Finn Fichtner

Erstmals seit 25 Jahren stehen die Indiana Pacers in den NBA-Finals. Gegen die Oklahoma City Thunder sind die Pacers krasser Außenseiter, doch sie haben mit Pascal Siakam einen Mann in ihren Reihen, der sich mit ungewöhnlichen Geschichten bestens auskennt. Still und heimlich wurde er zum wichtigsten Mann im Team von Rick Carlisle und lässt Indy vom ersten Meistertitel in der Geschichte träumen.<script src="https://cdn.fcp.codes/embed-code-template/embed-code-template.js#SINGLE_82b9bcbe-db0b-49ac-962e-af8476825a2c" async=""></script>

Er sollte Priester werden und ist jetzt die "zweitbeste Option" der NBA: Darum ist "MVP" Pascal Siakam der X-Faktor der Indiana Pacers in den Finals

"Warum kann dieses Team NBA-Champion werden?" Es ist die zentrale Frage, die die Indiana Pacers nur wenige Minuten nach ihrem ersten Einzug in die Final-Serie seit 2000 beschäftigte. In sechs Spielen hatte sich Indy zuvor gegen die New York Knicks durchgesetzt, doch nun wartet mit den Oklahoma City Thunder eben die ultimative Herausforderung und <a href="https://www.spox.com/nba/listen/unfassbarer-zirkus-shot-von-tyrese-haliburton-indiana-pacers-schocken-die-new-york-knicks-im-dramatischen-conference-final-der-nba-playoffs/bltb49e6d6ec10defcb" target="_blank">das laut Indianas Head Coach Rick Carlisle "beste Team des Planeten"</a>. Warum also sollten die Pacers, die schon die ganze Saison als Underdog galten und bei den Buchmachern erneut krasser Außenseiter sind, auch OKC schlagen und sich mit dem Titel krönen?Pascal Siakam brauchte auf die Frage der Reporterin gar nicht lange überlegen und antwortete direkt fest entschlossen: "Wir haben alles dafür, was es braucht, um Champion zu werden. Wir haben einen Mix aus jungen und erfahrenen Spielern und wir spielen gemeinsam als Team." Es war eine typische Antwort eines Teamplayers, der es bestens versteht, seine Mitspieler nicht nur auf dem Feld in Szene zu setzen. Bereits zuvor pries er die Leistungen von Andrew Nembhard an und dankte seinem Team und den Fans überschwänglich für ihr Vertrauen.Doch was Siakam in seiner bescheidenen Art und seiner Antwort auf die Frage verschwieg: Die Pacers können vor allem dank ihm Champion werden.

Die Pacers sind gegen das "beste Team des Planeten" nur Außenseiter

Das wissen sie auch in Indiana. "Der Siakam-Trade hat uns auf ein anderes Level gehoben", analysierte Carlisle daher treffend. Im Januar 2024 verpflichteten die Pacers den Kameruner von den Toronto Raptors. Drei Erstrundenpicks waren der zugegebenermaßen hohe Preis, der sich aus heutiger Perspektive bestens gelohnt hat. Indiana hatte bereits zuvor mit dem Trade für Tyrese Haliburton den Grundstein für ein neues, und dem Franchise-Namen entsprechend schnelles Zeitalter gelegt. Neben Haliburton, dem dienstältesten Myles Turner sowie vielen jungen und wilden Spielern fehlte noch ein Anführer mit Star-Potenzial.Siakam ist genau das. Eine Art Ruhepol. Der 31-Jährige ist öffentlich kein Lautsprecher und fällt auch auf dem Court selten mit auf den ersten Blick spektakulären Plays auf. Damit passt er bestens in das Spielsystem unter Carlisle, das laut Turner "nicht besonders flashy oder sexy" sei, "aber wir haben Erfolg", stellte der Center fest. Gleiches gilt eben für Siakam, dessen Auszeichnungskabinett unter dem Radar mittlerweile recht flashy und sexy daherkommt: In seinen neun Saisons in der NBA wurde er dreimal zum All-Star gewählt, zweimal in die All-NBA-Teams und wurde als Most Improved Player ausgezeichnet.Über allem steht natürlich der NBA-Titel 2019 mit den Raptors. Bereits hier bewies der Foward, dass er ein Mann für die großen Momente ist und schenkte den Golden State Warriors in Game 1 der Finals 32 Punkte ein - eine persönliche Bestleistung in den Playoffs zum perfekten Zeitpunkt. Bestes Timing und einen kühlen Kopf stellte er abermals in den Schlusssekunden des entscheidenden Game 6 zur Schau: Mit nur noch 26 Sekunden auf der Uhr traf er einen immens wichtigen Wurf zum vorentscheidenden 111:108. Seine Leistungen rangen erst kürzlich seinem damaligen Gegenspieler, der nicht dafür bekannt ist, mit Lobliedern um sich zu schmeißen, noch einmal mächtig Respekt ab: "Ich habe außer in der letzten Serie mit Minnesota gegen Julius Randle nur ein einziges Mal mein Matchup verloren. Das war in der Serie gegen Pascal Siakam. Als wir in Toronto gespielt haben, hat er mich zerstört", verneigte sich Draymond Green.

