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EFFZEH


Gründer: midget | Mitglieder: 216 | Beiträge: 208
06.05.2012 um 11:46 Uhr
Geschrieben von Zyrock
Analyse: Effzeh - Bayern München
Es regnet in Köln. Nicht viel, aber es regnet. In dieser Stadt, in der die Menschen Fußball leben und atmen, ist an jeder Ecke Anspannung zu spüren. Man hat das Gefühl es ist nicht nur die Gesamtheit der Kölner, sondern die Stadt selbst. Köln hat Angst. Auch ich habe Angst, obwohl ich dachte ich hätte mich seit Wochen damit abgefunden abzusteigen. Weil mein Herz nicht rational ist, weil mein Blut kölsch ist. Und kölsches Blut wird aus Hoffnung gemacht. Et hätt noch immer jot jejange. Es ist 13:30 Uhr, ich mache mich auf den Weg zum Stadion.


Ausgangslage
Jeder, Fußballfan oder nicht, vom Säugling bis zum Greis, kennt die Fakten: wenn Berlin nicht gewinnt, ist unser Spiel egal. Holt die Hertha gegen SAP drei Punkte, müssen wir auch. So einfach kann Fußball sein. So gnadenlos einfach.
Zusätzliche Spannung verspricht die in ihrer Gesamtheit sehr gute Statistik des 1. FC Köln gegen die Bayern und der Umstand, dass die Hertha gegen ihren Ex-Trainer spielt. Alles scheint möglich.

Personelle Lage
Als wir im Stadion sind und die Aufstellung durchgesagt wird, hat keiner ein wirkliches Bild im Kopf. Zu viele defensive Mittelfeldspieler auf dem Platz, um ein logisches System zu bilden. Das fängt ja gut an...
Gleichzeitig sind die Bayern, die in den letzten Wochen häufig genug den Großteil der Stammkräfte geschont haben, in 1B Besetzung aufgelaufen. Nicht nett, aber was will man machen?

Spielverlauf
Nachdem Lukas Podolski gebührend verabschiedet wurde und die Hymne ausnahmsweise instrumental erklang, was wir in Zukunft immer machen sollten, ist die Stunde der Wahrheit gekommen: 15:30, es gilt. Jeder Zweite auf der Südtribüne hat einen Knopf im Ohr, verfolgt im Radio das Spiel in Berlin. Es ist völlig klar, dass dieses Spiel wichtiger ist als unseres, dass sich unser Schicksal nicht in Köln entscheidet, sondern in der Hauptstadt. Um die nicht vorhandene Chance zu nutzen startet trotzdem großer Support, die Mannschaft versucht über körperliches Spiel in die Begegnung zu kommen. Es will nicht so richtig funktionieren.
Jede Minute fühlt sich an wie Stunden, immer wieder geht der Blick zur Uhr. Es ist noch nichts passiert, aber die Hoffnung schwindet bereits. Plötzlich ein Murmeln, dann wieder Stille, Enttäuschung, Leere: 1:0 für Berlin. Ich fühle nichts. Ich sehe wie sich Menschen auf dem Platz bewegen, aber ich verfolge das Spiel nicht. Mein Kopf ist im Olympiastadion. Hoffen auf Hoffenheim. Wie pervers.

Als ich mir die Blitztabelle vor Augen führe, hoffe ich fast, dass die Bayern ein Tor schießen. Nur wegen der Tordifferenz absteigen? Nein, das würde es noch schlimmer machen, als es sowieso schon ist. Die Bayern erhören mein Flehen: 0:1. Mein Kopf übernimmt wieder die Kontrolle über mein Herz. Mein Kopf, der seit Wochen weiß, dass wir absteigen. Die Hoffnung ist da, aber ich spüre sie nicht, will sie nicht spüren. Es ist falsche Hoffnung. Jeder im Stadion weiß, was heute passieren wird. Niemand gibt es zu. Hoffen, Bangen. ComeOn Effzeh!

Das Spiel zieht sich weiter, Sekunden werden zu Stunden, Minuten zu Jahren. In der Rückschau trotzdem nur Bruchstücke: 0:2, 0:3. Irgendwann wieder Gemurmel, Hoffenheim nur noch zu Zehnt. War das nicht ein Elfmeter für Köln? Und das auch? Wut macht sich breit, auf den Schiedsrichter. Er ist das einfachste Opfer, ich will nicht wütend auf die Mannschaft sein. Nicht mehr. Als zum dritten Mal an diesem Tag Gemurmel aufkommt, ist alles vorbei. Berlin führt 2:0. Abstieg. Niemand glaubt noch an ein Wunder. Man hört aufmunternde Sprüche, es wird gewitzelt. Galgenhumor.

