Kratzen, beißen, Gras fressen!

SPOX
07. Mai 201022:44
Wer hat am Schluss die Nase vorn und kann den drohenden Abstieg verhindern?Getty
Werbung
Werbung

Drei Klubs müssen noch um den Verbleib in der Bundesliga zittern. Hannover hat es selbst in der Hand und trifft in einem echten Endspiel auf Bochum, während der Club auf den FC Köln trifft, der seit 20 Jahren bei den Franken sieglos ist.

SPOXSituation: Die Ausgangslage ist einfach: Hannover liegt zum ersten Mal seit Rückrunden-Beginn nicht auf einem Abstiegsplatz und hat sein Schicksal in den eigenen Händen. Mit dem furiosen 6:1-Erfolg gegen Gladbach hat sich 96 damit die vermeintlich beste Ausgangslage der drei Abstiegskandidaten erobert, liegt zwei Punkte vor Nürnberg und Bochum. Mit einem Sieg im Endspiel gegen den VfL ist die Mannschaft von Trainer Mirko Slomka definitiv gerettet, auch ein Remis kann für Platz 15 reichen, wenn Nürnberg gegen Köln nicht gewinnt. Lässt der Club Punkte liegen, wäre Hannover auch bei einer Niederlage in Bochum immerhin noch auf dem Relegationsplatz.

Auf Rechenspiele will sich Slomka aber gar nicht erst einlassen: "Ein Unentschieden könnte zu wenig sein. Um ganz sicher zu gehen, müssen wir gewinnen. Und das wollen wir auch." Dafür aber ließ der Coach diverse was-wäre-wenn-Szenarien für das Spiel in Bochum gezielt trainieren: Wie verhält sich die Mannschaft bei einem Rückstand, wie verteidigt sie sich gegen lange Bälle, wenn sie in der Schlussphase führt. Mit von der Partie war auch wieder der Psychologe Dr. Andreas Marlovits, der auf Wunsch auch Einzelgespräche mit den Spielern führte.

Stimmung: Nach zuletzt zwei Niederlagen mit 0:10 Toren hat der deutliche Sieg gegen Gladbach pünktlich zum Endspiel die Stimmung wieder gedreht - Mannschaft, Trainer und regionale Medien klingen selbstbewusst und zuversichtlich. Um "unter Ausschluss der Öffentlichkeit" zu trainieren, verzichtete Slomka auf ein Trainingslager und verlegte die Einheiten stattdessen direkt in die abgeriegelte AWD-Arena: "Dort haben wir die besten Bedingungen." Und auch die Fans werden ihren Beitrag leisten: Mehr als 10.000 Hannover-Anhänger wollen mit nach Bochum reisen, unter anderem auch Bürgermeister Stephan Weil.

Personal: Die Pressevertreter in Hannover trauten ihren Augen kaum, als Mirko Slomka ohne seinen fast schon obligatorischen DIN-A-4-Zettel zur Abschluss-Pressekonferenz erschien. Zur Abwechslung lautete die erste Mitteilung: Keine weiteren Hiobsbotschaften, keine weiteren Verletzten, Hannover kann mit der siegreichen Elf vom 33. Spieltag beginnen. Neben den Langzeitverletzten droht lediglich Jan Schlaudraff mit einer Prellung am Oberschenkel auszufallen.

Voraussichtliche Aufstellungen:VfL Bochum - Hannover 96

Hoffnungsträger: Auch die gestressten Adduktoren von Didier Ya Konan hielten der Belastung während der Woche problemlos stand. Besonders wichtig für die 96er-Psyche - schließlich ist der Ivorer nicht nur der beste Torschütze (9 Treffer), sondern auch die eingebaute Lebensversicherung. Mit Ya Konan holte Hannover bislang 30 Punkte; und ohne ihn: null. Auch gegen Gladbach präsentierte sich der 25-Jährige nach Blitzheilung von einem Muskelfaserriss wieder in Topform.

