Wie oft war es in der letzten Saison zu hören, zu lesen? Das immergleiche Gerede aller Fans, die es nicht mit dem BVB halten. "Abstürzen werdet ihr, das haltet ihr nicht durch, zu wenig Erfahrung, zu kraftintensiver Fußball.", sagten sie. Und der Dortmund Fan war genervt, zunächst hatte er zwar noch Ruhe bewahrt, doch irgendwann war es nicht mehr auszuhalten. Die überlegene Meisterschaft am 32. Spieltag war die pure Genugtuung für uns alle. Und man hätte fast hoffen können, dass das Gerede nun aufhören würde, dass tatsächlich mal die Leistung des Vereins und des gesamten Vorstands gewürdigt würde und vor allem: Dass man Respekt entgegengebracht bekommt.

Doch natürlich kam es anders. "Wie Stuttgart und Wolfsburg" ist der BVB seit neuestem. Eine Eintagsfliege, nicht dazu in der Lage konstant zu bleiben, Absturz vorprogrammiert. Was ist dran?

Vergleicht man die Meisterschaft des BVB mit denen von Stuttgart oder Wolfsburg 2 oder auch 4 Jahre zuvor so fällt auf, dass der BVB schon innerhalb der Saison um einiges konstanter und besser war als seine Vorgänger. Allein die Punktausbeute macht das schon deutlich, 5 Punkte mehr als Stuttgart und gar 6 mehr als Wolfsburg holte man. Zudem schaffte man es, praktisch die gesamte Saison oben zu stehen. Es war also keine Serie für den Erfolg verantwortlich, wie es sowohl bei Stuttgart als auch Wolfsburg der Fall war. Auch konnte man starke Bayern, die über eine der besten Flügelzangen der Welt verfügen, zweimal schlagen. Und zwar mit einer taktisch überragenden Leistung im zweiten Spiel, einer Leistung wie sie die Bundesliga schon lange nicht mehr gesehen hatte.

Des Weiteren stimmte auch die Leistung in den Vorjahren. Seit Klopp den BVB übernahm, steigerte sich die Mannschaft jedes Jahr ein bisschen mehr. Auf Platz 6 mit dem Kinderriegel, einer ansonsten aber nicht allzu sehr veränderten Mannschaft im Vergleich zum Vorjahr folgte Platz 5 mit dem mittlerweile international bekannten Kinderriegel, Welttorjäger Barrios und Neuentdeckung Marcel Schmelzer sowie dem akribischen Arbeiter Sven Bender. Und auf Platz 5 folgte die Meisterschaft mit den unbekannten Kagawa und Götze als überragende Spieler neben Sahin und Hummels.

Die Meisterschaft ist also schon rein historisch betrachtet nicht annähernd so überraschend wie die der Stuttgarter und Wolfsburger. Doch wie wird sich die Mannschaft dieses Jahr präsentieren? Wie steht der Verein da?

Grundsätzlich ist der BVB schon eine größere Hausnummer als Wolfsburg oder Stuttgart. Der Verein verfügt über eine wesentlich größere Strahlkraft und auch "Tradition" als seine Vorgänger, Dortmund ist nach Bayern der international renomierteste Club Deutschlands, lediglich der HSV und Schalke kommen annähernd in diesen Bereich. Zudem profitiert der BVB auch von dem in den letzten 2 Jahren enorm gesteigerten internationalen Interesse an der Bundesliga. Zwar war es eben dieses Interesse, dass den Abgang von Sahin nach sich zog, doch ist das Prestige des Vereins in der vergangenen Saison um einiges gestiegen. Wer sich etwas in internationalen Fußballforen herumtreibt wird nicht selten folgendes gelesen haben: "Awesome Football, Dortmund is becoming a serious contender again" oder "I am so looking forward to seeing them play in the Champions League" oder auch besonders oft "They have to play Barcelona, that would be a hell of a match.". Natürlich sind einige dieser Kommentare übertrieben euphorisch, doch dem BVB kann so etwas nur gut tun. Mehr Prestige bedeutet über kurz oder lang mehr Einnahmen und vor allem auch eine größere Chance umworbene Spieler zu verpflichten, wie zuletzt schon bei den umworbenen Lewandowski, Gündogan oder Perisic zu sehen war. Der Verein hat sich ein positives Image erarbeitet, besonders bei Talenten. So schlug Koray Günter, bester Innenverteidiger der deutschen U17 Nationalmannschaft und von den Medien bereits als der "neue Mario Götze" (Kicker, Sportbild) gehandelt, vor kurzem noch ein Angebot des FC Liverpool mit der Begründung aus, Dortmund habe alles was er brauche und setze auf junge Spieler. Eben dieses Image verhilft dem BVB zu einem großen Zulauf junger Toptalente, auch wirtschaftlich ein nicht zu unterschätzender Faktor. Und nebenbei bemerkt auch ein Faktor, den kein anderer Bundesligaverein in dieser Form hat (Mainz und Nürnberg ausgenommen, dort allerdings in kleinerem Rahmen).

