Eier aus Gold

Die deutschen Adler holten Gold im Teamspringen
© getty

Am 10. Tag in Sotschi sorgen Andreas Wellinger, Marinus Kraus, Severin Freund und Andreas Wank im Teamspringen für die achte deutsche Goldmedaille. Und das, nachdem die deutschen Skispringer oft genug nichts gerissen haben, wenn es wichtig wurde. Die Bobfahrer tuckern in ihrem Trabi hinterher, Darja Domratschewa wird zur Heldin Weißrusslands. Im deutschen Haus werden Unmengen an Bier vernichtet, Thomas Anders jault die Russen voll.

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Als auf der Anzeigetafel die 1 aufleuchtete, gab es kein Halten mehr. Andreas Wellinger, Marinus Kraus, Severin Freund und Andreas Wank lagen sich in den Armen und konnten ihr Glück kaum fassen - Gold im Teamspringen vor Österreich und Japan. Wahnsinn: Kraus gelang ein 136,5-Meter-Satz.

Nach 1994 und 2002 ging damit zum dritten Mal der Olympiasieg an ein DSV-Quartett. "Ich bin stolz auf das ganze Team. Wir haben viele Durststrecken zusammen gemeistert. Heute ist das Team belohnt worden", sagte Bundestrainer Werner Schuster. Und Wellinger ergänzte: "Das war ein geiler Wettkampf. Wir waren vorne und haben gezittert. Es ist unbeschreiblich."

Ebenfalls stark, aber nicht stark genug, präsentierte sich Biathletin Evi Sachenbacher-Stehle im Massenstart. Als Vierte fehlte beim historischen Triumph von Darja Domratschewa (mehr dazu bei der Frau des Tages) am Ende nur eine Sekunde zu Bronze. "Das ist einfach undankbar", haderte Sachenbacher-Stehle anschließend. Andrea Henkel wurde 18., Franziska Hildebrand kam als Letzte auf Rang 29 ins Ziel.

Der Tag zum Nachlesen im Ticker

Deutlich schlechter lief es für die deutschen Bobfahrer, die einst eine Bank für Medaillen waren. So schlecht, dass selbst der fünfmalige Bob-Olympiateilnehmer Fürst Albert von Monaco von einer "Schande" sprach. Platz 8 für Francesco Friedrich/Jannis Bäcker, Platz 11 für Thomas Florschütz/Kevin Kuske und Rang 15 für Maximilian Arndt/Alexander Rödiger: 1956 war Deutschland im Zweierbob erstmals und letztmals so mies.

Die Hauptschuld, so waren sich die Beteiligten einig, ist bei den Schlitten zu suchen, die offenbar nicht ansatzweise höchsten Ansprüchen genügen. "Wenn wir damals in einem Formel-1-Wagen saßen, fahren wir jetzt in einem Trabi", meinte Kuske, der 2010 mit Andre Lange Gold holte. Hier geht's zum ausführlichen Bericht.

Im Eistanz lief alles wie erwartet: Die Weltmeister Meryl Davis und Charlie White holten Gold. Die deutschen Paare Nelli Zhiganshina/Alexander Gazsi und Tanja Kolbe/Stefano Caruso landeten auf den Plätzen 11 und 19.

Am Dienstag geht es mit dem Riesenslalom los (ab 6.30 Uhr im LIVE-TICKER). Maria Höfl-Riesch ist aufgrund einer schlimmer gewordenen Erkältung womöglich gar nicht dabei, die Hoffnungen ruhen also auf Viktoria Rebensburg. In der Nordischen Kombination droht Eric Frenzel auszufallen, der mit Fieber im Bett liegt. Im Biathlon steht der Massenstart der Männer endlich an, der am Montag erneut dem nebligen Waschküchen-Wetter zum Opfer fiel und abgesagt wurde. Zudem beginnen die Bob-Wettbewerbe der Frauen und die K.o.-Duelle im Eishockey stehen auf dem Programm.

Die Entscheidungen des Tages:

WettbewerbEntscheidung
Skispringen/Großschanze, TeamGOLD! DSV-Adler schreiben Wintermärchen
Bob/Zweier, MännerDeutsche Fahrer erleben ein Debakel
Freestyle/Sprung, MännerWeißrusse Kuschnir triumphiert
Biathlon/Massenstart, FrauenBitter! Sachenbacher-Stehle nur Vierte
Eiskunstlauf/Eistanz, KürGold für Davis/White

Was sonst noch wichtig war:

Curling I: Mit einer 7:8-Pleite gegen Russland verabschiedete sich das deutsche Team. Ein Sieg, acht Niederlagen: Die Bilanz ist ausbaufähig. "Das war nicht so ganz unsere Woche. Wir haben schön mitgespielt, aber wir haben auch alle unter unseren Möglichkeiten gespielt", resümierte Skip John Jahr, für den es die ersten und letzten Olympischen Spiele waren. Nach der WM in sechs Wochen in Peking hört er auf.

