BVB - Nico Schlotterbeck ist zum Abwehrchef bei Borussia Dortmund geworden: Einfach mal die Klappe halten

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In der Hinrunde stand Nico Schlotterbeck sinnbildlich für den Wankelmut von Borussia Dortmund. Im Jahr 2023 hat der torgefährlichste Innenverteidiger der Bundesliga aber die Inkonstanz abgelegt. Mittlerweile sticht der 23-jährige BVB-Neuzugang in vielen Statistiken hervor.

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Vermutlich wird die Serie nicht reißen, doch das wäre sowieso nicht von besonderer Bedeutung. Es sieht danach aus, als könne Nico Schlotterbeck trotz seiner muskulären Probleme im linken Oberschenkel, wegen der er von der deutschen Nationalelf abreisen musste, beim Spitzenspiel gegen den FC Bayern München für Borussia Dortmund am Samstag auflaufen.

Es wäre am 26. Spieltag das 26. Bundesligaspiel, das der Innenverteidiger von Beginn an für den BVB bestreiten würde. Diese Bilanz hat niemand im Dortmunder Kader vorzuweisen. Erst zweimal wurde Schlotterbeck ausgewechselt.

Essentieller als das bloße Ausbauen seiner Startelf-Serie ist Schlotterbecks Mitwirken an der Partie, in der es zwischen dem Tabellenersten und - zweiten um so viel geht. Denn der 23-Jährige, im Sommer für 20 Millionen Euro vom SC Freiburg gekommen und damit fünftteuerster Abwehr-Neuzugang in Dortmunds Vereinsgeschichte, ist mittlerweile nicht nur zum Chef der BVB-Defensive aufgestiegen.

Schlotterbecks Entwicklung dient auch als Symbol für die Leistungsexplosion der Westfalen im neuen Jahr. Wo zu Saisonbeginn noch Wankelmut das hervorstechende Merkmal war, sind nun Attribute wie Siegeswille und Einsatzbereitschaft in den Vordergrund gerückt.

Nico Schlotterbeck
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Schlotterbeck stand sinnbildlich für die BVB-Inkonstanz

Schon damals stand Schlotterbeck sinnbildlich für die Inkonstanz des BVB. In der Hinrunde lieferte der Nationalspieler zwar ebenfalls gute Partien ab, doch seine Unkonzentriertheiten und individuellen Fehler, die zu Gegentoren führten, wogen schwerer. "Mein Spiel hat einfach sehr viele Risiken. Ich habe versucht, diese in den letzten Jahren zu minimieren, aber natürlich habe ich zwei, drei Patzer zu viel gemacht", sagte er in einem Interview mit der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung.

Ohnehin die Interviews: Schlotterbeck ist ein extrovertierter und emotionaler Typ, was auf dem Platz durchaus Vorteile mit sich bringen kann. Dazu muss aber die Form stimmen, doch das tat es bei ihm zunächst zu selten. So wirkten seine regelmäßig vorgetragenen Statements zwar ehrlich, aber angesichts seiner Leistungen wäre weniger oft mehr gewesen. Einfach mal die Klappe halten, wäre ein Ratschlag an ihn gewesen, den er vermutlich ähnlich flapsig formuliert hätte.

Dies hat Schlotterbeck in der Winterpause auch für sich selbst reflektiert, wie er gegenüber dem kicker zugab: "Ich hätte vielleicht ein paar Interviews weniger geben und mich mehr auf mein Spiel konzentrieren sollen." Er verwies auf seine Unerfahrenheit auf solchem Terrain, hat aber folgendes gelernt: "Es ist ein schmaler Grat: Solange du deine Leistung bringst, ist alles gut. Sobald die Leistung nicht mehr so konstant ist, wird es dir negativ ausgelegt, wenn du mal ein, zwei forschere Aussagen getroffen hast. Ich habe gelernt, demütiger zu sein und weniger zu reden."

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Nico Schlotterbeck der torgefährlichste Verteidiger der Liga

Bereits frühzeitig in der Saison im September hatte der sehr erfahrene Ex-Trainer Ewald Lienen im Podcast "Der Sechzehner" ein eindeutiges Urteil über den Abwehrspieler gefällt: "Ich halte Nico Schlotterbeck für einen der talentiertesten Innenverteidiger Deutschlands", sagte Lienen. "Aber seit er in Dortmund und in der Nationalmannschaft ist, also quasi im Fokus, fängt er an, eine Rolle zu spielen. Das ist unglücklich. Er macht den Mund auf, er animiert das Publikum und in Tateinheit mit dieser nicht-authentischen Rolle, die er spielt, macht er einen Fehler nach dem anderen."