"Auf ein anderes Level gehoben": 2024 wechselt Siakam zu den Pacers

Mit dem Ring am Finger hat das Wort von Siakam in der Pacers-Kabine von Beginn an großes Gewicht. Er hat von Beginn an gespürt, dass seine "Führungsqualitäten gebraucht werden" und war sich seiner Pflicht bewusst: "Sie sehen mich hier als Champion, als einen Veteranen, der bereits eine Menge erreicht hat. Mein Input wird hier anders wahrgenommen", beschreibt Siakam sein Standing. Gemeinsam mit seinem Trainer (und Thomas Bryant, der 2023 beim Triumph der Nuggets 29 Sekunden in den gesamten Playoffs spielte) ist "Spicy P" der einzige Pacer mit Titelerfahrung.Dass sich diese bereits vor den diesjährigen Finals auszahlte, bewies er in den Conference Finals gegen die Knicks. Nachdem die Pacers nach einer spektakulären Aufholjagd Game 1 im Madison Square Garden klauten, war die Stimmung in der legendären New Yorker Arena im zweiten Duell aufgeladen und hitzig, die Knicks,bis in die Haarspitzen motiviert und die Fans ohrenbetäubend laut. Und während die Pacers ungewohnte Probleme offenbarten und Superstar Haliburton eine gefühlte Ewigkeit brauchte, um endlich seine ersten Punkte zu erzielen, spielte Siakam seinen Stiefel runter.<a href="https://www.spox.com/nba/listen/wissen-was-wir-zu-tun-haben-indiana-pacers-bringen-die-new-york-knicks-dank-pascal-siakam-in-bedraengnis-im-nba-halbfinale/bltde55778d9bc2a62d" target="_blank">Er nahm die offensive Last auf seine Schultern und trug die Pacers zur 2:0-Führung</a>. Die ersten 11 Zähler gingen allesamt auf sein Konto, zur Halbzeit stand er bei 23 Punkten und zu Spielende standen 39 Zähler hinter seinem Namen im Boxscore. Ein neues Career High in den Playoffs und wieder einmal zum perfekten Zeitpunkt.Grund für Eigenlob? Natürlich nicht. "Ich versuche nur mein Spiel zu spielen", analysierte Siakam nüchtern und rückte erneut seine Mitspieler ins Rampenlicht. "Shout-out an meine Teammates, die mich immer wieder gefunden haben und mich dazu gebracht haben, immer weiter anzugreifen. Das liebe ich an diesem Team. Uns interessiert nicht, wer punktet, sondern dass wir gewinnen."