Kurz vor Spielende ist alles wie verflogen. Ein Knall, ein Feuer, die ganze Südkurve versinkt unter schwarzem Rauch. Schlusspfiff, die Mannschaften flüchten in die Kabine. Der Abstieg ist egal, Hass macht sich breit. Hass auf die Chaoten und Verbrecher, die sich Fußballfans schimpfen. Wie die Affen klettern sie auf Zäune, großspurig provozieren sie die Polizei, wie kleine Mädchen gehen sie laufen, als sie auf Widerstand treffen. Niemand im Stadion denkt an den Abstieg. Chaoten, die Fußball nutzen um ihren widerlichen Neigungen nachzugehen, zerstören diesen traurigen Moment für uns, diesen Moment, in dem man als Fußballfan einfach nur im Boden versinken möchte, Ruhe braucht. Die echten Fans schämen sich für die Chaoten. Und plötzlich, in dieser absurden Szenerie, in all der Trauer, der schönste Moment des Tages: es geht leise in den Ecken los, nach dreißig Sekunden brüllen es die Fußballfans im Stadion aus einer Kehle: „wir sind Kölner und ihr nicht!" Die Chaoten verstehen es nicht, aber es geht an sie. Nur an sie. Niemand denkt an die Mannschaft, an die Verantwortlichen. „Scheiß Wilde Horde", „Nie mehr wilde Horde", es sind die Gesänge der Stunde. Es fühlt sich gut an. Plötzlich schäme ich mich nicht mehr, Effzeh-Fan zu sein. Denn die wahren Fans sind die, die jetzt singen. Die da unten, das sind nur Verbrecher.

Fazit
Als wir uns langsam aus dem Stadion verabschieden, die Rauchschwaden haben sich wie die Chaoten bereits verzogen, liegt wieder Trauer in der Luft. Niemand spricht es so an, aber es ist greifbar. Lange verharren wir noch an der Bierbude Südost, diesem Treffpunkt, der uns mittlerweile so viel bedeutet. Die Menschen, mit denen ich dort stehe, trauern wie ich. Sie denken wie ich. Sie sind Fans wie ich. Und sie werden in die zweite Liga gehen mit unserem Verein, genau wie ich. Weiter jeden Tag Zeit aufwenden für diesen Verein, der in dieser Stadt alles bedeutet. Aber jetzt, in diesem Moment, will niemand an die nächste Saison denken.

Mein Abend endet fernab des Effzeh in einem Irish Pub, FA Cup Finale Liverpool gegen Chelsea. Die Stimmung ist gut, bedenkt man die Geschehnisse des Tages. Langsam realisiere ich den Abstieg, es fällt mir leichter in dieser Gesellschaft.
Es regnet in Köln. Nicht viel, aber es regnet. Zum ersten Mal seit vielen Stunden übernimmt mein Herz wieder das Kommando. Mein Blut ist kölsch. Und kölsches Blut wird aus Hoffnung gemacht. Et hätt noch immer jot jejange. Es ist 3 Uhr am Sonntagmorgen, als ich ins Bett falle.
Aufrufe: 15388 | Kommentare: 62 | Bewertungen: 45 | Erstellt:06.05.2012
ø 9.2
KOMMENTARE
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JulianDraxler
06.05.2012 | 16:24 Uhr
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-2
06.05.2012 | 16:24 Uhr
-2
Ich will hier nichts beschönigen, aber ACAB und der Frust der Ultras ist für mich verständlich. Es ist dabei nichts schlimmeres passiert und 'Nie mehr Wilde Horde' zeigt nur die Unwissenheit des Großteils des Fans, die alle Fangruppierungen des FC unter 'Horde' abzuspeichern scheinen. Klar war die Horde dabei, aber es gibt andere Gruppen die wesentlich mehr Dreck am Stecken haben.

Lustigerweise hat ein Teil der Horde hat gestern sogar regulierend gewirkt, die Rauchbomben kamen größtenteils aus der Ecke Boyz/Syndikat. Ich fand den Support während des Spiels im Unterrang ziemlich miserabel für so ein Endspiel, das waren größtenteils unkoordinierte und zu kurze Teilgesänge. Ohne Vorsänger kann das auch nichts werden, ich will jetzt nicht die Horde anpreisen, da ist viel Scheiße gelaufen, aber irgendwer muss in die Bresche springen. Die Fanszene des FC ist, wie so vieles, irgendwo in dieser Saison zerfallen.