SPOX-Meinung: Der Druck liegt bei Bochum, Hannover wäre mit einem Unentschieden zumindest sicher in der Relegation. Doch genau darin liegt die Gefahr für 96. Denn: "Erstmal sicher stehen und hinten die Null halten" scheint gegen Bochum (mit 33 Toren gehört der VfL-Angriff zu den schwächsten der Liga) ein realistisches Ziel - allerdings nicht für Hannover. Erst fünf Mal in der laufenden Saison ging 96 ohne Gegentor vom Platz, 67 Mal klingelte es dagegen insgesamt in den restlichen 28 Spielen: die schlechteste Abwehr der Liga. Allerdings strotzt auch Bochum hinten nicht vor übermäßig Qualität, geschweige denn vor Selbstvertrauen; mit 61 Toren ist die VfL Abwehr nicht wesentlich stabiler. Fazit: Hannover hält die Trümpfe in der Hand - wenn die Spieler sie nicht ängstlich aus der Hand geben, schafft 96 den Klassenerhalt. Ein Happy End nach einer bitteren und wohl auch tragischen Saison.

Hält 96 die Klasse?Jetzt die möglichen Szenarien durchspielen!

SPOXSituation: Durch vier Niederlagen in Folge hat der Club den direkten Klassenerhalt nicht mehr selbst in der Hand. Siegt Hannover in Bochum, ist nur noch der Relegationsplatz drin, der andererseits allerdings auch gesichert wäre, wenn der FCN gegen Köln nicht höher verliert als der VfL. "Wir müssen uns auf uns konzentrieren und erst mal unser Spiel gewinnen", sagte Coach Dieter Hecking im "Kicker".

Die Vorbereitung auf das entscheidende Spiel läuft nicht außergewöhnlich anders als sonst. Änderungen: Hecking strich den trainingsfreien Montag und setzte für Donnerstag und Freitag zwei nicht-öffentliche Einheiten an. Oberstes Gebot in Nürnberg: Lockerheit. Manager Martin Bader: "Wir dürfen uns nicht von Panik, Hektik oder Hysterie anstecken lassen und steuern als Ruhepol bewusst dagegen."

Stimmung: Nach der 0:4-Pleite in Hamburg kippte die Stimmung bei den Fans, die ihrem Unmut freien Lauf ließen und Spieler wie Verantwortliche beschimpften. Gegen Köln wird das Stadion dennoch voll sein. Wie intensiv die Unterstützung ausfallen wird, hängt wohl auch von den ersten Spielminuten ab. "Wir müssen den Funken überspringen lassen und hoffen, dass es dann von den Rängen zurück kommt", sagt Keeper Raphael Schäfer.

Personal: Dennis Diekmeier fällt mit Muskelfaserriss aus. Ein herber Verlust, sorgte der Rechtsverteidiger mit seinen Vorstößen offensiv doch häufig für Gefahr. Vertreter Juri Judt hat seine Stärken dagegen eher in der Defensive. Um die zuletzt so wackelige Abwehr (elf Gegentore in vier Spielen) zu stabilisieren darf wohl Tavares an der Seite von Ottl im defensiven Mittelfeld ran. Heikel: Sechs Spieler aus der voraussichtlichen Startelf hatten vor dieser Saison keinerlei Bundesliga-Erfahrung.

Voraussichtlichen Aufstellungen:1. FC Nürnberg - 1.FC Köln

Hoffnungsträger: "Wir werden auf Sieg spielen", kündigt Hecking an. Dazu muss der Club allerdings offensiv für deutlich mehr Gefahr sorgen als zuletzt. Der Schlüssel dabei: Albert Bunjaku. Seit der Schweizer in der Krise ist, läuft es auch beim Club nicht mehr. Gegen Köln soll Bunjaku nun wieder im Sturmzentrum auflaufen. Die Idee dahinter: Mit seiner Schnelligkeit und seinen Stärken im Dribbling soll er Kölns Aushilfs-Innenverteidiger Carsten Cullmann unter Druck setzen.

SPOX-Meinung: Ein Heimspiel gegen Köln scheint auf den ersten Blick machbar, angesichts der verkorksten Saison des FC vielleicht sogar dankbar. Was man dabei allerdings nicht vergessen darf: Köln hat mit Abstand die beste Auswärts-Abwehr der Liga. Erst zwölf Treffer kassierte die Soldo-Elf auf fremdem Platz. Klingt gefährlich für den Club. Allerdings: Seit fast 20 Jahren hat der FC in Nürnberg kein Liga-Spiel mehr gewonnen. Klingt ziemlich ungefährlich für den Club.

