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FC Schalke 04


Gründer: Wuschelknuddel | Mitglieder: 189 | Beiträge: 131
14.12.2010 um 09:28 Uhr
Geschrieben von La_Pulga
Es ist wie ein Fluch...


"Gewöhn dich lieber dran, Jung", murmelte mein Vater enttäuscht.

Ich saß auf dem Boden, ich war geschockt, ich konnte es kaum fassen... Die Kamera zeigte den Rasen des Parkstadions, tausende Schalker trauerten, viele weinten, unter ihnen auch Rudi Assauer und mein Idol Ebbe Sand. Es waren schreckliche Bilder. Ich hatte in meinem Leben vorher noch nicht viel Schlimmes erlebt, für mich war der Schock daher umso größer.

Wir schreiben den 19. Mai 2001, einen Tag der sich in die Seele der Schalker einbrennen sollte wie kein anderes Ereignis der jüngeren Vergangenheit. Die Details muss ich hier sicher nicht erzählen, jeder weiß, was damals passierte: Schalke fühlte sich dank einer Fehlinformation bereits als Meister, vier Minuten lang. Doch dann erzielt Anderson für die Bayern in Hamburg das 1:1 – die Meisterschaft war weg. Auf einen Schlag alles weg, unglaublich...




Der Stachel sitzt tief:
In unserem Wohnzimmer ist es ganz still geworden, ich hatte mir das Spiel mit meinem Vater vor dem Fernseher angeschaut, auch wir waren schon in Feierlaune, bis uns der Schock traf.
Wie das passieren konnte?! Das war in dem Moment völlig egal, das blamable Spiel in Stuttgart eine Woche zuvor war vergessen, die tolle Aufholjagd und der 5:3 Sieg über Unterhachingen interessierte nicht, wie die Bayern das Spiel gegen den HSV gewonnen haben – völlig irrelevant.

Vier Minuten im Mai

Zum Denken oder Analysieren war nicht die richtige Zeit, für keinen Blau-Weißen. Trauer war an der Tagesordnung, bei den Fans, bei den Verantwortlichen, bei den Spielern und natürlich auch bei mir.
Ich war damals noch recht jung und konnte die Tragweite der Situation sicher nicht voll erfassen, trotzdem war es für mich damals schon ein unglaublicher Schock.

Mein Vater, schon knapp 40 Jahre Schalker, war kaum ansprechbar. Alles was er von selbst hervorbrachte war: "Gewöhn dich lieber dran, Jung". Doch nachdem ein paar Stunden ins Land gezogen waren fragte ich ihn, was er damit meinte und bekam zu hören: "Es ist schon unzählige Male passiert, dass Schalker in den entscheidenen Momenten enttäuscht werden, das gehört anscheinend dazu..."


Diese Worte sollten das folgende Jahrzehnt prägen, sie sollten mich prägen.

Im Nachhinein stellen sich natürlich viele Fragen, auch heute fragt man sich immer noch, wie die Vier-Minuten im Mai 2001 zu Stande kamen. Musste Merk wirklich auf Rückpass entscheiden, wieso hat Schober den Ball nicht einfach in den Himmel geschossen, musste Merk wirklich vier Minuten Nachspielzeit geben, obwohl Bayern vorher das ganze Spiel verzögert hat und wurde Schober nicht doch festgehalten als er bei dem Freistoß rauslaufen wollte?

Doch es ist nicht mehr zu ändern, es ist passiert und eine Meisterschaft in den Folgejahren hätte das vielleicht vergessen lassen. Aber zu einem Ligatitel sollte es nicht kommen.

Den DFB-Pokal konnte ich feiern, sogar zweimal, beim ersten Mal fuhren mein Vater und ich hupend durch die Straßen, drehten immer wieder die selbe Runde bis uns schließlich die Polizei stoppte. Es war nur eine Woche nach der Tragödie vom 19. Mai. Erfolg lässt vergessen, vor allem uns Schalker. Zu mehr reichte es allerdings nicht, die Meisterschaft sollte uns nicht gegönnt sein:

Der Fluch entwickelt sich:
In der Saison 2004/2005, Schalke wurde damals von Ralf Rangnick trainiert, folgte die nächste Vizemeisterschaft. Es gab lange Zeit einen Zweikampf zwischen Bayern und Schalke, nach einem Sieg im direkten Duell (Traumtor Lincoln) übernahm Schalke die Spitze. Doch während Bayern die folgenden Ligaspiele für sich entschied, stolperte Schalke zeitweise über die eigenen Füße, am Ende wurde Bayern deutlich Meister.

