhaltenskodex, und den habe ich mit der Mannschaft auch besprochen. Eine gemeinsame Denkweise ist für mich der Schlüssel zum Erfolg. Allerdings kann ich von meinen Spielern keine Dinge erwarten, die ich selbst nicht vorleben kann. Also fordere ich nur das, was ich auch selbst bringen kann. Ein Beispiel: Wenn ich anderthalb Stunden vor dem Training schon in der Kabine bin und mich vorbereite, kann ich es nicht akzeptieren, wenn ein Spieler zu spät zum Training kommt. Das geht einfach nicht!

SPOX: Und dann hagelt es Strafen?

Mourinho: Es gibt kleine Geldstrafen, wenn einer zu spät kommt oder etwas vergisst. Aber diese Beträge interessieren doch einen Spieler nicht, der einige Millionen Euro im Jahr verdient. Es geht daher eher um ein gewisses Gespür für die Spieler: Wir haben ein gemeinsames Ziel, und ich spreche ihre Sprache. Dann gibt es keine Probleme. Wenn das Training also auf 10 Uhr angesetzt ist, dann startet die Einheit auch um 10 Uhr. Wenn dann 24 Spieler auf dem Feld stehen, ist alles gut. Falls nicht, falls nur 14 da sind, dann arbeite ich an diesem Tag nur mit diesen 14. Alles andere akzeptiere ich nicht.

SPOX: Dafür konnten Sie es bei Chelsea akzeptieren, wenn Ihr Chef Roman Abramowitsch mit in der Kabine war. Nun hat Inter mit Massimo Moratti einen ähnlich starken Mann an der Spitze. Lassen sich die beiden Mäzene vergleichen?

Mourinho: Ganz ehrlich: Ich habe es geliebt, für Abramowitsch zu arbeiten. Und dass er öfter in der Kabine war, war für mich auch kein Problem. Er war immer willkommen. Ich habe damit auch jetzt kein Problem. Wenn ein Präsident oder Klubbesitzer - je nachdem wie ein Verein strukturiert ist - in der Kabine dabei sein will, dann bitte. Oft wollen ihn ja auch die Spieler selbst sehen.

SPOX: Das sagt einer, der nach außen hin immer als Alleinherrscher dargestellt wird...

Mourinho: Für mich war das wirklich nie ein Problem. Wenn Abramowitsch zu uns kam, dann kam er nicht, um meine Arbeit zu stören oder gar zu torpedieren. Er kam zur Mannschaft, um uns sein Vertrauen und seine Unterstützung auszusprechen und mit den Leuten zu reden. Abramowitsch ist wirklich ein Top-Mann.

SPOX: Und mit Moratti läuft das jetzt ähnlich?

Mourinho: Unsere Zusammenarbeit hat ja erst begonnen. Was ich aber sehr an ihm mag, ist seine unbändige Liebe zu Inter. Ich denke, dass wir zusammen einige richtig große Ziele erreichen können.

Im zweiten Teil des SPOX-Interviews spricht Jose Mourinho über das Spiel gegen Werder, den Kampf der Kulturen in der Champions League und sein größtes Plus im Rennen um den Titel.