Womöglich bleibt der 48-Jährige, der die Förderung des deutschen Spitzensports durch den Bund als zu gering kritisiert hatte, dem Sport trotzdem erhalten. Er schloss ein finanzielles Engagement bei der Sporthilfe nicht aus. Das nötige Kleingeld dazu hätte der Millionär. Er ist Verlagserbe (Gruner + Jahr) und besitzt Anteile an den Casinos in Hamburg und Wiesbaden.

Curling II: Bei den Männern steht nach Schweden und Olympiasieger Kanada auch China in der Runde der letzten Vier. Großbritannien und Norwegen ermitteln im direkten Duell am Dienstag den vierten Halbfinalisten. Das Frauen-Halbfinale ist bereits komplett: Kanada trifft auf Großbritannien, Schweden auf die Schweiz.

Bob: Cool Runnings - Reggae im Zweierbob! Winston Watts und Marvin Dixon sorgten für gute Laune und waren nach drei Versuchen zwar nicht für den letzten Durchgang qualifiziert, aber immerhin nicht Letzter (Platz 29 von 30). Der Grund: Der serbische Bob ging im dritten Durchgang nicht mehr an den Start.

Der Rückstand auf die Olympiasieger Alexander Zubkov und Alexey Voevoda betrug 6,5 Sekunden. Für Watts geht es aber ohnehin um etwas anderes: "Ich spüre den olympischen Geist, seit ich aus dem Flugzeug gestiegen bin." Übrigens: Ein Ei haben die beiden Jamaikaner vor dem Start nicht geküsst.

Ski alpin: Felix Neureuther bleibt eines der deutschen Sorgenkinder in Sotschi. Der Riesenslalom-Start des 29-Jährigen, der sich vor seinem Abflug nach Sotschi bei einem Autounfall verletzte, ist eher unwahrscheinlich. Neureuther musste das Training abbrechen, nachdem ihm ein stechender Schmerz in den Nacken gefahren war. "Im Moment schaut es natürlich nicht gut aus", machte Vater Christian Neureuther für einen Start am Mittwoch wenig Hoffnung.

Eishockey: Im Olympia-Finale der Frauen kommt es zum Duell zwischen den USA und Kanada. Die US-Girls schlugen Schweden im Halbfinale mit 6:1, die Kanadierinnen setzten sich mit 3:1 gegen die Schweiz durch.

Mann des Tages: Steven Holcomb

Na klar: Es gibt noch grandiosere Leistungen als Bronze im Zweierbob zu gewinnen. Warum Steven Holcomb trotzdem ein würdiger Mann des Tages ist, lässt sich mit seiner Lebensgeschichte erklären. 2007 unternahm der US-Amerikaner einen Selbstmordversuch, als er 73 Schlaftabletten mit Whiskey hinunterspülte.

Der Grund: Beim heute 33-Jährigen wurde die scheinbar unheilbare Augenkrankheit Keratokonus diagnostiziert. Seine Bobkarriere schien beendet, der Lebenstraum von der Teilnahme an Olympischen Spielen geplatzt. Er wurde schwer depressiv.

Glücklicherweise wachte Holcomb aber wieder auf - und beschloss zu kämpfen. "Scheinbar war ich noch für einen größeren Zweck hier", sagt der Mann aus Utah heute. Ein Arzt aus Kalifornien konnte ihm mit einer nichtinvasiven Heilmethode helfen. Diese Methode heißt heute Holcomb C3-R.

Holcomb ist mittlerweile viermaliger Weltmeister, 2010 in Vancouver wurde er Olympiasieger im Vierer. Jetzt kam für den Mann, der nach Siegen etwas provokant ein blaues Shirt mit dem roten S auf der Brust präsentiert, Bronze dazu. Gut, dass sie noch da sind, Superman!

Frau des Tages: Darja Domratschewa

Gold in der Verfolgung, Gold im Einzelrennen, und nun auch noch Gold im Massenstart: Darja Domratschewa ist endgültig auf dem Biathlon-Olymp angekommen. Die Weißrussin hat als erste Biathletin in der Geschichte Olympischer Winterspiele das Gold-Triple geschafft.

Umgehend wurde sie von Staatspräsident Alexander Lukaschenko als "Heldin Weißrusslands" ausgezeichnet. "Liebe Dascha. Du bist einfach großartig! Ganz Weißrussland ist von Deinen Erfolgen entzückt. Unser Land versteht es, großartige Taten wie Deine zu honorieren. Von ganzem Herzen verleihe ich Dir daher die höchste Auszeichnung Deines Mutterlandes", teilte Lukaschenko per Telegramm mit.

Die 27-Jährige machte damit nicht nur ihrem ganzen Heimatland, sondern auch einmal mehr ihrem schwerkranken deutschen Trainer Klaus Siebert eine Freude. Der 58-Jährige kämpft seit gut drei Jahren gegen den Krebs, eine weitere Operation steht bevor.

Hier geht's zum Medaillenspiegel

"Ich habe ihm viel zu verdanken - sehr, sehr viel", hatte Domratschewa bereits nach ihrem zweiten Olympiasieg gesagt: "Ich hoffe, dass meine Goldmedaillen ihm helfen, richtig gesund zu werden." Drei Mal Gold gegen den Krebs - mehr konnte Domratschewa nun wirklich nicht für ihren Trainer tun.

