21.09.2010 um 00:29 Uhr
Geschrieben von _catenaccio
Bayer Leverkusen, 2001/2002
Ich weiss, dass hier über Taktik gesprochen werden soll. Welche Formation steht auf dem Platz, wer spielt hinter den Spitzen, wer führt ein eisernes Regiment im Mittelfeld und wer sorgt für Ruhe in den Abwehrreihen? Spielt die Mannschaft abwartend, rührt Beton an oder traut sich auch mal ins offene Messer zu laufen? Um über Taktik sprechen zu können, muss ich jedoch zunächst über Gefühle sprechen. Über Gefühle, die sicherlich eine ganze Nation bewegt haben. Schalke hat seine Minutenmeisterschaft und Leverkusen hatte sein Triple-Vizekusen. Diesem Jahr weine ich noch heute Tränen nach.
Ein Jahr von dem niemand erwartet hätte, dass es dieses Jahr würde. Ein Jahr, wie es keins mehr geben wird. Die Spieler von damals werden nicht müde zu betonen, dass es ein fantastisches Jahr war und dass sie mit den besten Europas konkurrierten, aber es war trotzdem ein Jahr, dass lediglich aus drei Zweien bestand, sinnbildlich für das Versagen. Nicht ein Titel, trotz guter Ausgangslage in der Bundesliga, einer furiosen Champions League-Runde und trotz eines Gegners im Pokal, der sicherlich schlagbar war.
Von den Spielern gab es einige, die noch eine vierte Zwei hinzufügten, mit der Vizeweltmeisterschaft in Südkorea und Japan. Hätte jemand vor der WM gesagt, dass man unter Teamchef Rudi Völler Zweiter werden würde, hätte alle Mann gelacht und dies nicht für möglich gehalten und wohl auch irgendwie für einen Erfolg gehalten. Für Akteure wie Carsten Ramelow, Oliver Neuville, Bernd Schneider oder Michael Ballack war es lediglich eine nimmer endenes Tal der Tränen.
Alles Begann mit der Verpflichtung Klaus Toppmöllers, der vor der ominösen Saison 2001/2002 sein Traineramt in Leverkusen übernahm. Er hatte Spieler zur Verfügung, die über enormes Potenzial verfügten, jedoch befand sich das Team im Umbruch. In der Spielzeit zuvor hatte es drei Trainer gegeben mit Christof Daum, Rudi Völler und Berti Vogts. Eine Einheit gab es nicht. Ein Ze Roberto wollte wechseln, ein Michael Ballack dachte ebenfalls über eine Flucht nach. Die Mannschaft bestand aus vielen kleinen Grüppchen, die in der Ära Vogts entstanden war und die Toppmöller zu einer Einheit formte.
Toppmöller prägte die Leverkusener Zeit mit einem 4-1-4-1, dass äußerst flexibel war. Kernstück der Abwehr waren die beiden Innenverteidiger, die entweder durch die Außen verstärkt wurden oder durch den Spieler vor der Abwehr. Dies war abhängig davon, was die Außenpositionen im Mittelfeld gerade anstellten. Gingen die Spieler in die Offensive, konnten die Defensiven nachrücken, so dass schnell ein Übergewicht in der gegnerischen Hälfte entstand. Fehlte ein Mann hinten half der Akteur vor der Abwehr aus. Dies schuf Sicherheit, aber auch Potenzial für offensives Spiel, dass Leverkusen in dieser Spielzeit zelebrierte.
Leverkusen 2001/2002
Die übliche Aufstellung der Werkself in dieser Saison
Die einzige Spitze wurde entweder ebenfalls durch die Außenspieler des Mittelfelds ergänzt oder durch die zentralen Spieler hinter den Spitzen, die in der Leverkusener Zeit sehr offensiv und torgefährlich interpretiert wurden. All diese Positionen lassen sich relativ leicht mit Namen benennen, ohne dass dort groß rotiert wurde, was letztlich eine der Schwachstellen des Leverkusener Kaders wurde. Die Tiefe fehlte der Werkself, so dass im Zweifelsfall keine ädaquate Ersatzlösung bereitstand für die erste Elf.
Den Lonesome Cowboy mimte in der Spitze Oliver Neuville. Neuville, ein kleiner, quirliger Stürmer wurde zunächst von vielen Taktikern belächelt. Wie sollte sich so ein Wicht, alleine im Sturm durchsetzen? Überhaupt? Ein einziger Stürmer? Ungewöhnlich in diesen Jahren. Wie modern es war zeigt uns heute noch Ivica Olic bei den Bayern, der eine ähnliche Rolle spielt, bzw. die 1-Mann-Sturmformationen diverser Topteams. Neuville war vielleicht nicht ganz so bissig wie ein Olic, stand aber immer am rechten Fleck und nutzte die Chancen, die sich ihm boten oder schuf Räume für Michael Ballack.
