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22.07.2010 um 02:07 Uhr
Bild dir deinen Fussball (3)

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Feindschaftspflege:
("denen, die nicht kooperieren, so oft wie möglich ans Bein pissen")

Für Bild gibt es nur Freund oder Feind, dazwischen nichts. Wer also auf eine Zusammenarbeit keinen Bock hat, der gehört zur anderen Seite. Und wird attackiert.
Seit langer Zeit ist es Tradition, dass die Aufstellungen der deutschen Nationalmannschaft einen Tag vor allen anderen der Bildzeitung mitgeteilt werden. Zwei Trainer haben diese Regel missachtet, Berti Vogts und Jürgen Klinsmann. Beiden erklärte Bild den Krieg. Vogts ging darüber hinaus auch noch zur Gegenattacke über und warf Bild-Ziehkind Matthäus nach der WM 1994 aus der Nationalmannschaft, da dieser durch herausposaunte Interna die Atmosphäre vergiftete. Bild stellte Vogts daraufhin in der Berichterstattung regelmäßig als langweiligen, biederen Anti-Trainer dar und veröffentlichte nach der verkorksten WM in den USA eine für ihn vorgefertigte Rücktrittserklärung, mit der netten Aufforderung "Herr Vogts, unterschreiben Sie bitte hier!". Die Feindschaft mit Klinsmann, dem Bundestrainer, hatte ihren Ursprung schon im Streit mit dem Spieler Klinsmann. Schon als Jugenspieler verweigerte sich Klinsmann den neugierigen Reportern der Zeitung. Die reagierten auf ihre Weise und deuteten in Berichten unterschwellig eine Homosexualität Klinsmanns an.


"Das sag ich der Bild!" "Mach doch!"

Als Klinsmann Mitte der neunziger Jahre zu den Bayern kam, eskalierte die Situation. Es waren die Zeiten des "FC Hollywood", und Klinsmann kritisierte den Einfluss der Zeitung auf die Mannschaft. Bild konterte mit der Veröffentlichung seines Gehalts und seines internen Spitznamen "Flipper", den ihm die Kollegen aufgrund mangelnder technischer Fähigkeiten verpasst hatten. Wer das der Bild gesteckt hatte, versteht sich von selbst. Klinsmann verließ die Bayern fluchtartig und gewann in Matthäus und der Bild zwei Feinde fürs Leben.
Als Klinsmann Bundestrainer wurde, gingen die gegenseitigen Attacken weiter. Nachdem Deutschland im Vorfeld der WM 2006 gegen Italien ein 1-4-Debakel erlebte, sah die Bild ihre Chance, ihn loszuwerden. Er wurde als "Grinsi-Klinsi" verspottet, der sich nur in den USA aufhalte und es sich dort in der kalifornischen Sonne gut gehen lasse, und auch Bild-Homie Beckenbauer war zur Stelle und watschte Klinsmann öffentlich ab. Diese, in der Wortwahl ziemlich krasse Kolumne fasst die damalige Anti-Klinsmann-Kampagne sehr gut zusammen.
Doch auch nicht ganz so große Namen bekommen Probleme, wenn sie der Springer-Zeitung dumm kommen. Als Ex-Bochum Trainer Heiko Herrlich sich in der abgelaufenen Saison immer größer werdender Kritik ausgesetzt sah, an der die Bild munter teilnahm, holte er auf einer Pressekonferenz zum Gegenschlag aus:



Folge der Herrlich-Attacke: noch stärkere Bild-Attacken ("Herrlich verliert die Nerven!", "Das harte Bundesliga-Geschäft scheint an Herrlich zu nagen.", "Warum zieht niemand die Notbremse?") durch den Bochum-Beauftragten der Bild, Joachim Droll, der im Video auf die Rede Herrlichs mit einem leisen "Das war jetzt aber schon dünnhäutig, sah ich dir ganz ehrlich" reagiert und sich danach in mehreren Artikeln an ihm rächte. Fast genau eine Woche später folgte Herrlichs Rauswurf. Sieg für Bild bzw. Sieg für Droll.
Ein Ausnahmefall, der sich der Bild widersetzt hat und nicht von der Bild-Dissmaschinerie eingestampft wurde, ist Dieter Eilts. Der war bei der EM 1996 eine der Hauptfiguren und beschrieb sein Verhältnis zu Bild so: "Ich bin ganz groß im Ignorieren der Presse. Und noch größer bin ich, wenn es um die Bild-Zeitung geht." Er blieb wohl nur deshalb von Angriffen verschont, weil er absolut keine Fläche dafür bot. Und wenn sich nicht einmal die Bild einen Skandal zusammenreimen kann, dann heißt das schon was. Damit war Eilts ein Hauptgrund dafür, dass die Bild zur Mannschaft von 96 keinen Zugang hatte. Der zuständige Bild-Mann jammerte damals: "Es gibt überhaupt keine Indiskretionen und exklusiven Nachrichten mehr. Vielleicht liegt es am Charakter der Mannschaft."
Und vielleicht war auch das ein Grund dafür, dass das Turnier harmonisch verlief und Deutschland Europameister wurde. Bild war jedenfalls frustriert und musste aufgrund des Mangels an Stories ein Tagebuch des EM-Zeugwarts veröffentlichen, in dem dieser über seine Erfahrungen mit Kickschuhen erzählte.


