Angst vor großem Imageschaden

Richard Rother
09. November 200720:15
Carl-Uwe Steeb (Bild) wird als Turnierdirektor am Rothenbaum von Michael Stich abgelöstGetty
Werbung
Werbung

München - Ästhetik, Eleganz, Perfektion - Begriffe, mit denen man bisher Tennis verband. Seit Wochen nun beschmutzen Spekulationen um Wettbetrug und Doping-Gerüchte die weiße Weste des Weißen Sports. SPOX.com sprach mit Carl-Uwe Steeb über rufschädigende Söldner und den Verfall einer Sportart. 

Charly Steeb holte 1988 an der Seite von Boris Becker den ersten deutschen Davis-Cup-Titel. Mit Bedauern verfolgt der 40-Jährige, wie immer mehr Zeugen immer mehr Gerüchte in die Welt streuen und damit eine Spirale in Gang setzen.

Gegenüber dem "WDR" äußerte sich zuletzt ein anonymer Zeuge über die konkreten Abläufe hinter den Kulissen. Steeb, der mittlerweile Direktor des Turniers am Hamburger Rothenbaum ist, schloss sich dem Tenor der Aktiven an: "Es gibt zu viele Gerüchte. Wenn jemand etwas sagt, muss er auch Namen nennen."

Halbwahrheiten schaden dem Sport

Denn nicht die Wahrheit hinterlässt Wunden, sondern die Lüge. Doch die aktuellen Halbwahrheiten brandmarken Steebs Meinung nach den Tennis-Zirkus dauerhaft. "Wenn es nicht aktiv angegangen wird, gibt es definitiv ein Imageproblem", so Steeb, der eine transparente Aufklärung fordert.

Der Nimbus der Makellosigkeit ist im Zuge der Gerüchte längst auf der Strecke geblieben. Um nachhaltig aber einen sauberen und fairen Sport zu präsentieren, ist es notwendig, dass die Öffentlichkeit nicht weiter hinters Licht geführt wird.

Die Presse kann helfen 

Im Gegenteil - der Medienhype kann zur Aufklärung beitragen. "Es scheint so, dass es der Öffentlichkeit im Moment gelegen kommt, die Vorfälle im Tennis groß zu machen. Aber durch die Präsenz in der Presse ist man auch gezwungen, hart durchzugreifen. Das hat etwas für sich", sagte Steeb.

Aber um hart durchgreifen zu können, muss zunächst der erste Sündenbock auf den Titelseiten der Medien prangen. Im Fokus der ATP steht nach wie vor der Weltranglisten-Vierte, Nikolai Dawidenko. Der Russe hatte ein denkwürdiges Match gegen den Weltranglisten-87. im dritten Satz aufgegeben, nachdem enorme Wettsummen auf genau dieses Ergebnis platziert worden waren.

Für Steeb macht Dawidenko als Drahtzieher dennoch keinen Sinn: "Ich sehe das Problem nicht in der Weltspitze, sondern eher im hinteren Bereich, wo die Spieler eben nicht gut verdienen." Der Anreiz zu manipulieren ist für diejenigen, die sich in den hinteren Rängen bewegen, wesentlich höher.

Es gibt kein Söldnertum 

Die These jedoch, dass im Tennis Söldner am Werk sind, die einzig das große Geld im Fokus haben, schließt Steeb aus: "Jeder fängt eine Sportart an, weil er eine Leidenschaft hat und nicht, weil er viel Geld verdienen kann."

"Wenn einer das Team in einer Mannschaftssportart fünf Mal wechselt, seine Leistung nicht bringt und trotzdem Millionen kassiert, dann könnte ich Söldnertum nachvollziehen, in einer Einzelsportart nicht. Wenn einem Tennisspieler die Leidenschaft fehlt, wird er auch nicht erfolgreich und verdient auch nichts", erklärte Steeb, dessen zwei Kinder leidenschaftlich Tennis spielen.

Auch wenn Geld nicht stinkt, kann es ein Spieler förmlich riechen, der sich in elitären Kreisen bewegt und dennoch nur kleinste Stücke vom großen Preisgeld-Kuchen abbekommt. Durch diese unmoralischen Angebote konnten anscheinend einige Aktive ein Vielfaches von dem verdienen, das sie durch faires Spielen nicht verdient hätten.

Wer an den Grenzen der eigenen Leistungsfähigkeit angekommen ist und dann mit dem Abgrund menschlicher Schwächen konfrontiert wird, überspringt dabei bisweilen das Verantwortungsbewusstsein gegenüber dem Sport.

Keiner will der böse Bube sein 

Um das Image des Tennis wiederherzustellen, müssen die Mitwisser reden und Namen nennen. Aber der "Tennis-Zirkus ist ein kleiner Kreis. Da will keiner der böse Bube sein", sagte Steeb und wies berechtigterweise darauf hin, dass für Schuldzuweisungen erst Beweise geliefert werden müssen.

Doch diese Beweise zu erbringen, liegt an der komplexen Zusammenarbeit zwischen der ATP und den Wettanbietern. Sportwetten gibt es schon seit Langem, das Zeitalter der Neuen Medien konfrontiert den Zirkus aber "mit Problemen, an die man früher nicht gedacht hat", so Steeb, der selbst schon Sportwetten eingegangen ist. "Verwerflich ist es nur, wenn mit Insiderinformationen gehandelt wird."

Steeb glaubt nach wie vor, dass "Tennis ein sauberer Sport ist". Um ihn aber auch öffentlich wieder reinzuwaschen, müssen den vielen Worten Taten folgen.