Hinter Neuville agierten Michael Ballack und Yildiray Bastürk. Der Virtuose und der Wuchtige. Während der Türke für die Kabinettstückchen herhielt, ging Ballack immer dahin, wo es weh tat, ergänzte Neuville gegebenenfalls oder nickte bei Standards bärenstark ein. Jupp Heynckes probierte noch vor der Saison Ballack in so einer Position wieder aus. Ballack entwickelte sich in dieser Saison zu einem der torgefährlichsten Mittelfeldspieler der Welt.
Auf den Außenpositionen wirbelten Ze Roberto und Bernd Schneider. Dass Ze Roberto seine Qualitäten hatte, wusste die Fachwelt, aber Bernd Schneider war den meisten ein Buch mit sieben Siegeln. Der spätere weiße Brasilianer war auf dem Trainingsplatz ein Derwisch, der jegliche Technikspielereien aus dem Effeff beherrschte, doch auf dem Platz sah man davon nichts. Toppmöller erkannte sein Talent, gab ihm das Vertrauen und "Schnix" zahlte es ihm zurück. So einfach kann es manchmal sein.
Die eigentliche Meisterleistung gelang Toppmöller in der Aufstellung des Defensivverbunds. In der Innenverteidigung spielten meist Lucio und Nowotny, der sich jedoch bald verletzte und durch Zivkovic ersetzt wurde. Davor machte sich Carsten Ramelow nützlich und rückte im Zweifelsfall mit in die Abwehr. Auf den Außen traf man auf Zoltan Sebescen und Diego Placente, die auch immer wieder die offensiven Möglichkeiten wahrnahmen und sich die Angriffe der Werkself einschalteten.
Die Leverkusener Spieler machten die Saison ihres Lebens. Drei Finals zu erreichen, schafften bis heute nur ganz wenige. Was fehlte war der Erfolg, der eine Erfolg - ein erster Platz und Leverkusen wäre nicht das, was es heute ist. Dies ist nicht Klaus Toppmöller und seiner Taktik geschuldet, sondern dem Pech und der individuellen Klasse bspws. eines Zinedine Zidanes, der mit einem Schuss die Träume von der Champions League zu nichte machte.
Am Ende steht Werkself-Goalie Jörg Butt noch einsam hier auf diesem Papier. Die einzige Nummer 1 in dieser Leverkusener Gleichung von 2001/2002, die so sah er es auch selbst, vielleicht für den ein oder anderen verspielten Titel verantwortlich ist.
Ein Jahr von dem niemand erwartet hätte, dass es dieses Jahr würde. Ein Jahr, wie es keins mehr geben wird. Die Spieler von damals werden nicht müde zu betonen, dass es ein fantastisches Jahr war und dass sie mit den besten Europas konkurrierten, aber es war trotzdem ein Jahr, dass lediglich aus drei Zweien bestand, sinnbildlich für das Versagen. Nicht ein Titel, trotz guter Ausgangslage in der Bundesliga, einer furiosen Champions League-Runde und trotz eines Gegners im Pokal, der sicherlich schlagbar war.
Von den Spielern gab es einige, die noch eine vierte Zwei hinzufügten, mit der Vizeweltmeisterschaft in Südkorea und Japan. Hätte jemand vor der WM gesagt, dass man unter Teamchef Rudi Völler Zweiter werden würde, hätte alle Mann gelacht und dies nicht für möglich gehalten und wohl auch irgendwie für einen Erfolg gehalten. Für Akteure wie Carsten Ramelow, Oliver Neuville, Bernd Schneider oder Michael Ballack war es lediglich eine nimmer endenes Tal der Tränen.
Alles Begann mit der Verpflichtung Klaus Toppmöllers, der vor der ominösen Saison 2001/2002 sein Traineramt in Leverkusen übernahm. Er hatte Spieler zur Verfügung, die über enormes Potenzial verfügten, jedoch befand sich das Team im Umbruch. In der Spielzeit zuvor hatte es drei Trainer gegeben mit Christof Daum, Rudi Völler und Berti Vogts. Eine Einheit gab es nicht. Ein Ze Roberto wollte wechseln, ein Michael Ballack dachte ebenfalls über eine Flucht nach. Die Mannschaft bestand aus vielen kleinen Grüppchen, die in der Ära Vogts entstanden war und die Toppmöller zu einer Einheit formte.