Wurde von Günther Wallraff als nächtes Mitglied der Anti-Bild-Hall-of-Fame vorgeschlagen: Dieter Eilts


Bei soviel Einfluss, soviel Meinung und soviel Unterwerfung wird eins deutlich:
Bild hat den Fussball in Deutschland in der Hand.

Jeder, der in Verbindung mit Fussball in der Öffentlichkeit steht, muss sich entscheiden, wie er Bild behandelt und zu ihr steht. Die daraus folgenden Konsequenzen sind klar und werden durch die genannten Beispiele deutlich, man gewinnt entweder einen Freund oder einen Feind fürs Leben. Es muss eine ziemlich schwere Entscheidung sein: Mache ich gute Miene zum hässlichen Spiel, halte ich meinen Mund und arbeite mit der Bild zusammen, und hab dafür meine Ruhe?
Oder ziehe ich mein Ding durch und halte diese Leute von mir fern, und versuche, mit den damit verbundenen Folgen zu leben bzw. mache mir nichts daraus?

Wenn man sich all das, all die Zusammenhänge und all die eben ausgeführten Charakterisierungen der Bild-Zeitung einmal anschaut, dann können wir uns vielleicht doch auf ein Wort einigen, das als einziges die Bild am besten beschreibt, nämlich:

Macht.

Aufrufe: 27053 | Kommentare: 75 | Bewertungen: 75 | Erstellt:22.07.2010
ø 9.7
KOMMENTARE
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lalaland
22.07.2010 | 14:41 Uhr
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lalaland : 
22.07.2010 | 14:41 Uhr
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lalaland : 
Super Blog. 10 Punkte.

Ja die Bildzeitung ist schon ein verdammtes Drecksblatt.
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fußballstar
22.07.2010 | 14:42 Uhr
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22.07.2010 | 14:42 Uhr
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ausgezeichneter blog. man merkt das du dich nicht nur für den sport an sich interessiert sondern dir auch gedanken über die hintergründe und machenschaften in diesem business machst.
ich habe selbst schon gelesen das die bild ungemütliche und kritische personen unter druck setzt und nötigt nicht nur im sport bereich.
die bild ist ein machtinstrument und haben maßgeblichen einfluss auf politik und bevölkerung. das ist schon echt krass.
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Pauleta86
22.07.2010 | 14:46 Uhr
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Pauleta86 : 
22.07.2010 | 14:46 Uhr
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Pauleta86 : 
eshkeeya, wow danke. Starker Blog!

10Punkte, extra für dich eingeloggt. Passiert nicht oft, nur wenn ich was gutes Lese.
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algato
22.07.2010 | 15:10 Uhr
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algato : Sensationell
22.07.2010 | 15:10 Uhr
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algato : Sensationell
Hervorragender Blog. Sehr gut zusammengetragen. Vor allem aber ist die Themenwahl ganz groß: ohne aktuellen Anlass ein Thema aufzugreifen, dass so direkt mit Fußball eigentlich gar nichts zu tun hat.
Wie auch immer, muss mal kurz rüberklicken. Denn leider muss man zugestehen, dass Sie bei vielen Geschichten einfach als Erstes dran sind.
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Lawyer
22.07.2010 | 15:41 Uhr
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Lawyer : 
22.07.2010 | 15:41 Uhr
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Lawyer : 
Selten n besseren Blog gelesen, ganz groß.

schwachsinn, das jetz als PR zu deuten, jeder der sich für fußball überdurchschnttlich viel interessiert kennt nunmal auch die bild.

ich find die bild unfassbar grausam, umso mehr respekt vor dir, dass du dennoch so sachlich und objektiv kritisieren kannst.

denn wenn man deinen blog mal zusammenfässt, verkörpert die bild -zeitung alles, was in der medienlandschaft falsch läuft.
was bringt einen die pressefreiheit, wenn einem meinung und werte von der größten tageszeitung aufgezwängt werden
2
Romni
22.07.2010 | 15:41 Uhr
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Romni : 
22.07.2010 | 15:41 Uhr
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Romni : 
1a Blog, absoluten Respekt!

