Das Wochenende hatte einiges an Spektakel zu bieten. Im Rahmen der verpflichtenden Kader-Kürzungen auf 53 Spieler erwischte es unter anderem auch drei Deutsche: Sowohl Björn Werner, als auch Moritz Böhringer und Markus Kuhn wurden (zunächst) entlassen. Was bedeutet derweil der Bradford-Trade? Warum geben die Ravens ihren Starting-Running-Back ab? SPOX beantwortet die fünf wichtigsten Fragen.
1. Wie geht es für Böhringer, Werner und Kuhn weiter?
Auf den ersten Blick könnte die Entlassung von Böhringer in Minnesota wie das vorläufige Ende seines NFL-Traums wirken - tatsächlich aber war sie vermutlich der bestmögliche Weg für den Receiver. Denn wie zuvor erwartet, holten die Vikings Böhringer in ihre Practice Squad zurück und das bietet ihm eine großartige Chance.
Böhringer, der hier mindestens 6.900 Dollar pro Woche verdient, kann jetzt ein Jahr lang an seiner Technik arbeiten, das Playbook weiter verinnerlichen und im Training Coaches auf sich aufmerksam machen. Die Practice-Squad-Spieler trainieren mit dem Team, somit erhält er wertvolle Reps. Und falls ihn ein anderes Team abwerben will, so müsste es Böhringer direkt in den aktiven Kader aufnehmen. Kurzum: Bleibt er fit, kann Böhringer jetzt monatelang lernen und dann 2017 einen neuen Angriff auf den 53-Mann-Kader in Minnesota starten.
Anders ist der Fall bei Björn Werner. Der einstige Erstrunden-Pick hatte nach seiner Entlassung in Indianapolis eine neue Chance in Jacksonville erhalten, und führte sich im ersten Preseason-Spiel auch prompt mit einem Sack gut ein. Doch die Jaguars haben eine extrem tief besetzte Defensive Front und entschieden sich gegen Werner. Der Pass-Rusher wird sich jetzt voraussichtlich weiter fit halten, während er auf ein neues Angebot wartet. Pass-Rusher - auch für Kadertiefe - haben in der NFL Hochkonjunktur, insofern ist ein erneutes Engagement weiterhin denkbar.
Erlebe ausgewählte Spiele der NFL auf DAZN. Hol Dir jetzt Deinen Gratismonat
Markus Kuhn durfte sich nach der Entlassung von Terrance Knighton in New England durchaus Hoffnung machen: Kuhn kam in der Preseason auffallend häufig und früh zum Einsatz, Patriots-Coach Bill Belichick lobte den Deutschen ungewöhnlich ausführlich. Und doch überstand er den finalen Kader-Cut nicht - ähnlich wie bei Werner in Jacksonville hatte es auch Kuhn in New England mit einer sehr tiefen Positionsgruppe zu tun.
Für Kuhn, der schon bei den Giants nie über eine Rotations-Rolle hinaus kam und Probleme in der Run-Defense offenbarte, dürfte es aus dem Trio am schwersten werden. Bei dem inzwischen 30-Jährigen könnte es bis in die Saison hinein dauern, ehe er eine neue Heimat findet.
2. Was bedeutet der Bradford-Trade für Vikes und Eagles?
Was Philadelphia in der ersten Offseason nach Chip Kelly gemacht hat, ist durchaus beeindruckend: Da wurden Kellys Star-Einkäufe in der Offense (DeMarco Murray) und der Defense (Byron Maxwell, Kiko Alonso) abgegeben, mit einem teuren Draft-Trade der erhoffte Franchise-Quarterback der Zukunft (Carson Wentz) geholt und die Defense unter dem neuen Trainerstab von einer 3-4 auf eine 4-3 umgestellt. Kurzum: Es war Aufräumarbeit angesagt.
Doch ein solcher Umbruch braucht naturgemäß Zeit, innerhalb einer Saison ist das nicht zu schaffen - und genau das drückten die Eagles dann auch mit dem Trade ihres Starting-Quarterbacks aus: Die durch die Verletzung von Teddy Bridgewater unter Zugzwang geratenen Minnesota Vikings gaben den Eagles etwas an Draft-Kapital zurück, das Philly für Wentz hatte opfern müssen, und erhielten im Gegenzug Sam Bradford.