Toppmöller prägte die Leverkusener Zeit mit einem 4-1-4-1, dass äußerst flexibel war. Kernstück der Abwehr waren die beiden Innenverteidiger, die entweder durch die Außen verstärkt wurden oder durch den Spieler vor der Abwehr. Dies war abhängig davon, was die Außenpositionen im Mittelfeld gerade anstellten. Gingen die Spieler in die Offensive, konnten die Defensiven nachrücken, so dass schnell ein Übergewicht in der gegnerischen Hälfte entstand. Fehlte ein Mann hinten half der Akteur vor der Abwehr aus. Dies schuf Sicherheit, aber auch Potenzial für offensives Spiel, dass Leverkusen in dieser Spielzeit zelebrierte.
Leverkusen 2001/2002
Die übliche Aufstellung der Werkself in dieser Saison
Die einzige Spitze wurde entweder ebenfalls durch die Außenspieler des Mittelfelds ergänzt oder durch die zentralen Spieler hinter den Spitzen, die in der Leverkusener Zeit sehr offensiv und torgefährlich interpretiert wurden. All diese Positionen lassen sich relativ leicht mit Namen benennen, ohne dass dort groß rotiert wurde, was letztlich eine der Schwachstellen des Leverkusener Kaders wurde. Die Tiefe fehlte der Werkself, so dass im Zweifelsfall keine ädaquate Ersatzlösung bereitstand für die erste Elf.
Den Lonesome Cowboy mimte in der Spitze Oliver Neuville. Neuville, ein kleiner, quirliger Stürmer wurde zunächst von vielen Taktikern belächelt. Wie sollte sich so ein Wicht, alleine im Sturm durchsetzen? Überhaupt? Ein einziger Stürmer? Ungewöhnlich in diesen Jahren. Wie modern es war zeigt uns heute noch Ivica Olic bei den Bayern, der eine ähnliche Rolle spielt, bzw. die 1-Mann-Sturmformationen diverser Topteams. Neuville war vielleicht nicht ganz so bissig wie ein Olic, stand aber immer am rechten Fleck und nutzte die Chancen, die sich ihm boten oder schuf Räume für Michael Ballack.
Hinter Neuville agierten Michael Ballack und Yildiray Bastürk. Der Virtuose und der Wuchtige. Während der Türke für die Kabinettstückchen herhielt, ging Ballack immer dahin, wo es weh tat, ergänzte Neuville gegebenenfalls oder nickte bei Standards bärenstark ein. Jupp Heynckes probierte noch vor der Saison Ballack in so einer Position wieder aus. Ballack entwickelte sich in dieser Saison zu einem der torgefährlichsten Mittelfeldspieler der Welt.
Auf den Außenpositionen wirbelten Ze Roberto und Bernd Schneider. Dass Ze Roberto seine Qualitäten hatte, wusste die Fachwelt, aber Bernd Schneider war den meisten ein Buch mit sieben Siegeln. Der spätere weiße Brasilianer war auf dem Trainingsplatz ein Derwisch, der jegliche Technikspielereien aus dem Effeff beherrschte, doch auf dem Platz sah man davon nichts. Toppmöller erkannte sein Talent, gab ihm das Vertrauen und "Schnix" zahlte es ihm zurück. So einfach kann es manchmal sein.
Die eigentliche Meisterleistung gelang Toppmöller in der Aufstellung des Defensivverbunds. In der Innenverteidigung spielten meist Lucio und Nowotny, der sich jedoch bald verletzte und durch Zivkovic ersetzt wurde. Davor machte sich Carsten Ramelow nützlich und rückte im Zweifelsfall mit in die Abwehr. Auf den Außen traf man auf Zoltan Sebescen und Diego Placente, die auch immer wieder die offensiven Möglichkeiten wahrnahmen und sich die Angriffe der Werkself einschalteten.
Die Leverkusener Spieler machten die Saison ihres Lebens. Drei Finals zu erreichen, schafften bis heute nur ganz wenige. Was fehlte war der Erfolg, der eine Erfolg - ein erster Platz und Leverkusen wäre nicht das, was es heute ist. Dies ist nicht Klaus Toppmöller und seiner Taktik geschuldet, sondern dem Pech und der individuellen Klasse bspws. eines Zinedine Zidanes, der mit einem Schuss die Träume von der Champions League zu nichte machte.
Am Ende steht Werkself-Goalie Jörg Butt noch einsam hier auf diesem Papier. Die einzige Nummer 1 in dieser Leverkusener Gleichung von 2001/2002, die so sah er es auch selbst, vielleicht für den ein oder anderen verspielten Titel verantwortlich ist.