"Sehen mich als Champion": Siakam führt Indiana in den wichtigen Momenten an

Seine Mitspieler zeigten sich im Anschluss jedoch von den Leistungen des 31-Jährigen nicht minder begeistert und beeindruckt: "Deswegen haben wir ihn hierher geholt. Er kann auf so vielen verschiedenen Wegen zum Korberfolg kommen. Er hat ein wichtiges Play nach dem anderen gemacht und war unglaublich für uns", lobte ihn Haliburton. Auch Carlisle konnte nur den Hut ziehen: "In der ersten Halbzeit war er derjenige, der uns in Schwung gebracht hat. Er hat uns durch einige wirklich schwierige Phasen geführt."Mit schwierigen Phasen kennt sich Siakam nun mal auch bestens aus. Sein Weg zum NBA-Champion hatte etliche Umwege parat und war alles andere als vorgezeichnet. Zwar erhielten seine drei älteren Brüder Sportstipendien in den USA, um die Liebe des Vaters zum Basketball fortzutragen und von einer NBA-Karriere zu träumen, doch für ihn war ein anderer Weg vorgezeichnet. Mit elf Jahren ging es für ihn auf ein katholisches Internat, das ihn als Priester ausbilden sollte.Doch schon als Teenager begann die Rebellion. Siakam versuchte nach eigenen Angaben "alles, um dort rauszukommen". Dass Basketball sein Weg zum Glück werden würde, war dabei nicht zwingend abzusehen. Der junge Siakam spielte zwar in der Freizeit ab und an, aber ohne in den Genuss eines professionelles Trainings und eine vernünftigen Ausbildung zu kommen. "Für jemanden, der nicht spielte, war ich ganz in Ordnung", wusste Siakam gegenüber ESPN auch sein damaliges Talent gewohnt untertrieben einzuschätzen.Er empfahl sich über mehrere Camps und machte seine noch mangelnden Basketballfähigkeiten mit seiner Physis und seinem Willen wett. Bevor er 2016 sein vorläufiges Ziel erreichte und im Draft an 27. Stelle von den Raptors ausgewählt wurde, musste er noch einen schweren Schock verdauen: Im Oktober 2014 verstarb sein Vater. Siakam, der sich gerade um ein neues Visum in den USA bemühte, hätte bei einer Ausreise vermutlich nicht zurückkehren dürfen. Er blieb in den USA und verpasste die Beerdigung.

Eigentlich sollte "Spicy P" Priester werden

In der NBA ging der steinige Weg für Siakam weiter. In seiner Debütsaison kam der Kameruner zwar in 55 Spielen in der NBA zum Einsatz, doch er lief zugleich auch in der G-League beim Ausbildungsteam der Raptors 905 auf. In der Ausbildungsliga sammelte er direkt den Meistertitel und wurde in der Finalserie als MVP ausgezeichnet. In der Folgesaison steigerte er seine Minuten bereits auf 20 Minuten pro Partie und etablierte sich als Bankspieler in der Rotation der Raptors. Der Durchbruch gelang ihm nur ein Jahr später mit einem Ausrufezeichen. 2018/19 startete er in 79 Partien, stand durchschnittlich über eine halbe Stunde auf dem Parkett und zahlte das Vertrauen eindrucksvoll zurück: Fast 17 Punkte pro Spiel gelangen ihm und er wurde als "Most Improved Player" ausgezeichnet.Sein Meistercoach, Nick Nurse, zeigte sich beeindruckt von seiner Entwicklung: "Er war super entschlossen und unglaublich fleißig." Siakam veränderte seinen Wurf und arbeitete stets an noch so kleinen Details, um besser zu werden. Eigenschaften, die ihn schon am College auszeichneten: "Er hatte die Mentalität eines Schwammes. Er hat jede Information aufgesogen und umgesetzt", lobte ihn Marvin Menzies, damaliger Coach in New Mexico State.Doch Siakams Geschichte und Arbeitsmoral imponierten nicht nur seinen Trainern, sondern auch seinen Mitspielern: "Er verbringt 10 bis 15 Minuten an einem einzigen Spot und übt einfach nur einen Wurf. Man sieht, wie hart er daran arbeitet", beschreibt Haliburton das detailverliebte Training seines Mitspielers. Mit seiner Arbeit aus der Mitteldistanz und dem Post ermöglicht "Spicy P" Indy stets einen letzten erfolgreichen Ausweg, falls die temporeiche Offensive doch einmal ins Stocken gerät.Zu Saisonbeginn aber konnte auch Siakam die Probleme der Pacers nicht alleine lösen. Nachdem im Vorjahr noch die Conference Finals erreicht wurden und gegen den späteren Meister aus Boston Schluss war, startete Indiana bescheiden mit einer Bilanz von 10-15 in die Saison und Haliburton erlebte eine der schwächsten Phasen seiner Karriere. Der Point Guard offenbarte rückblickend: "Wir hatten richtig zu kämpfen, hatten viele Meetings. Wenn ein Spieler diese einberufen und geführt hat, war er es. " "Er" ist natürlich Siakam.