Sprüche des Tages:

"Bitte nicht mehr andauernd anrufen und Müll schreiben."

(Per "Twitter" hat Jana Rudkowskaja, Ehefrau und Managerin von Eiskunstlauf-Superstar Jewgeni Pluschenko, die Journalisten aufgefordert, den Russen in Ruhe zu lassen. Er hatte in der vergangenen Woche verletzungsbedingt aus der Einzel-Konkurrenz aussteigen müssen und verkündete anschließend seinen sofortigen Rücktritt)

"Bei dem Wetter kannst du nicht starten, du musst ja was sehen. Das ist, wie wenn man sechs Formel-1-Wagen in den Tunnel schickt und das Licht ausmacht."

(Oliver Kraus, Sprecher von Snowboard Germany, zum Nebel über der Cross-Strecke in Rosa Chutor. Beim Snowboardcross gehen sechs Fahrer gleichzeitig auf die Strecke)

"Kombination ohne Eric? Das wäre wie Superbowl ohne Quarterback."

(US-Kombinierer Taylor Fletcher über den drohenden Ausfall des kranken Eric Frenzels)

"Gewinnen ist einfach. An der Spitze zu bleiben, ist viel schwieriger. Ganz oben bist du selbst dein größter Feind."

(US-Kombinierer Bryan Fletcher über den deutschen Olympiasieger Eric Frenzel)

"Ich habe nur geschrien: 'Lass' den Wombat aus dem Käfig!'"

(US-Alpincoach Sasha Rearick verrät seinen Motivationstrick für Schützling Andrew Weibrecht, Silbermedaillengewinner im Super-G am Sonntag)

"Es ist nichts Besonderes, es geht nur um's Ganze."

(Der slowakische Eishockey-Nationalspieler Zdeno Chara über die Bedeutung des nächsten Spiels gegen Tschechien)

"Während des letzten Steins konnte ich nicht mal meine eigenen Gedanken hören. Ich habe nur gehofft, dass ich keine Kommandos mehr rufen muss, weil die Wischer mich niemals gehört hätten."

(Skip Eve Muirhead von den britischen Curlerinnen über die Lautstärke im Ice Cube Curling Centre während des 9:6-Erfolges gegen Gastgeber Russland)

"Oranje übermächtig ... Ein Februar, den man nie mehr vergessen wird. Hollands Glorie - ein Triumphzug in Sotschi. Neben Tulpen, Tomaten, Deichen und alten Meistern geht es jetzt um Frauen und Männern mit Muskeln aus Stahl."

(Die Tageszeitung "De Telegraaf" ist nach den Siegen der niederländischen Eisschnellläufer/innen komplett aus dem Häuschen)

"Wo ist bloß unsere rote Maschine?"

(Die russische Zeitung "Sport Express" ist vom Auftreten ihrer Eishockey-Nationalmannschaft, die in die K.o.-Duelle muss, entsetzt)

Zahlen des Tages:

12. Februar - seither befindet sich der inhaftierte Sotschi-Kritiker und Umweltaktivist Jewgeni Witischko im Hungerstreik. Das teilte die Organisation "Umweltschutz im Nordkaukasus" (EWNC) mit.

40 Minuten mussten die Menschen auf der Medals Plaza im olympischen Park Thomas Anders ertragen. Von "Cheri, Cheri Lady" bis "Brother Louie" - die einst bessere Hälfte von Modern Talking ließ kaum eine Unverschämtheit aus.

2160 Liter Bier wurden im Kufenstüberl und im Deutschen Haus bereits vernichtet. Wenn wir schon in Sotschi sind, wäre Wodka doch wohl angebrachter. Doch auch beim Essen greifen die Deutschen nicht etwa auf russische Klassiker wie Soljanka oder Rind Stroganoff zurück. Stattdessen wurden 350 Kilo Leberkäse, 200 Kilo Weißwürste und 3500 Brezeln verhaftet.

Name des Tages: Emma Maria Josefin Eliasson

Ihr Name klingt recht harmlos. Doch wenn die schwedische Eishockey-Nationalspielerin zur Tat schreitet, knallt es gewaltig. Emma Eliasson arbeitet nämlich in Kiruna in der weltweit größten Eisenerz-Mine - als Sprengberechtigte.

Der Job in der nördlichsten Stadt Schwedens ist alles andere als ungefährlich. In den vergangenen Jahren kam es immer wieder zu Unfällen, die tödlich endeten. Die 24-Jährige geht damit - vorsichtig ausgedrückt - unaufgeregt um: "Wenn du stirbst, dann stirbst du eben."

Was bleibt ihr auch anderes übrig. Kiruna ist an krisensicheren Jobs nicht gerade reich, vom Eishockey allein kann Eliasson nicht leben. "Es bringt gutes Geld und es hält mich sogar fit", sagt sie. Ganz schön hart im nehmen, meinen wir.

Der Olympia-Zeitplan