Aufrufe: 13117 | Kommentare: 23 | Bewertungen: 16 | Erstellt:21.09.2010
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KOMMENTARE
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21.09.2010 | 17:33 Uhr
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21.09.2010 | 17:18 Uhr
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matondo :
@ catenaccio: danke für den link. erstaunlich dass sie mit diesen ergänzungsspielern diese dreifachbelastung so gut weggesteckt haben.@ taktiker: glaubst du nicht, dass das aktuelle leverkusener team in 1-2 jahren ähnlich stark sein könnte? also wenn man spieler wie barnetta oder vidal halten kann natürlich. das potential wäre vorhanden.
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21.09.2010 | 17:16 Uhr
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EgilSkallagrimsson : Hach ja...
Erinnerungen...Wenn ich noch ein paar Anmerkungen machen darf @catenaccio:
Keine Garantie für Richtigkeit, aber ich habs so in Erinnerung: Nowotny hat sich doch eigentlich erst recht spät verletzt, davor war Zivkovic als RV gesetzt, Sebescen hat manchmal Schnix im RM ersetzt oder war Ersatz. In der Liga hat Toppi auch mal ab und zu 3-5-2 (Brdaric oder Kirsten neben Neuville, Berba war leider damals ein Chancentod, aber ja auch noch jung) gespielt.
Ersatzleute waren Kirsten und Berba für den ST, Vranjes fürs DM, Ojigwe und Sebescen für die Außen (sowohl MF als auch AV) und Zivkovic für die IV. Und ich glaube Ponte fürs OM, bin mir gerade nicht sicher. Groß rotieren ließ sich da nicht, höchstens noch im Sturm.
Und über Butt schreibe ich besser nix, da war einiges im Argen am Ende der Saison..
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21.09.2010 | 16:25 Uhr
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Taktiker :
Sehr schöner Blog unseres Quereinsteigers, wirklich gelungen! Die Mannschaft war natürlich das Beste, was Leverkusen je gesehen hat, und wahrscheinlich auch je sehen wird. Das Spielermaterial war schon herausragend, letzten Endes hat die fehlende Nervenstärke wohl den Titel gekostet, anders kann man es sich nicht erklären.@Xion
Keine Ahnung, aber ich wäre auch sehr dankbar, wenn jemand einen Tipp in der Richtung parat hätte...
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21.09.2010 | 15:30 Uhr
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Xion :
netter blog. auch ich als nicht-leverkusener denke immer wieder gerne an diese saison zurück. die haben einfach richtig geilen fußball gespielt. das spiel gegen liverpool gehört für mich zu den besten und aufregensten spielen überhaupt.btw: habt ihr ne ahnung wo man sich die alten spiele noch anschauen kann? bei youtube habe ich nur ne kurze zusammenfassung der saison gefunden, aber ich würd gern das ein oder andere spiel nochmal ganz genießen,
thanks
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21.09.2010 | 13:25 Uhr
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der schwerpunkt der taktischen aufstellung lag auf der stammelf. an dieser wurde das spiel ausgerichtet und weniger an den ersatzkräften.
ein blick hier (http://www.fussballdaten.de/vereine/bayerleverkusen/2002/kader/) , zeigt relativ schnell, dass neben den bereits erwähnten ersatzkräften nur nonames dabei waren...
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21.09.2010 | 13:19 Uhr
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matondo :
find den blog ganz gut. :)9P.
mir fehlt allerdings, die darstellung des leverkusener kaders. meine im text gelesen zu haben, dass der leverkusener kader qualitativ zu dünn besetzt gewesen ist. dann stellt sich mir die frage, wer waren denn die alternativen?
hab bloß 3 namen mitbekommen, zivkovic im text, berbatov und kirsten in deinem kommentar. das mal als anmerkung. =)
weiß jemand, wann emerson eigentlich gewechselt ist? hatte eigentlich im kopf, dass er auch noch zur vizekusen-truppe gezählt hat.
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21.09.2010 | 12:48 Uhr
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mrpink27 :
Ballack, Neuville, Kirsten und Berbatov waren in der Liga die Toptorschützen der Werkself. Du hast natürlich recht, dass der eine am Ende ud der andere erst am Anfang der Laufbahn war.Zur Abwehr. Ich denke mit Placente und Lucio war die Abwehr sehr offensiv. Da war es logisch, bzw. eine Notwendigkeit, dass z.B. Ramelow hinten rein rückte. Auch Ballack hat defensiv das ein oder andere gerissen. Sie spielten einfach einen sehr offenen Fußball und da bekommt man auch mal ein paar Tore hinten rein.
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Statistik
viel hängt davon ab, ob leverkusen dieses jahr eine gute saison spielt. wenn nicht, dann löst sich der kader nämlich schnell auf bzw. bleibt einfach nur ein ausbildungsverein, der viele talentierte spieler hat, aber die dann abgeben muss, wenn die guten angebote kommen...