Es entstand auf Schalke eine Art Mentalität, es sah so aus, als können die Knappen nicht mit dem Status des Gejagten umgehen. Der "Tabellenführer-Fluch" legte sich über Gelsenkirchen und er sollte allen Schalkern noch zu schaffen machen.

Derbyniederlagen verhindern den Titel:
Zwei Jahre später holte der VfB Stuttgart die deutsche Meisterschaft, der FC Schalke verlor, nachdem er auf Platz eins geklettert war ausgerechnet die Derbys gegen den VfL Bochum und Borussia Dortmund – erneut Vizemeister. Der Fluch schien unaufhaltsam, Schalke hat 2001 anscheinend das Verlierergen eingeimpft bekommen. Königsblau kann nicht mit Druck umgehen und bekommt wacklige Knie, wenn es um etwas geht. Eine Entwicklung die bis heute nicht gestoppt werden konnte.

Auch wenn 2007 kaum noch Spieler dabei waren, die, die "Meisterschaft der Herzen" miterlebt haben, scheint die Region um Gelsenkirchen einfach nicht bereit für den Titel, es sieht aus als wäre die Vergangenheit zu prägend gewesen. Mitterweile warten wir Knappen seit 1958 auf den nächsten Meistertitel und auch in der letzten Saison waren wir nah dran:

Die letzte Saison:
Zugegebener Maßen war die Vizemeisterschaft im letzten Jahr ein riesiger Erfolg, mit dem kein Schalker gerechnet hatte. Trotzdem viel der "Tabellenführer" Fluch erneut ins Auge:
Am 28. Spieltag übernahm Königsblau die Spitze, verlor selbige aber bereits eine Woche später durch eine Niederlage gegen die Bayern.

Rückblickend betrachtet bekommt Schalke immer ungefähr acht Spieltage vor Schluss weiche Knie, das Zittern geht los. Auch bei den Fans hat sich das mittlerweile eingebrannt, ich ertappe mich selber dabei, dass ich anfange nervös zu werden, sobald Schalke oben steht. Mein Vater versucht mittlerweile "cool" zu bleiben, stapelt lieber tief. Doch auch er brennt innerlich noch immer, wie sollte es anderes sein?!


Das einzige was die Blockade lösen kann wäre wohl ein Meistertitel. Denn auch wenn UEFA-Cup und DFB-Pokal schöne Erfolge sind, braucht ganz Gelsenkirchen einfach eine Meisterschaft.
Bis dahin werden wir weiter zittern, wir werden weiter leiden, wir werden weiter die Angst vorm Versagen mit uns herumschleppen und den Titel des "ewigen Vizemeisters".

Aber es gibt etwas, was uns Schalker weiter glauben lässt: Unsere Liebe zum Verein.



Solange es die Fans gibt und Identifikationsfiguren wie Ebbe Sand, Gerald Asamoah oder Manuel Neuer, wird Schalke leben und weiter nach dem ganz großen Ziel streben. Und auch wenn es noch 20 Vizemeisterschaften gibt, wird das Stadion in der Folgesaison wieder voll sein und Königsblau wird wieder Farbe der Euphorie sein. Auch wenn die Vier-Minuten Meisterschaft enttäuschend war, sie hat zusammengeschweißt und hungrig gemacht.


Wann es mit dem Titel klappt weiß ich allerdings nicht, trotzdem bin ich mir sicher, dass ich meinem Sohn später nicht sagen muss:

"Gewöhn dich lieber dran, Jung"!

Glück Auf!

La_Puga

Aufrufe: 8057 | Kommentare: 33 | Bewertungen: 32 | Erstellt:14.12.2010
ø 9.4
KOMMENTARE
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Lashman
14.12.2010 | 15:25 Uhr
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Lashman : @ La_Pulga
14.12.2010 | 15:25 Uhr
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Lashman : @ La_Pulga
Das war soo ein bitterer Tag, während der ersten Halbzeit saß ich noch im Auto und musste mir im Radio anhören wie Schalke am Verlieren ist, dann komm ich nach Hause, mach den Fernseher an, und seh diese grandiose Aufholjagd, und wurde dann doch so entäuscht...