Theoretisch würde man denken, dass die Bild alle journalistischen Gesetze bricht, das aberwitzige ist sie tun es nur sehr selten. Sie befinden sich stets genau am äußersten Rand zu dem was er erlaubt ist.

Wieso die Bild so gute Auflagen hat liegt zum einen an ihrer Aufmachung sprich viele Bilder, Bilder vermitteln uns nicht nur blanke Theorie sondern etwas lebendiges sprich nahes.
Desweiteren haben wir das Gefühl, dass die Bild recht hat, was teilweise aber eher daraus resultiert das sie ihre Aussagen zu einer ´Selbsterfüllung bringen, sei es Druck auf die angesprochenen Personen = Handeln.
Dann hat sie eine soziale Ebene, dh. wenn viele sie lesen die ich kenne, möchte man nicht außen vor stehen.

Und da viele Informationsquelle mit vordiktierten Ansichten verwechseln, entsteht ein Verhältnis die BILD (aber auch andere Medien) sagen mir wie das Leben so abläuft dh. sie nehmen eigenes Denken ab.

Bin aber allgemein der Meinung das in der Schule Umgang mit Medien reingehört.
3
Donald
22.07.2010 | 16:02 Uhr
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Donald : 
22.07.2010 | 16:02 Uhr
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Donald : 
Einer der besten Blogs, die man hier jemals lesen konnte. Großes Lob an dich, esh, alle drei Teile sind Spitzenklasse. ---> 30 Punkte
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Maulwurfen
22.07.2010 | 16:06 Uhr
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Maulwurfen : 
22.07.2010 | 16:06 Uhr
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Maulwurfen : 
Macht einfach Spaß zu lesen

Klarer 10er für dieses Mega-Teil.
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DerExperte
22.07.2010 | 16:22 Uhr
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DerExperte : super!
22.07.2010 | 16:22 Uhr
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DerExperte : super!
dachte mir schon auf seite 1 : wow, geiler blog.
ging erst von 2 seiten aus und hab mich dann richtig gefreut als ich noch den verweis auf eine dritte entdeckt habe, das hat bis jetzt glaub noch kein blog bei mir geschafft !

zum thema :
bei mir ist es so : ich versuche mich seit längerem von polemischer presse im allgemeinen, und bild im speziellen zu distanzieren.
früher im urlaub hab ich öfter mal bild gelesen, weil man am strand keinen großen bock hat auf große zeitungen und eben der sportteil auch in der hitze genießbar ist und in dieser form nur so in der bild existiert. heute lese ich auch im urlaub keine bild mehr.
sportbild : früher abonnement, allerdings fiel mir immer mehr auf wie einzelne spieler immer nur runtergemacht wurden, bestes beispiel ist hier ballack, über den findet sich fast jede ausgabe was negatives ( hat ballack sich mal mit denen angelegt ? ) => abo abbestellt

Aber ich muss zugeben die internetseite besuche ich tatsächlich auch ab und an , v.a. wenn sie iwo verlinkt ist....
und grad bei der geschichte mit dem tierpfleger : ich glaube auch ich der ich mich da bewusst rauszuhaltenversuche werde auch manipuliert, wie wir alle

mir wär am liebsten alle würden einfach einsehen wie kaputt der ganze verlag ist. dass dann ein eig. toller typ wie philipp lahm in diesen spots so mit denen kooperiert finde ich fast schon skandalös. seitdem mag ich lahm um einiges weniger.

fantastischer blog
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DaBen
22.07.2010 | 16:37 Uhr
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DaBen : 
22.07.2010 | 16:37 Uhr
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DaBen : 
wie immer nen episches Werk!

Find die Bildzeitung ist ne Mafia!!

Zu Leuten wie Lahm, sind se sicher gegangen und haben gesagt, komm junge du spielst für uns den Kasper und wir machen dich zum Helden! Macht er es nicht, können die ihn jeden Tag den Arsch aufreißen.....
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