Seitdem 2023 der Ball wieder rollt, hat Schlotterbeck die Patzer abgestellt und seltener gesprochen. Dortmunds Siegesserie half natürlich auch ihm, zu glänzen und wieder in Form zu kommen. Sie lässt mittlerweile vor allem sein Selbstbewusstsein, die hohe Leidenschaft und den großen Kampf zum Vorschein treten, was neben seinen Stärken mit Ball am Fuß zu den wichtigsten Komponenten in Schlotterbecks Spielerprofil gehören.

Der 23-Jährige hat sich dadurch statistisch in vielen der wichtigsten Kategorien nach vorne gespielt - und er ist mit neun Torbeteiligungen, fünf davon allein im neuen Jahr, der torgefährlichste Innenverteidiger der Liga. So viele Scorerpunkte können selbst Spieler wie Jude Bellingham, Joshua Kimmich oder Mario Götze nicht vorweisen.

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BVB: Nico Schlotterbeck sticht in vielen Statistiken hervor

Dazu ist Schlotterbeck laut Daten von opta mit 67 Prozent gewonnener Duelle der beste Dortmunder Zweikämpfer und wird ligaweit nur von Bayerns Benjamin Pavard (69%) und Stuttgarts Konstantinos Mavropanos (68%) übertroffen. Auch keiner seiner BVB-Defensivkollegen kommt auf mehr Balleroberungen pro Spiel (7,6). Hier liegt Schlotterbeck ligaweit auf Rang drei.

Deutlicher sticht er seine interne Konkurrenz im Spiel mit dem Ball aus. Kein anderer Dortmunder kommt auf so viele Ballaktionen (89) und Pässe (75) wie Schlotterbeck, kein anderer Bundesligaspieler spielt so viele Pässe unter hohem Gegnerdruck wie er (17,8 pro 90 Minuten). Besonders seine durchaus riskanten diagonalen Spielverlagerungen kommen nun häufiger an und auch bei den Vorwärtsläufen mit dem Ball über fünf bis zehn Meter hat Schlotterbeck eine bessere Abstimmung gefunden.

Kommen dann noch wie beim schmeichelhaften Sieg gegen RB Leipzig zu Monatsbeginn spektakuläre Rettungsaktionen hinzu - Schlotterbeck grätschte den frei aufs Tor zulaufenden Christopher Nkunku früh ab und vereitelte in der Schlussminute auf der Linie den Ausgleich -, ist das Paket rund, das sich der BVB von ihm versprach. Schlotterbeck ist momentan auf einem guten Weg, nicht nur zur Identifikationsfigur für die Fans, sondern auch zu einem der Anführer der Mannschaft zu werden.

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Schlotterbeck: "Nie gesagt, dass wir den Titel nicht wollen"

"Wir müssen weiterhin jede Woche die Mentalität, den Willen und Kampfgeist zeigen, der uns in diesem Jahr auszeichnet", hatte er kürzlich der Sport Bild gesagt. Schlotterbeck hat zuletzt sein selbst auferlegtes Interview-Verbot aufgehoben, doch in seinen Aussagen spiegelte sich viel Selbstkritik wieder.

Gänzlich die Klappe halten kann er aber wahrscheinlich einfach nicht, was keineswegs verwerflich ist. "Wir haben in diesem Jahr mehr Punkte geholt als sie und sind in der Liga noch ungeschlagen - das sind zwei sehr gute Voraussetzungen", sagte er mit Blick auf das Top-Spiel in der Allianz Arena. "Wenn jeder seine Top-Leistung abruft, können wir in München gewinnen. Wir haben ja nie gesagt, dass wir den Titel nicht haben wollen." Wenn ihm, auch angesichts der in der jüngeren Vergangenheit desaströsen BVB-Bilanz bei den Bayern, diese Aussagen mal nicht auf die Füße fallen...

BVB: Nico Schlotterbeck und seine Statistiken bei Borussia Dortmund

KategorieWert
Zweikampfquote67 Prozent
Luftzweikampfquote65 Prozent
Tackling-Erfolgsquote57 Prozent
Passquote87 Prozent
Pässe pro 90 Min.75
Balleroberungen pro 90 Min.7,6
Ballaktionen pro 90 Min.89
Fouls pro 90 Min.0,6
ausgedribbelt worden pro 90 Min.0,7
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