Viel wichtiger/schlimmer ist: Der FC ist abgestiegen. Ich muss Schaefer zustimmen, dass dieser Abstieg unnötig war. Die FC-Saison war einfach nur zum heulen, aber man muss jetzt wohl gezwungenermaßen nach vorn schauen. Bin gespannt was passiert, Glück auf euch allen

Edit sagt: Horstmann RAUS!
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gartenzwerg
06.05.2012 | 15:48 Uhr
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06.05.2012 | 15:48 Uhr
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Stark geschrieben.
Danke, dass Du uns mitnimmst.
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cced
06.05.2012 | 15:43 Uhr
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cced : 
06.05.2012 | 15:43 Uhr
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cced : 
Trauer. Mehr nicht.

Wir sind FC, unsere Spieler nicht. Ende.
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TheDood
MODERATOR
06.05.2012 | 14:32 Uhr
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TheDood : 
06.05.2012 | 14:32 Uhr
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TheDood : 
Sehr emotionale Analyse, sehr stark!

Vor Allem wenn ´sich die Situation nach dem Spiel so abgespielt hat habt ihr meinen vollen Respekt.

Wünsche Euch auch hier noch einmal alles Gute und hoffe das der Verein die richtigen Schlüsse aus der Situation zieht, und zwar auf allen Ebenen.

Und dann sieht man sich in 2 Jahren wieder.
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PaulMcGrath
06.05.2012 | 14:21 Uhr
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06.05.2012 | 14:21 Uhr
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Ich hab's nun sacken lassen und alles nochmal Revue passieren lassen..

Wir müssen jetzt optimistisch an die neue Saison ran gehen und hoffen das der neue Sportdirektor zusammen mit dem neuen Trainer eine schlagfertige Truppe aufstellen kann; Sei es mit diversen Jugendkickern oder preiswerte, aber gute Neuzugänge.

Und der Blog war super! Einfach traurig das zu lesen, und mein Rest Abend war btw ähnlich..
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taneu
06.05.2012 | 14:01 Uhr
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taneu : 
06.05.2012 | 14:01 Uhr
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taneu : 
Jetzt musdte auch ich ein Tränchen vergießen. Sehr packend die Analyse.
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Oceansize
06.05.2012 | 12:49 Uhr
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Oceansize : 
06.05.2012 | 12:49 Uhr
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Oceansize : 
Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
Mir ist es gestern im Stadion genauso ergangen!
Ich habe die letzten 15 Minuten nur noch ins Leere geschaut und das Spiel irgendwie gar nicht mehr richtig wahrgenommen.
Das war ein verdammt seltsames Gefühl, wenn man bedenkt wie toll die Stimmung doch vor Beginn der Spiels war.
Und dass 99% der Zuschauer zum Schluss geschlossen gegen diese Idioten ihre Stimme erheben, war einfach klasse!
Null Toleranz für diese Spinnerbande!
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DJLukepaul
06.05.2012 | 12:41 Uhr
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DJLukepaul : 
06.05.2012 | 12:41 Uhr
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DJLukepaul : 
Hallo Leute, ich freue mich, wenigstens nicht allein mit meiner Trauer zu sein. Ich hoffe, wir machen in unserer Gruppe irgendwie in Liga 2 weiter.

Und ich hoffe auch auf die "neuen" Verantwortlichen!
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MGoedderz
MODERATOR
06.05.2012 | 12:40 Uhr
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MGoedderz : 
06.05.2012 | 12:40 Uhr
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MGoedderz : 
Habs rausgenommen, obwohl ich nicht finde, dass das Hetze ist, wenn man sowas anspricht.
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midget
06.05.2012 | 12:39 Uhr
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midget : 
06.05.2012 | 12:39 Uhr
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midget : 
ganz starke schlussanalyse!
passt zu meinem inneren.
wetter scheisse. passt.
heute ist ein großer tag trübsal zu blasen.
ab morgen steh ich dann wieder auf!
...und am donnerstag guck ich mir dann mal die hertha an !

obwohl, eigentlich hab ich gar keinen bock mehr auf fussball.... eigentlich ist ruhe mal ganz gut! ^^
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