Zwar bleiben die Eagles, die Bradford erst im Februar eine Vertragsverlängerung inklusive eines Unterschriftsbonus in Höhe von elf Millionen Dollar gegeben hatten, auf einigen Kosten sitzen - doch der Salary Cap ist in Philly nicht das große Problem, Draft-Picks dagegen ein wertvolles, rares Gut.
Insofern ist es zunächst einmal eine sehr positive Bilanz aus Eagles-Sicht, die dadurch unter anderem wieder einen Erstrunden-Draft-Pick haben, wenn der Draft im kommenden Jahr in Philadelphia stattfindet. Auf der anderen Seite aber wurde bekannt, dass die Verantwortlichen jetzt Wentz einsetzen wollen, und nicht etwa Backup Chase Daniel, den Coach Doug Pederson aus Kansas City mitgebracht hatte. Den Rookie hinter einer anfälligen O-Line und einem fragwürdigen Receiver-Corps zu früh rein zu werfen, könnte sich aus Eagles-Sicht allerdings rächen.
Minnesota: Titeltraum mit Bradford?
Die Vikings auf der anderen Seite wollten, das hatte Coach Mike Zimmer unmittelbar nach der schweren Verletzung von Bridgewater eindeutig verlauten lassen, die Saison nicht einfach abschreiben: Das Fenster für Running Back Adrian Peterson wird zunehmend kleiner, Zimmer hat jetzt eine junge, hungrige und bezahlbare Defense zusammen, die einen Titel gewinnen kann und die Vikings ziehen in ihr neues Stadion ein.
War es also ein Schnellschuss, der aus der Panik geboren wurde? Zumindest der hohe Preis (ein Erstrunden-Pick sowie ein weiterer, erfolgsabhängiger Draft-Pick, der sich ebenfalls als hohe Wahl entpuppen könnte) lässt darauf schließen. Allerdings hatte Bradford in Minnesota mindestens einen Fürsprecher, der ihn genauestens einschätzen kann.
Wer musste gehen, wer durfte bleiben? Die Entlassungen aller 32 Teams im Überblick
Vikings-Tight-End-Coach Pat Shurmur kennt Bradford besser, als die meisten Coaches in der NFL: Shurmur war Bradfords Offensive Coordinator, als er von den Rams gedraftet wurde, und war später auch sein Offensive Coordinator sowie Interims-Coach im Vorjahr in Philadelphia. Laut der Minneapolis Star-Tribune war Shurmur gar die treibende Kraft hinter dem Deal.
"Pat Shurmur gab uns großartige Blicke hinter die Kulissen was Sam angeht", gab auch Geschäftsführer Rick Spielman auf der Vikes-Website zu. Minnesotas Offensive Coordinator Norv Turner soll Bradford ebenfalls schon länger positiv im Blick haben. Sollte der frisch gebackene Viking das Playbook und die Offense schnell lernen können, dürfte die Offense in Minnesota zumindest genügend tun, damit die Defense Gegner in Schach hält.
3. Welche Star-Entlassung wird den größten Einfluss haben?
Josh Sitton - sofern er fit bleibt. Nach wie vor haben die Packers keine Angaben dazu gemacht, warum sie den All-Pro-Guard erst traden wollten und dann schließlich entlassen haben - ohne direkt über einen logischen Nachfolger zu verfügen.
Es schwächt die Offensive Line eines NFC-Contenders und macht somit nicht nur Aaron Rodgers, sondern vor allem Eddie Lacy das Leben schwerer. Doch nicht nur das: Sitton blieb, zu allem Überfluss aus Packers-Fan-Sicht, in der Division und unterschrieb schon am Sonntagabend in Chicago.
Gemeinsam mit Kyle Long, der am Wochenende seinerseits einen neuen Vertrag unterzeichnet hat, könnte Sitton noch auf Jahre das beste Guard-Duo in der NFC North bilden und spätestens wenn Center Hroniss Grasu 2017 nach überstandener Verletzung zurückkehrt, haben die Bears eine mehr als schlagkräftige Interior O-Line.
Dahinter wartet bereits Rookie Cody Whitehair, der womöglich in der kommenden Saison auf Center aushelfen könnte. Sollte Sittons Entlassung keine medizinischen Hintergründe haben, könnte er den Bears dabei helfen, wieder ein dominantes Running Game aufzuziehen und so endlich Jay Cutler aus der Schusslinie zu nehmen.