Für Schalke-Fans ein bisschen wie der 11.September, jeder weiß noch was er gemacht hat und wo er war..
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Famos
14.12.2010 | 15:09 Uhr
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-2
Famos : 
14.12.2010 | 15:09 Uhr
-2
Famos : 
weltklasse pulga. glatte 10 points......

ps: ein leben laaaaaaaaaang, keine schale in der hand.
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La_Pulga
14.12.2010 | 14:37 Uhr
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La_Pulga : 
14.12.2010 | 14:37 Uhr
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La_Pulga : 
@Lashman: Oh man, ich kann es mir vorstellen...
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gartenzwerg
14.12.2010 | 14:36 Uhr
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14.12.2010 | 14:36 Uhr
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Ich hab mir eben (mal wieder) das Video gegeben....
Was war ich (als HSVer) sauer!
Da führten so viele Kannentscheidungen zu dieser Tragödie,
das war unfassbar.
ZUm Glück macht auuf hamburger Seite der Urschalker den Fehler,
dadurch kann keiner von Manipulation sprechen...
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Torres9
14.12.2010 | 14:29 Uhr
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Torres9 : 
14.12.2010 | 14:29 Uhr
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Torres9 : 
Kopf Hoch, Jung! Gewöhn dich lieber dran!

In diesem Sinne:

10 Punkte. Habe ich sehr gerne gelesen
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YM89
14.12.2010 | 14:27 Uhr
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YM89 : 
14.12.2010 | 14:27 Uhr
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YM89 : 
der 19. mai!

pure emotionen und ein feiertag für jeden bayern fan
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riesery
14.12.2010 | 14:02 Uhr
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riesery : 
14.12.2010 | 14:02 Uhr
-1
riesery : 
wirklich guter Blog

Das Video kannte ich bereits aber ich kann es mir immer und immer wieder anschauen einfach der Wahnsinn dieses Saisonfinale Hitchcock hätte es nicht besser machen können
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Lashman
14.12.2010 | 13:55 Uhr
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Lashman : 
14.12.2010 | 13:55 Uhr
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Lashman : 
Kann mich noch erinnern, wie ich aus dem Haus auf die Straße gerannt bin, und mitten auf der Straße dermaßen laut gejubelt habe... Als ich dan so 3 1/2 Minuten später reinkam, stand mein Bruder an der Haustür, und meinte Bayern habe noch den Ausgleich gemacht. Man konnte mich danach Tage lang nicht vernünftig ansprechen ...
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Voegi
MODERATOR
14.12.2010 | 13:50 Uhr
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Voegi : 
14.12.2010 | 13:50 Uhr
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Voegi : 
sehr schön geschrieben, lapulga!
als bayern-fan muss ich ein wenig aufpassen, was ich sage. könnte mir schnell als heuchelei ausgelegt werden. ich will also ehrlich sein: an jenem 19. mai 2001 habe ich den größten jubelschrei meines lebens rausgelassen. als andersson das ding in die maschen setzte, das war für mich einfach nur geil! und für einen schalker einfach nur unendlich bitter. ich habe sehr wohl mitgefühlt, wenngleich meine freude natürlich überwog. ich denke, das schlimme war diese verdammte fehlinformation. wenn man sich nicht schon als meister gewähnt hätte, wäre es nicht ganz so schlimm gewesen. aber... so... brutal!

aber super, wie du das hier aufgearbeitet hast!
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UliFan
MODERATOR
14.12.2010 | 13:22 Uhr
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UliFan : 
14.12.2010 | 13:22 Uhr
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UliFan : 
Super Blog La_Pulga der bei mir, sorry, sehr schöne Erinnerungen hervor gezaubert hat.
Das war ein echt unglaubliches Wechselbad der Gefühle an diesen Tag vom Tor des HSV angefangen bis hin zu unserem Ausgleich. Bis heute kann ich mich an jede einzelne Sekunde dieser 4 Minuten erinnern und v.a an meinen Schrei nach dem 1:1 ( die halbe Nachbarschaft leidet heute noch unter den Folgen des Hörsturzes )
Die bislang schönste Meisterschaft die ich miterlebt habe.
Und ich bin mir ziemlich sicher dein Sohn wirds irgendwann mal erleben, nochmal 50 Jahre ohne kann echt nicht sein 
Oder wenigstens dein Enkel

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