Das deutsche Tennis feiert in Wimbledon einen Achtungserfolg. Vier Spieler haben es beim Grand-Slam-Turnier in die zweite Woche geschafft - mehr als aus jeder anderen Nation.
Seit elf Jahren ist Philipp Kohlschreiber schon Tennisprofi, aber auch ein Routinier macht bisweilen noch neue Erfahrungen. Der 28 Jahre alte Augsburger hatte gerade souverän 6:2, 6:3, 7:6 (8:6) gewonnen, doch die Zuschauer jubelten dem Verlierer zu.
Während der 30. der Weltrangliste unbeachtet seine Sachen packte, schrieb Lukas Rosol noch minutenlang Autogramme. Der Tscheche hatte es zwei Tage zuvor mit seinem Sieg gegen Rafael Nadal zur Berühmtheit gebracht. "Das war schon ein bisschen komisch. Dass der Verlierer gefeiert wird, ist mir niemals vorher passiert", gab Kohlschreiber zu.
Es war nicht die einzige Premiere für den 30. der Weltrangliste: Erstmals erreichte Kohlschreiber das Achtelfinale in Wimbledon. Nachdem sich am Freitag Angelique Kerber, Sabine Lisicki und Florian Mayer für die vierte Runde qualifiziert hatten, erhöhte Kohlschreiber am Samstag das deutsche Kontingent auf ein Quartett.
Vier Spieler in zweiter Woche
Vier Spieler an diesem Montag noch dabei zu haben, mehr als jede andere Nation, ist für das deutsche Tennis ein Achtungserfolg. Zuletzt hatten 1995 vier Deutsche die zweite Wimbledon-Woche erreicht: Boris Becker, Alexander Mronz, Steffi Graf und Anke Huber.
Kohlschreiber ist Realist genug, keine weiteren Parallelen zwischen vorgestern und heute zuzulassen. "Es ist sehr förderlich, wenn wir gute Ergebnisse machen. Positive Schlagzeilen sind immer gut. Aber es werden jetzt keine Wunder passieren", ordnete er die deutsche Halbzeitbilanz ein.
Euphorischer hatte sich sein Trainingspartner Florian Mayer nach seinem dramatischen Fünfsatzsieg gegen den Polen Jerzy Janowicz geäußert: "Bei den Grand Slams ist es einfach wichtig, gut aufzutreten, und das haben wir deutschen Herren zuletzt nicht geschafft. Vielleicht haben wir uns zu viel Druck gemacht. Andere sind immer über sich hinausgewachsen, aber uns ist das nicht gelungen. Jetzt schauen wir mal, wie weit es geht."
Kohlschreiber gegen Qualifikanten Baker
Die größten Chancen, das Interesse weiter zu steigern, hat Kohlschreiber. Nach dem nicht nur in seiner eigenen Wertung "von Anfang bis Ende fast perfektem Spiel" gegen Rosol, den er auf den Boden der Tatsachen zurückholte, trifft die deutsche Nummer zwei nun auf den Qualifikanten Brian Baker (Nummer 126) aus den USA.
Für den Augsburger, der die Rosols Erfahrungen einer glatten Niederlage nach einem Überraschungssieg selbst schon gemacht hat und die auch von ihm selbst geschürten Erwartungen dann enttäuschte, kein Grund zur überschwänglichen Vorfreude: "Schön, dass auch im nächsten Match die Chancen ausgeglichen sind und kein Federer wartet." Nach dem zweiten Einzug in ein Achtelfinale 2012 nach den Australian Open freute er sich aber "über die beste Grand-Slam-Phase meiner Karriere."
In einem Viertelfinale stand Kohlschreiber noch bei keinem der Major-Turniere. Im Gegensatz zu Florian Mayer, dem 2004 das Kunststück gelang, in Wimbledon Mitglied im "Last Eight Club" zu werden. Der Bayreuther steht gegen Richard Gasquet vor einer schweren Aufgabe. "Ich habe nichts zu verlieren", sagte Mayer. Gewonnen hat er gegen den Franzosen noch nie.
Rittner sieht für Kerber gegen Clijsters gute Chancen
Mit noch namhafterer Opposition bekommen es Angelique Kerber und Sabine Lisicki zu tun. Kerber, die Weltranglisten-Achte aus Kiel, trifft erstmals auf die lange verletzte Belgierin Kim Clijsters, Lisicki, die Nummer 15 aus Berlin, zum dritten Mal auf die stets siegreiche Weltranglisten-Erste Maria Scharapowa aus Russland.
Bundestrainerin Barbara Ritter schätzt die Chancen von Lisicki in der Revanche des letztjährigen Halbfinales "eher gering" ein.
Kerber traut sie mehr zu: "Angie macht im Moment alles richtig. Da muss Kim ihr bestes Tennis spielen. Ob sie das schon wieder schafft, weiß ich nicht." Autogramme aber wird in jedem Fall Publikumsliebling Clijsters bei ihrem letzten Wimbledon-Auftritt schreiben müssen.
Der Stand der ATP-Weltrangliste
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