4. Warum hat Baltimore seinen Starting-Running-Back entlassen?
Viel hatte man in den vergangenen Monaten von Justin Forsett nicht gehört, dennoch hatte niemand auch nur ansatzweise gedacht, dass der Kaderplatz des 30-Jährigen (4,2 Yards pro Run im Vorjahr für die Ravens), dessen Vorsaison im November nach einem Armbruch beendet war, in Gefahr sein könnte. Viel hörte man dafür von den vermeintlichen Backups Terrance West und Kenneth Dixon, die das im Training und in der Preseason auch auf den Platz brachten - im Gegensatz zu Forsett.
Vor allem aber stehen finanzielle Gründe: Forsett, der vor eineinhalb Jahren einen Dreijahresvertrag über neun Millionen Dollar unterschrieben hatte, hinterlässt für 2016 lediglich Dead Cap in Höhe von 700.000 Dollar, während der Cap Hit von West (600.000) und Dixon (545.848) selbst zusammen gerechnet unter 1,5 Millionen Dollar liegt.
Coaches, Regeln, Fans: Alle neuen Infos vor dem Saisonstart
Aus Baltimores Sicht passten Geld und Leistung offenbar nicht mehr zusammen, doch zu einem günstigeren Tarif gibt es durchaus noch einen Platz für Forsett bei den Ravens. So halten sich seit Sonntag hartnäckige Gerüchte, wonach Baltimore den Running Back wieder unter Vertrag nehmen und ihn auch in Week 1 direkt einsetzen wird.
Es ist ein riskantes Spiel, da 31 andere Teams die Chance haben, dazwischenzugrätschen und Forsett schlicht etwas mehr Geld zu bieten als Baltimore. Geht es aber gut, haben die Ravens aus Team-Sicht alles richtig gemacht.
5. Welche Entlassungen fliegen unter dem Radar?
Josh Sitton und Justin Forsett waren am Samstag natürlich die großen Kracher - doch auch andere mehr oder weniger namhafte Spieler mussten ihren Spind räumen und könnten einem anderen Team in der kommenden Saison helfen, auch wenn sie in mancher Berichterstattung eventuell etwas durchs Raster fallen.
Der Week-4-Hangover: Alptraum, made in Hollywood
Die Packers etwa überraschten nicht nur mit dem Sitton-Cut, auch Linebacker Sam Barrington musste gehen - und kam prompt bei den Kansas City Chiefs unter, wo er hinter der starken Front glänzen könnte. Mit Henry Melton (Broncos) und Terrance Knighton (Patriots) sind zwei Defensive Tackle auf dem Markt, die zumindest Rotations-Wert haben sollten. New England entließ darüber hinaus unter anderem Receiver und Ex-Zweitrunden-Pick Aaron Dobson.
Hohe Draft-Picks mussten auch in New York den Hut nehmen: Cornerback Dee Milliner (Top-10-Pick 2013) und Tight End Jace Amaro (Zweitrunden-Pick 2014) wurden entlassen, womit sich die Jets zwei kostspielige Busts eingestehen. Milliner ging ohne neues Team durch das Waiver Wire und ist inzwischen auf der Injured-Reserve-Liste bei Gang Green zurück. Seine 4,028 Millionen Dollar wird er im letzten Jahr seines Rookie-Vertrags trotzdem kassieren. Amaro indes wurde von den Tennessee Titans verpflichtet.
In Seattle war aller O-Line-Probleme zum Trotz für einen der besten Guards der letzten zehn Jahre nach nur wenigen Wochen wieder Endstation: Jahri Evans wurde mit der Seahawks-Offense Berichten zufolge nie so wirklich warm, während Justin Britt, Mark Glowinski und Germain Ifedi in der Interior Line besser aussahen. Evans könnte anderswo nichtsdestotrotz noch eine solide Saison hinlegen. Stichwort Line: In Arizonas tiefer Defensive Line zog Red Bryant den Kürzeren - nach wie vor ein guter Run-Stopper und Unruheherd an der D-Line.
Dazu kommen mehrere Skill-Position-Player: Justin Hunter wurde von den Titans entlassen, die Miami Dolphins, bei denen DeVante Parker einen durchwachsenen August hatte, schnappten zu. Ebenfalls raus aus Tennessee: Die Running Backs Bishop Sankey (inzwischen New England) und Dexter McCluster. Die Bears hatten bei Rookie-Receiver Daniel Braverman Glück, Braverman ging durch das Waiver Wire und ist in Chicagos Practice Squad zurück.
Meistgelesene Artikel
Das könnte Dich auch interessieren



