His Airness, Dealer & Millionen

Von Martin Tschiggerl / ACE Pokermagazin
Alleine bei einem Golf-Duell verspielte Jordan 900.000 Dollar
© Getty

Fragte man in den 90er Jahren irgendwen irgendwo auf der Welt, wer wohl der größte lebende Sportler sei, erhielt man meist nur eine Antwort: Michael Jordan. Millionen Menschen hatten nur den einen Traum: To be like Mike. Doch Jordan steckte in einer Krise, war spielsüchtig und verzockte Millionen. So wie viele andere Ex-Sportler.

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Michael Jordan ist eine Legende. Auch heute, viele Jahre nach seinem endgültigen Rücktritt, ist er noch allgegenwärtig. Immer noch kaufen Fans seine Schuhe, tragen seine Klamotten - und die Stars der NBA werden noch oft an ihm gemessen.

Selbst Leute, die sonst nichts mit Basketball am Hut haben, kennen seinen Namen.

Jordan: Gott verkleidet als Basketballer

Schon als Freshman am College war es Jordan, der im Meisterschafts-Finale den entscheidenden Wurf versenkte. Was folgte, war eine unglaublich erfolgreiche NBA-Karriere: Mit den Chicago Bulls wurde Jordan sechsmal Meister, 14 mal All-Star, errang fünf MVP-Awards, war sechsmal Finals-MVP und gewann zweimal den Slam-Dunk-Contest.

Und diese Aufzählung ist alles andere als vollständig. Aber eines wird klar: Michael Jordan war in Sachen Basketball "the man". Selbst sein langjähriger Gegenspieler und selbst Hall-of-Famer Larry Bird sagte: "Jordan ist Gott, verkleidet als Basketballer".

Das machte ihn zur perfekten Werbeikone. Sportartikelhersteller Nike wurde auch dank ihm zum globalen Marktführer. Sogar die NBA verdankt ihm einiges ihrer heutigen Popularität.

Scheidung kostet 168 Millionen Dollar

Jordan verdiente Unsummen. Allein in seinem letzten Jahr für die Chicago Bulls erhielt er insgesamt kolportierte 100 Millionen Dollar. Es schien fast so, als hätte er die Gabe, alles, womit er in Berührung kommt, in Gold zu verwandeln.

Auch abseits des Courts schien MJ einen tadellosen Lebensstil zu pflegen. Glücklich verheiratet, drei Kinder und keine Skandale. Er war einfach Mister Perfect, der Idealtyp eines Profisportlers. Mittlerweile ist Jordan übrigens geschieden. Die Trennung kostete ihn die Rekordsumme von 168 Millionen Dollar. Doch bereits in den frühen 90er Jahren begann die perfekte Fassade des Vorzeigesportlers Risse zu bekommen.

Licht und Schatten

Es war im Jahr 1991, als Jordans Hang zum Glücksspiel ans Licht kam. Und das gleich mit einem Paukenschlag. Denn Mr. Perfect musste vor Gericht.  Zwar nur als Zeuge, dennoch unter skandalösen Umständen - wie viele fanden. Doch was war geschehen?

Bei der Überprüfung des Kokain-Dealers James "Slim" Bouler stellten die Behörden fest, dass dieser einen Scheck in Höhe von 57.000 Dollar von Michael Jordan erhalten hatte. Doch wie kommt ein Dealer zu einem Scheck von einer Basketball-Legende?

Wie sich herausstellte, beglich Jordan Spielschulden, die er bei Bouler nach einem Wochenende in North Carolina hatte. Es ging um Poker, Golf und hohe Einsätze.

Nicht nur die Medien fragten sich anschließend, ob ein vorbestrafter Dealer der richtige Umgang für das Vorbild von Millionen Kindern ist. Die 57.000 Dollar waren für Großverdiener Jordan zwar nur ein kleiner Betrag, doch die zwielichtigen Begleitumstände führten dazu, dass die Medien auf Jordans Spielleidenschaft aufmerksam wurden.

900.000 Dollar beim Golf verloren

Der nächste Skandal folgte 1993. Anfang des Jahres erschien ein Buch mit dem Titel: "Michael and Me: Our Gambling Addiction... My Cry for Help". Darin schildert Richard Esquinas, wie er His Airness um über 900.000 Dollar erleichtert. Beim Golf. Und der Geschäftsmann aus San Diego geht noch einen Schritt weiter: Er nennt Jordan süchtig.

Doch der Medien-GAU sollte noch folgen. Kurze Zeit später wurde Jordan in einem Casino in Atlantic City gesehen, wo er sich die ganze Nacht an diversen Glücksspielen erfreute. Nicht so schlimm. Eigentlich. Hätten die Bulls nicht am kommenden Tag das zweite Spiel in den Conference Finals gegen ihren ewigen Rivalen, die New York Knicks verloren.

Und obwohl Jordan 36 Punkte erzielt hatte, warfen ihm die Medien seinen nächtlichen Ausflug nach Atlantic City vor. Auch dass die Bulls die Best-of-seven-Serie für sich entschieden und am Ende der Playoffs Meister wurden, tat kaum etwas zur Sache.

Jordans Ruf als integrer Sportsmann war angekratzt.

Rücktritt und Raubmord

Kurze Zeit später entschloss er sich, die Basketballschuhe an den Nagel zu hängen und es mit Baseball zu versuchen. Noch heute wird gemunkelt, dass diese Entscheidung mit dem Atlantic-City-Skandal zusammenhängt und Jordan von NBA-Offiziellen nahegelegt wurde.

Jordan selbst hatte jedoch mit einem Schlag ganz andere Sorgen. Am 23. Juli 1993 wurde Michaels Vater James tot aufgefunden - ermordet unter mysteriösen Umständen. Sofort stellten die Medien die wildesten Vermutungen an. Sie konstruierten einen Zusammenhang zwischen Michaels Spielleidenschaft und dem Mord an seinem Vater, obwohl es absolut keine Beweise gab, die auch nur ansatzweise in diese Richtung gingen.

Laut dem offiziellen Bericht der örtlichen Polizei wurde Jordans Vater Opfer eines gewöhnlichen Raubmordes. Doch die Medien ließen nicht locker und warteten weiterhin mit den abstrusesten Theorien auf. So soll James Jordan ermordet worden sein, weil Michael seine Spielschulden nicht zahlen wollte oder konnte. Aus heutiger Sicht: Schwachsinn.

Wetten aufs Gepäck

Als Michael dann nach einem erfolglosen Versuch als Baseballspieler sein Comeback in der NBA bekannt gab, war es wie die Rückkehr des verlorenen Sohnes. Niemand sprach über Jordans Spielleidenschaft. MJ feierte auch sofort einen gebührenden Einstand und holte sich mit den Chicago Bulls die vierte Meisterschaft - zwei weitere sollten folgen.

Kaum jemand wusste, dass Jordan mittlerweile tatsächlich ein ernsthaftes Glücksspielproblem hatte. Er begann praktisch auf alles zu wetten: Golf, Pferde, Football, Videospiele mit seinen Teamkollegen. Die Assistenztrainer rieten den jungen Spielern bereits davon ab, gegen Jordan zu pokern, da er durch die viele Übung inzwischen sehr gut geworden war.

Eine Anekdote aus dieser Zeit besagt, dass Jordan selbst mit seinen Teamkollegen Wetten abschloss, wessen Gepäck am Flughafen zuerst am Band erschien. Um bei diesen Spielen einen Vorteil zu haben, bestach er sogar die Gepäckarbeiter.

Teil II: Geständnisse, Leidensgenossen und Psychologen