Schafft der Club den Klassenerhalt?Jetzt nachrechnen

SPOXSituation: Bochum geht mit der schlechtesten Ausgangslage des Trios in die letzten 90 Minuten. Mit einem Sieg gegen Hannover ist der Relegationsplatz sicher eingetütet. Sollte dann Nürnberg gegen Köln nicht gewinnen, wäre der VfL sogar gerettet.

Ein Unentschieden reicht dem Wosz-Team zum Relegationsplatz, falls Nürnberg verliert. Bei einer hohen Club-Niederlage könnte Bochum aufgrund der mehr geschossenen Tore (33 zu 31) gegenüber den Franken vielleicht sogar eine knappe Niederlage zum Erreichen des Relegationsplatzes reichen.

VfL-Coach Dariusz Wosz hält aber wenig von Taktieren. "Natürlich dürfen wir nicht ins offene Messer laufen, aber wir wollen dieses Spiel gewinnen", sagte er im SPOX-Interview.

Stimmung: Seit Wosz Heiko Herrlichs Job übernommen hat, ist beim VfL der Spaß zurückgekehrt. "Als ich die Truppe vor einer Woche übernommen hatte, wirkte sie blockiert. Die Spieler hatten Angst, Fehler zu machen. In dieser Woche haben wir versucht, die Köpfe frei zu bekommen. Die Jungs sollten bei aller konzentrierter Arbeit auch wieder Spaß am Fußball haben", erzählt Wosz. Für Sportvorstand Thomas Ernst ist "die Stimmung auf dem Trainingsplatz eine ganz andere".

In der laufenden Saison konnte der VfL nur zwei Heimspiele für sich entscheiden. Trotzdem ist sich Wosz sicher, dass das Stadion am Samstag "eine Festung sein" wird und die "Fans wie eine blau-weiße Wand hinter uns stehen werden." Diese deuteten am Freitag schon mal an, wie heiß sie sind: 2000 verfolgten das Abschlusstraining.

Sollte der Klassenerhalt klappen, hat VfL-Keeper Philipp Heerwagen schon konkrete Pläne: "Wenn wir drin bleiben, kippe ich mir ein Fass Bier über den Kopf."

Personal: Wosz kann mit Ausnahme der verletzten Christoph Dabrowski, Patrick Fabian und Diego Klimowicz aus dem Vollen schöpfen. Auch Marc Pfertzel, der wegen muskulärer Probleme im Oberschenkel auszufallen drohte, meldete sich fit. Im Angriff darf sich Vahid Hashemian Hoffnungen auf den Platz neben Stanislav Sestak machen.

Voraussichtliche Aufstellungen:VfL Bochum - Hannover 96

Hoffnungsträger: Für den VfL zählt (fast) nur ein Sieg. Dementsprechend wird Wosz auf die Offensive setzen, was so oder so seinem Naturell entspricht. Sein Kreativgeist wird Mimoun Azaouagh sein. Der 27-Jährige spielte unter Herrlich überhaupt keine Rolle, wurde aber von Wosz schon in München in die Startelf beordert und soll auch gegen 96 das VfL-Spiel leiten. Der flinke und wendige Dribbler soll seine Vorderleute einsetzen und vielleicht beendet Stanislav Sestak dann ja auch im wichtigsten Spiel der Saison seine Torflaute.

SPOX-Meinung: Elf Spiele ohne Sieg, nur zwei Heimspiele gewonnen, 61 Gegentore und damit die zweitschlechteste Defensive der Liga: Die Zahlen machen dem VfL nicht wirklich Mut. Dennoch: Bochum hat oft genug gezeigt, dass es kratzen und beißen kann und Wosz vermittelt den Eindruck, dass er seinem Team wieder Leben eingehaucht hat. Vielleicht zeigt der Coach seiner Truppe ja auch noch die zweiten 45 Minuten des Hinspiels: Dort gewann der VfL, obwohl er bis zur 51. Minute mit 0:2 im Rückstand lag.

Schafft Bochum den Klassenerhalt?Jetzt nachrechnen