Mit 29 beendete Royston Drenthe eigentlich seine Karriere, heute kickt er in Liga sechs. Einst für viel Geld zu Real gewechselt, fiel er immer weiter.
Die madrilenische Vorstadtstille wird von aufheulenden Motoren durchschnitten. Während die Sonne sich langsam den Hügeln annähert und alles in warmes Licht taucht, rasen zwei weiße Ferraris die schmale Straße, die aus der Stadt immer weiter in die Hügel hineinführt, entlang. Harte Hip-Hop-Beats erklingen aus den geöffneten Fenstern, die beiden Fahrer drücken das Gaspedal durch. In den Autos sitzen junge Männer. Sie freuen sich wie Kinder über die Geschwindigkeit, über den Fahrtwind, der die spanische Sommerluft ins Autoinnere trägt.
Im vorderen der beiden Wagen sitzt ein Mittzwanziger am Steuer. Er trägt eine Sonnenbrille, Brillis in beiden Ohren. Er rappt mit und trinkt mit rechts Bier, während er mit links seinen Sportwagen lenkt, viel zu schnell für die Vorstadt. Sein Beifahrer filmt, später landet der Clip auf YouTube. Der Fahrer ist Royston Drenthe, Fußballprofi bei Real Madrid.
Was schon in der Eredivisie zum Thema geworden wäre, wird es jetzt dreifach. Denn Real ist nicht irgendein Klub. Drenthe wird nach der Aktion verliehen, kommt nie wieder auf die Füße, auf denen er zu diesem Zeitpunkt aber ohnehin nicht mehr fest steht. Er lebt mit bis zu 15 Freunden aus den Niederlanden in einer Villa. Sie machen Ausflüge mit seinen Autos, bestellen Pizza, hören Hip Hop. Drenthe sagte später, er bereue all das. Die Wahrheit aber ist: Er, der Knirps aus dem Rotterdamer Westen, ist endlich jemand. Und das will er allen zeigen.
Davids' Neffe, Wijnaldums Cousin
Royston Drenthes Geschichte beginnt weit weg vom Glanz der Königlichen, weit weg von aufheulenden Boliden. Der Sohn surinamischer Einwanderer wird 1987 geboren und wächst in bürgerlichen Verhältnissen auf. Der Familie fehlt es an nichts, viel Platz hat sie aber nicht. Die Söhne suchen deshalb früh die Flucht. Nach draußen, wo sie keine Wände beengen. Genauer: auf den Fußballplatz. Hier fühlen sich Royston und sein jüngerer Bruder Giovanni frei. In Flughafennähe beginnt die Karriere der beiden, beim SC Neptunus. Sie wollen Profis werden. So wie Superstar Edgar Davids, dessen Neffen sie sind.
Überhaupt können viele Mitglieder der riesigen Familie kicken. Die Wijnaldum-Cousins werden später wie die Drenthes Profi, Georginio, der Ältere der beiden, hat es bis zum FC Liverpool, PSG und zur Roma geschafft. Anders als sein Bruder ist Royston ein absolutes Ausnahmetalent. Er ist wendig, trickreich, schnell, hat einen tollen Schuss. Feyenoord verpflichtet ihn, den Kleinen, der in der Schule wegen seiner Größe gehänselt wurde und sich danach schwor, sich nie wieder etwas gefallen zu lassen.
Mit 16 wechselt er zu Excelsior Rotterdam, weg vom größeren der beiden Rotterdamer Klubs. Ihm habe die Wertschätzung gefehlt, sagte er später. Ein Zeichen für die ständige Suche nach Anerkennung, die ihm später zum Verhängnis werden sollte. Nach zwei Jahren, in denen er trotzig so gut spielt, dass sogar Ajax und Vereine aus dem Ausland anfragen, holt Feyenoord ihn zurück.
Bester Spieler der U21-EM
2006 debütiert er unter Erwin Koeman an der Seite von Dirk Kuyt und Salomon Kalou in der Eredivisie. Im Jahr darauf wird er als Linksaußen Stammspieler und nach furiosen Leistungen, in denen er mit frechen Dribblings, scharfen Flanken und mutigen Tacklings überzeugt, für die U21-EM im eigenen Land nominiert. Drenthe spielt als Anführer der vermeintlich goldenen Generation um Ryan Babel, Hedwiges Maduro oder Otman Bakkal ein überragendes Turnier und führt sein Team im Finale gegen Serbien zu einem 4:1.
Er wird zum Spieler des Turniers gewählt, wohlgemerkt vor Kalibern wie Leighton Baines, Giorgio Chiellini, Branislav Ivanovic, Jan Vertonghen, Miguel Veloso, Ashley Young oder Kevin Mirallas - und kann sich danach vor Anfragen kaum retten. Sie alle wollen den spektakulären Spieler mit den Rastalocken und dem feinen linken Fuß. Drenthe entscheidet sich für Real Madrid. Natürlich tut er das.
Denn er will es allen zeigen. So richtig. Also wählt er den für ihn größten Klub der Welt. Einen, der sich die Königlichen nennt, weiße Trikots trägt und den Anspruch hat, den erfolgreichsten und selbstredend schönsten Fußball der Welt zu spielen.
"Es war 2007 und ich war 20 Jahre alt, ich war auf dem Höhepunkt meiner Karriere. Es war ein Gefühl des Wahnsinns, das schwer zu erklären ist, es war ein Traum, eine Umkleidekabine von Galaktischen zu betreten", sagte Drenthe im Herbst 2022 in einem Interview mit der Gazzetta dello Sport: "Das sind Erinnerungen, die ich nie vergessen werde und die immer in meinem Herzen bleiben werden."