Mark Webber: Das Beste oder nichts

Von Alexander Maack
Mark Webber kehrt der Formel 1 den Rücken
© getty

Die Rücktrittsankündigung von Mark Webber ist nicht überraschend. Der Zeitpunkt vor dem Großen Preis von Großbritannien irritiert jedoch. Mit dem Wechsel zu Porsche in die Langstreckenweltmeisterschaft WEC traf Webber eine logische Entscheidung, brach aber sein eigenes Versprechen.

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Der am Donnerstag bekanntgewordene Formel-1-Abschied von Mark Webber dürfte keinen Fan wirklich überrascht haben. Monatelang lag dem 36-Jährigen das Angebot von Porsche für einen Wechsel in die WEC und damit die Rückkehr nach Le Mans vor. Webber ließ sich Zeit. Eigentlich wollte er erst in der Sommerpause entscheiden.

Der Grund für das Zögern liegt mittlerweile 15 Jahre zurück. Als Webber den Mercedes CLR im Donnertagstraining zu den 24 Stunden von Le Mans 1999 um den über 13 Kilometer langen Kurs steuerte, hob das Auto plötzlich ab. Der Wagen überschlug sich mehrmals.

Beim Warm-up am Samstag vor dem Rennen wiederholte sich der Unfall zwischen Mulsanne und Indianapoliskurve bei über 300 Stundenkilometern. "Beim zweiten dieser Unfälle dachte ich für einen Sekundenbruchteil, dass ich es wahrscheinlich nicht schaffen würde", sagte Webber noch 2011. Erst danach stellte Mercedes die Vermutung auf, dass das eigens für das legendäre Rennen konstruierte Auto zu wenig Bodenhaftung habe.

Einige schnell montierte Zusatzflügel halfen nicht. Auch Peter Dumbreck überschlug sich nach vier Stunden im Rennen mit einem der zwei verbliebenen Autos mehrmals und landete in einem Wald neben der Rennstrecke. Glücklicherweise blieben beide Piloten nahezu unverletzt. Trotzdem erklärte Webber, dass er nie wieder an der Sarthe antreten würde. Der Schock saß zu tief.

Webbers Motorschaden bei Porsches letztem Sieg

Mittlerweile hat sich seine Sichtweise geändert. "Ich akzeptiere, dass der Motorsport gefährlich ist, doch Le Mans ist eine der berühmtesten Rennstrecken der Welt und um ehrlich zu sein, habe ich dort noch eine Rechnung offen", erklärte der 36-Jährige, der auch bei seinem Start 1998 an der Seite von Bernd Schneider und Klaus Ludwig Pech hatte. Er schied nach nur 19 Runden mit einem Motorschaden aus, während Porsche zum vorerst letzten Sieg als Werksteam fuhr.

Selbst der tödliche Unfall von Aston-Martin-Pilot Allan Simonsen am letzten Wochenende brachte Webber nicht von seiner Entscheidung ab: "Wie wir erst kürzlich gesehen haben, kann Le Mans grausam sein. Doch es ist eine ungeheuer große Verlockung. Sie macht einen Teil der Faszination aus."

Malaysia-Überholmanöver ohne Einfluss

Die Motivation des Australiers ist eindeutig: Er will noch einmal an der Spitze fahren. Angebote aus der Formel 1 lehnte er ab. Selbst das Überholmanöver, das Sebastian Vettel in Malaysia entgegen der Teamorder durchzog, soll seinen Wechsel zu Porsche nicht beeinflusst haben. "Ich hatte für mich persönlich einen Plan und habe mich an diesen gehalten. Dies ist nun das nächste Kapitel", so Webber.

Mit seinem Wechsel kam er aber eventuell einer Ablösung bei Red Bull nach dieser Saison zuvor, auch wenn diese nicht unbedingt wahrscheinlich schien. Während Teamkollege Sebastian Vettel seit Mark Webbers letztem Triumph in Silverstone 2012 sieben Grand-Prix-Siege feierte und sich seinen dritten Weltmeistertitel in Folge sicherte, konnte der Oldie nicht ein einziges Mal die oberste Stufe des Siegerpodests erklimmen.

So verwundert auch die zurückhaltende Reaktion des Teams nach der Wechselankündigung nicht. "Ich bin mir sicher, dass Mark gut über diese Entscheidung nachgedacht hat. Sie ist ihm sicher nicht leicht gefallen", sagte Teamchef Christian Horner: "Wir unterstützen Marks Entscheidung."

Porsche-Einstieg als Chance der Karriere

Der werksseitige Einstieg von Porsche in die Langstreckenkönigsklasse LMP1 ist die wohl beste Chance, die Webber in den letzten zehn Jahren geboten bekam. Schon vor Wochen hatte er erklärt, nur für ein Top-Team zu fahren. Da er sich seines Cockpits bei Red Bull nicht mehr sicher sein konnte, ist sein freiwilliger Abschied nachvollziehbar.

Sein Fahrstil ist für die WEC zudem wie geschaffen. Der 36-Jährige hat seine Stärken in der Formel 1 mehrmals über die Renndistanz bewiesen. Ein schlechter Start? Eine etwas langsamere Runde im Qualifying? Bei Rennen mit einer Länge von bis zu 24 Stunden weniger problematisch als bei zwei Stunden.

Formel-1-Erfahrung für Le Mans

"Es ist der perfekte Zeitpunkt, um zu einem neuen Programm hinzuzustoßen. Die Zusammenarbeit mit einer der berühmtesten Marken im Motorsport ist für mich eine irre Herausforderung und eine tolle Zukunftsperspektive", erklärte Webber selbst seinen Wechsel.

Porsche hat seit der Bekanntgabe des Werkscomebacks in Le Mans eine hochprofessionelle Motorsporttruppe aufgebaut. Bisher werkeln über 170 Menschen an neuen Siegen, die Zahl soll auf 200 anwachsen.

Fritz Enzinger ist als Leiter des Projekts bei weitem nicht der einzige Mitarbeiter mit Formel-1-Erfahrung. Der Österreicher arbeitete seit seiner Diplomarbeit bei BMW und nahm erst nach dem Ausstieg aus der F1 von den Bayern Abschied.

Den 16 bisherigen Erfolgen in Le Mans sollen schnell weitere folgen. Am letzten Wochenende sicherte sich das Team mit dem 911 RSR in der GTE-Pro-Kategorie einen Doppelsieg. Es war der erste Sieg im erst dritten Rennen der neuentwickelten Wagen gegen Ferrari, Aston Martin, Chevrolet und die Viper.

Dass beide 911er über die gesamte Renndistanz kein einziges technisches Problem hatten, verdeutlicht die Professionalität und das Können der Ingenieure und Mechaniker im Hintergrund.

Webber als Aushängeschild

Mit Mark Webber haben die Zuffenhausener nun ihr international bekanntes Aushängeschild für die kommende Saison verpflichtet. Vorerst bleiben dem Australier aber noch zwölf Rennen, um sich von der Formel 1 gebührend zu verabschieden - als Fahrer mit den siebtmeisten Grands Prix der F1-Geschichte.

"Ob ich etwas davon vermissen werde? Ja, natürlich, doch die Zeit steht für niemanden still. Für mich ist es Zeit, meine nächste Herausforderung in Angriff zu nehmen", sagte Webber über das Ende seiner Laufbahn in der Königsklasse. Mit Jean-Eric Vergne und Daniel Ricciardo scharren schon zwei Piloten aus dem Red-Bull-Nachwuchsprogramm mit den Hufen, um ihn zu ersetzen.

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