"Bundesliga-Trainer sind mediengeschädigt"

Von Interview: Haruka Gruber
Jürgen Klopp (l.) und Armin Veh sprechen in "TRAINER!" über ihre Erfahrungen
© getty

Ein einzigartiger Blick ins Seelenleben: Mit Andre Schubert, Stephan Schmidt und Frank Schmidt ließen sich drei ambitionierte Profi-Trainer ein Jahr lang von Grimme-Preisträger Aljoscha Pause filmen - und das in den bittersten Momenten. Ein Film über Scheitern, Tragik und Hoffnung auf Besserung. Am Dienstag feiert "TRAINER!" im Director's Cut seine Kinotour-Premiere in Berlin.

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SPOX: In Ihrem neuen Film "TRAINER!" begleiteten Sie ein Jahr lang drei Profi-Trainer durch Höhen und vor allem vielen Tiefen: St. Paulis Andre Schubert sowie Paderborns Stephan Schmidt wurden während der Dreharbeiten entlassen, Heidenheims Frank Schmidt verpasste denkbar knapp den Zweitliga-Aufstieg. War es Ihr Ziel, ein Melodrama ohne Happy End zu filmen?

Aljoscha Pause: Ich wollte bewusst keine euphorische Heldengeschichte, weil es nichts mit der Realität zu tun hätte. Ich wollte einen Dokumentar-Film im klassischen Sinne, in der ich die Dramaturgie nicht beeinflussen kann und in der ich die Protagonisten nicht beurteile. Es ist so: Die Berufsgruppe "Profi-Trainer im Fußball" steht permanent unter Beobachtung und wird wie keine andere Zunft durchleuchtet, bewertet und kritisiert. Selbst Politiker kennen das nicht. Doch obwohl so viele sich qualifiziert zu einem Urteil fühlen, wissen wir relativ wenig über den Trainerstand und deren Innenwelten. Daher ging es mir darum, die Trainer selbst erzählen zu lassen und so ein neues Verständnis herzustellen. Ich überlasse jedem Zuschauer die Deutungshoheit, zu welchem Genre "TRAINER!" gehört.

SPOX: Nach dem Film weiß man nicht so recht, ob der Trainerjob ein Traumberuf ist oder nicht.

Pause: Genau das möchte ich ausdrücken: Im Fußball gibt es mehrere Wahrheiten, die nebeneinander existieren und ihre Berechtigung haben. In der abgelaufenen Zweitliga-Saison wurden ungefähr zwei Drittel aller Trainer entlassen und mit Schubert und Stephan Schmidt waren zwei der drei Trainer aus dem Film davon betroffen. Es gibt also eine gewisse Repräsentativität - wobei keine Trennung so ist wie die andere. Deswegen gibt es im Film den Subplot mit Deniz Naki.

SPOX: Im Film kritisiert der ehemalige U-21-Nationalspieler Naki seinen Ex-Trainer Schubert harsch und lobt zugleich seinen damals aktuellen Trainer Stephan Schmidt. Am Ende wurden beide entlassen.

Pause: Das zeigt, dass es am Leben vorbeigeht, wenn man für alles eine Konklusion finden will. Naki erzählt frei von der Leber weg, wie schlecht sein Verhältnis zu Schubert gewesen war und wie menschlich und verständnisvoll Schmidt ist. Am Ende muss man bilanzieren, dass Naki unter Stephan Schmidt weniger eingesetzt wurde und schlechter spielte als unter Schubert in St. Pauli. Was ist also die Wahrheit?

SPOX: Die von Ihnen angesprochene Komplexität scheint die Trainer zu überfordern. Stephan Schmidt blieb seiner konsequenten Linie treu und wurde auch wegen seiner Sturheit von Paderborn entlassen. Schubert wiederum veränderte seinen Führungsstil auf Anraten von St. Pauli - und scheiterte, weil er angeblich nicht mehr geradlinig gewesen wäre. Sind Trainer tragische Figuren: Egal was man macht, man scheitert?

Pause: Soweit würde ich nicht gehen. Wenn die Ergebnisse stimmen, kann sich ein Trainer geben, wie er es für richtig hält. Und selbst wenn die Ergebnisse nicht stimmen, gibt es Mechanismen, die einem zumindest Zeit verschaffen. So fatalistisch die Aussagen von St. Paulis Pressesprecher Christian Bönig klingen: In einer Mega-Medienstadt wie Hamburg kann sich ein Trainer ein paar Spiele mehr halten, wenn er einen guten Kontakt zum Boulevard pflegt.

SPOX: Was wiederum mit dem Verlust der eigenen Integrität einhergeht?

Pause: Es ist manchmal krass, aber so ist die Realität. Idealerweise sind Klub-Verantwortliche rational und fachkundig. Tatsächlich sind die meisten Entscheider genau das andere Extrem und lassen sich von Trends, subjektiven Empfindungen und der Irrationalität der Medien bekloppt machen.

SPOX: Vor allem bei Trainer-Neuling Schmidt, zuvor eine Koryphäe in der Nachwuchsförderung und A-Jugend-Meister mit Wolfsburg, wirkt im Film fast schon naiv. "Ich werde in der ersten Liga trainieren, das ist Fakt", sagt er zu Beginn des Films. Und er kokettiert damit, dass er im Berliner Problemviertel aufgewachsen ist und daher ein Problemfußballer-Versteher sei. Weiß er nicht, dass solche Aussagen ihn schaden können und er daran gemessen wird?

Pause: Es stimmt, Stephan hat sich so dargestellt. Und vor allem bei der Aussage, dass er es bestimmt in die Bundesliga schaffen wird, dachte ich mir: "Hoppla, das ist sehr mutig." Andererseits finde ich es erfrischend, dass er sich eine gewisse Naivität bewahrt hat und klar Stellung bezieht, statt weichgespült zu sein. Trainer-Ausbilder Frank Wormuth sagt völlig wertfrei, dass Stephan einfach eine große Klappe mitbringt. Außerdem darf man eines nicht vergessen: Manchmal braucht ein Trainer die öffentliche Bühne, um nicht anderen, sondern vor allem sich selbst Mut zu machen.

Hier geht's zu Teil II: "Natürliche Selektion unter Trainern"