Siakam hat die "Mentalität eines Schwammes"

Die Pacers und Haliburton fingen sich in der Folge. 40 der verbleibenden 57 Duelle gewannen sie und zogen als Vierter des Ostens in die Playoffs ein. Sie schlugen die Milwaukee Bucks, den großen Favoriten aus Cleveland, und schalteten zuletzt die Knicks aus. Dass sie häufig Außenseiter waren, kam ihnen und insbesondere Siakam zugute: "Wir haben hier eine Menge Typen, auf die die Leute herabschauen. Wir haben viele Underdogs. Das gefällt mir, denn das ist die Geschichte meines Lebens."Nachdem er mit einer <a href="https://www.spox.com/nba/listen/erstmals-seit-25-jahren-indiana-pacers-stehen-nach-hartem-fight-mit-den-new-york-knicks-in-den-nba-finals/blt8e65c421f97b7a0d#cs7f9b4cad3cee0134" target="_blank">Gala-Performance in Game 6 den Sieg gegen die Knicks klarmachte</a>, erhielt er zudem eine weitere individuelle Auszeichnung: Der Foward wurde zum MVP der Eastern Conference Finals gewählt. Eine durchaus überraschende Entscheidung, da<a href="https://www.spox.com/nba/listen/grosser-sieg-indiana-pacers-nach-historischer-leistung-von-tyrese-haliburton-kurz-vor-dem-einzug-in-die-nba-finals/blt9d99bd3620b0bfe5" target="_blank"> Haliburton teils historische Leistungen zeigte</a>, <a href="https://www.spox.com/nba/listen/unfassbarer-zirkus-shot-von-tyrese-haliburton-indiana-pacers-schocken-die-new-york-knicks-im-dramatischen-conference-final-der-nba-playoffs/bltb49e6d6ec10defcb" target="_blank">legendäre Würfe traf</a> und die Pacers in allen wichtigen Kategorien außer den Punkten anführte. So kam es, dass auch Siakams Mitspieler der altbekannte Fehler unterlief und er Siakam unterschätzte. <a href="https://x.com/CourtsideBuzzX/status/1929021280684011883" target="_blank">Als der Gewinner ausgerufen wurde, wagte Hali bereits einen Schritt nach vorne, bevor er Siakam den Vortritt lassen musste.</a>Dass Siakam in seiner Karriere es bisher nicht schaffte, "den einen Schritt" nach vorne zu machen und zum absoluten Superstar aufzusteigen, musste er sich erst kürzlich wieder von Gilbert Arenas anhören: "Ich dachte, er wäre ihre erste Option nach dem Trade. Es ist beunruhigend, dass er es nicht ist. Wenn es dein Spielmacher ist, dann hast du keine Chance auf den Titel", ließ er die Welt wissen und tippte vor der Serie fälschlich auf die Knicks.Doch auch nach seinem Erfolg mit dem Team und dem persönlichen Triumph ließ sich Siakam am Mikrofon weder zu großen Tönen, noch zu einer Retourkutsche hinreißen: "Ich weiß, dass ich nicht der Typ bin, über den jeder viel redet und all das Zeug - und das ist mir wirklich egal. Ich bin nur ein junger Kerl aus Kamerun, der mit 18 Jahren in die USA gezogen ist und alles dem Basketball gewidmet hat. Ich arbeite einfach jeden einzelnen Tag."Allzu jung ist er mittlerweile nicht mehr, doch gerade deswegen hat er die nötige Erfahrung und weiß seine Stimme dann zu erheben, wenn es intern darauf ankommt. Bis dahin arbeitet die beste zweitbeste Option der NBA einfach weiter still und heimlich an der nächsten großen Underdog-Story und seinem zweiten Titel in der NBA. Er hat alles, was es dafür braucht.

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