Und sportlich? Was kann man nach dem Abgang von Nuri Sahin und der gesteigerten Erwartungshaltung realistisch erwarten?
Klopp sagte zum Trainingsauftakt, die Meisterschaft sei vorbei, die Entwicklung der Mannschaft jedoch nicht. So kitschig das auch in den Ohren vieler klingen mag, diese Einschätzung ist vollkommen korrekt. Bisher hat das Team sich jedes Jahr gesteigert, vor allem qualitativ. Es ist alles andere als daneben zu behaupten, dass die Mannschaft zu den 2-4 besten der gesamten Liga zu zählen ist. Zudem verfügt man über einen Trainer, der eben diese Qualität hervorzukitzeln weiß. Ist also wieder die Meisterschaft drin? Meine Antwort sollte nicht falsch verstanden werden: Ja, man kann den Titel verteidigen. Das kann grundsätzlich immer sein. Für übermäßig wahrscheinlich halte ich es jedoch nicht. Es wäre wohl erneut eine kleine Sensation, sollte die Titelverteidigung gelingen. Viel mehr muss man sich auf die Plätze 2-4 konzentrieren. Eine erneute Qualifikation für die Champions League wäre wirtschaftlich ungeheuer bedeutsam, für die Qualität der Mannschaft außerdem nichts als zuträglich. Die Spieler könnten noch mehr Erfahrung auf allerhöchstem Niveau sammeln, man hätte es außerdem viel leichter Topspieler im Verein zu halten. Die Dreifachbelastung sollte bei dieser Mission nicht im Wege stehen. Nüchtern betrachtet musste Dortmund in der letzten Saison genau 3 Spiele weniger bestreiten als Bayern München von dem gesagt wird, die Spieler könnten alle mit der Belastung umgehen. Der Punktunterschied zum Ende der Saison betrug 10 Punkte, zudem musste Dortmund 2 mal enorme Distanzen zu seinen Gegnern zurücklegen, um danach weiterhin erfolgreich Bundesliga zu spielen. Ist die Belastung also ein Hindernis? Ich behaupte nein, zumal die qualitative Breite des Kaders auch gestiegen ist und man mehr rotieren kann.

Ergebnis:
Ich rechne mit Platz 3 in der nächsten Saison. Zugegebenermaßen habe ich die viel zitierte "schwarz-gelbe Brille" auf, doch auch objektiv betrachtet sehe ich nicht viel, was uns an einer solchen Platzierung hindern sollte. Selbstverständlich können immer unvorhergesehene Dinge passieren oder eine Verkettung unglücklicher Momente zu einem Absturz führen. Doch für eine Wiederholung der starken Leistungen hat Dortmund optimale Voraussetzungen. Man kann sich in aller Ruhe mit einem früh fertiggestellten Kader vorbereiten. Man kann auf alle Eventualitäten noch 2 Monate lang reagieren. Ein Überraschungsteam wird es auch diese Saison sicher wieder geben, doch Qualität siegt langfristig immer. Und da ist der BVB, entgegen allen Unkenrufen von außen, sehr weit vorne.