Mehr als die Nummer eins hinter den Top zwei?

Von Benjamin Wahlen
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© SPOX

Drei Siege aus drei Spielen: Bayer Leverkusen ist ebenso perfekt wie eindrucksvoll in die neue Saison gestartet. Mit rheinischem Understatement und erfrischendem Offensivfußball scheint die Mannschaft von Trainer Hyypiä zur ernsthaften Konkurrenz für Bayern und Dortmund zu werden - wäre da nicht der fade Beigeschmack der Torschlusspanik.

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Bayer Leverkusen gehört seit mehr als 20 Jahren zu den Top-Adressen im deutschen Fußball. Die Werkself konnte sich in diesem Zeitraum, bis auf wenige Ausnahmen, immer für das internationale Geschäft qualifizieren. Was den Verein allerdings von Mannschaften wie Dortmund, Stuttgart oder Bremen unterscheidet, ist der fehlende Ausrutscher nach oben.

Leverkusen wartet seit dem Pokalsieg 1993 auf einen Titel. Dem gegenüber stehen neun zweite Plätze in der Meisterschaft und auf internationaler Ebene. Eine Bilanz, die Bayer den Spitznamen "Vizekusen" verschafft hat.

Auch wenn in der noch jungen Bundesligasaison vier Vereine eine weiße Weste vorzuweisen haben, hinterließ keine Mannschaft einen so überzeugenden Eindruck, wie die Mannen von Trainer Sami Hyypiä. Vor allem die deutlichen Siege gegen Freiburg und Mönchengladbach zeigen die ausgezeichnete Frühform Leverkusens.

Hilbert: Gute Qualität und viel Potenzial in der Mannschaft

Obwohl die neue Saison noch in den Kinderschuhen steckt, offenbart Leverkusen großes Potential, den eigenen Anspruch, die Nummer eins hinter den Top zwei zu sein, zu übertreffen.

Gründe dafür, gibt es genug

Ein Typ wie Sami

Mit Emir Spahic wurde vor der Saison ein erfahrener Innenverteidiger verpflichtet, auf den Bayer schon seit geraumer Zeit ein Auge geworfen hatte. Nachdem Manuel Friedrich den Ansprüchen nicht mehr gerecht werden konnte, erschien Spahic als perfekter Backup für das Stammduo Philipp Wollscheid und Ömer Toprak.

Schon während der Vorbereitung wurde aber deutlich, dass Spahic in den Plänen Hyypiäs, der seit Beginn dieser Saison alleine das Zepter in Leverkusen schwingt, mehr als nur eine Alternative darstellt. Spahic vereint Erfahrung und eine intelligente Spielweise. Was dem 32-Jährigen an Geschwindigkeit fehlt, fängt er durch ein ausgezeichnetes Stellungsspiel und taktische Cleverness ab.

Spahic zeichnet sich durch eine Spielweise aus, die aufgrund seiner unaufgesetzten Ruhe und Autorität stark an die seines Trainers erinnert. Er ist Hyypiäs verlängerter Arm und Bayers Abwehrchef. Nebenmann Toprak tut es sichtlich gut, weniger Verantwortung tragen zu müssen und sich mehr seinen Defensivaufgaben widmen zu können.

Das Umschaltspiel

Leverkusen empfing in dieser Saison Freiburg und Gladbach in der BayArena. Christian Streich und Lucien Favre sind dafür bekannt, dass eine stabile Defensive wichtigster Grundstein ihrer Spielsysteme ist. Umso schwieriger gestaltet es sich, beide Teams mit einer sehr dominanten Spielweise vor große Probleme zu stellen. Gerade auswärts stehen beide Mannschaften tief und stellen einem offensiv ausgerichteten Gegner ein solides Bollwerk entgegen, an dem sich so manche Sturmreihe die Zähne ausbeißt.

Anders Leverkusen. Vor einer dreifachen Sechs, die in der Bundesliga nur Leverkusen regelmäßig spielen lässt, agieren pfeilschnelle Spieler wie Sidney Sam und Heung-Min Son. Mit Stefan Kießling verfügt Bayer zudem über einen Stoßstürmer, der sich durch große Laufbereitschaft auszeichnet und seine Mitspieler immer wieder in Szene setzt. Diese Konstellation ermöglicht es Hyypiä, das Spiel entweder strukturiert aufzubauen, oder einen defensiv ausgerichteten Gegner mit schnellem Umschaltspiel zu überraschen.

Die Besetzung und Ausrichtung der Mannschaft ist ideal für schnelle Konter und aggressives Angriffspressing zur Ballrückgewinnung.

Gefühlt die Nase vorn

Auch wenn Bayern, Dortmund und Leverkusen im Gleichschritt durch die ersten drei Spiele marschierten, hat Bayer den größten Entwicklungsfortschritt vorzuweisen.

München siegte zwar bis zum Gastspiel beim SC, lässt den Glanz der Vorsaison unter Neu-Trainer Pep Guardiola bislang aber vermissen. Ähnlich geht es Borussia Dortmund. Dem souveränen Auftritt in Augsburg folgten knappe Siege gegen Braunschweig und Bremen, bei denen vor allem die mangelnde Chancenverwertung auffiel.

Hier ist Bayer schon deutlich weiter. Die schmerzhaften Abgänge von Andre Schürrle und Daniel Carvajal wurden sowohl teamintern als auch mit Neuzugängen abgefangen. Heung-Min Son macht jetzt schon deutlich, dass ihm Schürrles Fußstapfen keinesfalls zu groß sind.

In bestechender Form ist auch Sidney Sam, dem Hyypiä schon vor der Saison den Platz auf der rechten Außenbahn zusicherte. Der 25-Jährige zahlt dem Trainer das Vertrauen bisher mit drei Toren und zwei Assists zurück.

Auf der rechten Abwehrseite machen Giulio Donati und Roberto Hilbert Carvajal zwar nicht vergessen, sorgen mit soliden Leistungen aber für defensive Stabilität.

Die Mannschaft hat sich gefunden und präsentiert sich als geschlossene Einheit, die sich auch durch kurzfristige Rückschläge wie den Gladbacher Doppelschlag nicht zurückwerfen lässt. Bezeichnend dafür ist die Aussage des Trainers zu möglichen weiteren Verstärkungen: "Wenn noch jemand kommt, dann ist das in Ordnung. Und wenn keiner kommt, ist das auch okay."

Seite 2: Paradigmenwechsel, Understatement und das große Aber