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NFL - Fragen und Antworten zur Verletzung von Aaron Rodgers: Nicht das Ende aller Träume

Von Leo Grünwald
Bill Belichick
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Mit dem Trade von Aaron Rodgers stiegen die New York Jets über Nacht zu einem Super-Bowl-Kandidaten auf. Nachdem der Superstar sich in seinem ersten Spiel die Achillessehne gerissen hat, weicht die Euphorie blankem Entsetzen.

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Kann der Quarterback jemals wieder auflaufen? Können die Jets in dieser Saison überhaupt noch erfolgreich sein? Besteht die Möglichkeit, dass die New Yorker Rodgers noch irgendwie ersetzen? Und was ist mit Tom Brady? 5 Fragen zur katastrophalen Verletzung von Aaron Rodgers.

Aaron Rodgers: Was ist passiert?

Die Kurzfassung lautet: In seinem ersten Spiel für die New York Jets reißt sich Aaron Rodgers die Achillessehne, was gleichbedeutend mit dem Saisonaus 2023 ist.

Die lange Version zeigt die ganze Dramatik der Verletzung des Superstars: In seinem ersten Regular-Season-Spiel für New York tritt der viermalige MVP im Monday Night Game von Woche 1 gegen die Buffalo Bills an. Alle Augen der NFL-Welt sind auf die Partie gerichtet.

Nachdem Buffalo seinen ersten Drive mit einem Punt abschließt, betritt der 39-Jährige unter großem Applaus erstmals als Jet den Rasen des MetLife Stadiums. Nach einem 26-Yard-Lauf von Running Back Breece Hallvwirft Rodgers zum ersten Mal, allerdings kommt der Ball nicht an. Das darauffolgende Play wird wegen einer Flagge zurückgenommen. Bei seinem insgesamt vierten Spielzug kommt es dann zur Katastrophe.

Der Plan ist ein Passing Play, alle Anspielstationen laufen sich frei. Die Bills schicken vier Mann auf die Jagd nach Rodgers. Die Offensive Line versucht sie aufzuhalten - so weit, so normal. Allerdings rutscht der erfahrene Left Tackle Duane Brown im Duell mit Buffalos Defensive End Leonard Floyd weg, sodass diesem auf dem Weg zu Rodgers nichts mehr im Weg steht. Der Quarterback versucht dem Sack zu entgehen, wird aber von Floyd gepackt und zu Boden gebracht.

Zunächst steht Rodgers wieder auf, schüttelt dann aber kurz ungläubig den Kopf und lässt sich auf den Boden fallen. Mit der Hilfe von zwei Betreuern wird er vom Platz gebracht. Kurz darauf fangen die Kameras ein, wie er mit einem Wagen in die Katakomben gefahren wird. In einer Wiederholung der Szene im US-Fernsehen, bei der das linke Bein des 39-Jährigen vergrößert wird, ist sogar zu erkennen, wie plötzlich der gesamte Unterschenkel des Superstars vibriert - sofort wächst die Sorge vor einer schweren Verletzung.

Immerhin: Trotz eines wechselhaften Auftritts des designierten Rodgers-Stellvertreters Zach Wilson gewinnen die New Yorker das Spiel gegen eines der mutmaßlichen besten Teams der Liga dank eines Punt-Return-Touchdowns durch Xavier Gipson in der Overtime mit 22:16.

Doch die Freude währt nur kurz. Nach der Partie erklärt Head Coach Robert Saleh, dass das Team bei Rodgers einen Riss der Achillessehne befürchte - der vielleicht größte Albtraum aller Jets-Fans - und sich von einer Kernspinn-Untersuchung die Bestätigung der ersten Diagnose erwarte. Wie von Saleh angekündigt, zeigt das MRT, dass die Ärzte mit dem ersten Befund richtig lagen. Rodgers wird die gesamte Saison verpassen. Sogar eine Fortsetzung seiner Karriere ist in Gefahr.

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Aaron Rodgers: Ist die Saison der Jets damit gelaufen?

Das hängt von den Erwartungen ab, die man in das Team setzt. Auch wenn schwache Leistungen seitens der Quarterbacks die Jets zurückhielten, war der Kader schon in der vergangenen Spielzeit gut besetzt. Insbesondere die jungen Spieler, wie Cornerback Sauce Gardner, Running Back Breece Hall oder Wide Receiver Garrett Wilson überzeugten.

In der Offseason kamen diverse erfahrene Spieler hinzu, die mit Rodgers als Anführer auf einen Super Bowl hofften. Die erste Lombardi Trophy seit den Tagen von Joe Namath scheint angesichts der Verletzung von Aaron Rodgers aber ausgeschlossen. Immerhin: Eine Playoff-Teilnahme und damit das Ende einer 13-jährigen Durststrecke bleibt trotz der schwierigen AFC in Reichweite. Schließlich kann allein die Defense auf praktisch jeder Position mit echten Top-Stars glänzen.

Gegen Buffalo machten die Verteidiger der Jets dem gegnerischen Spielmacher Josh Allen das Leben zur Hölle. Fünf Sacks, drei Interceptions, ein gewonnener Fumble und nur 16 zugelassene Punkte standen am Ende gegen eine der besten Offensiven der NFL zu Buche. Mit Hall und dem ehemaligen Minnesota Viking Dalvin Cook stehen zudem zwei exzellente Running Backs in New York unter Vertrag, die durchaus in der Lage sind das Team zu tragen.

Und auch der Receiving-Corps kann sich wirklich sehen lassen. Schließlich bekommt Receiver-Youngster Wilson Unterstützung durch den aus Green Bay verpflichteten Allen Lazard, Geschwindigkeitsmonster Mecole Hardman, Altstar Randall Cobb und die Tight Ends Tyler Conklin und C. J. Uzomah.

Doch alles steht und fällt mit der Entwicklung von Quarterback-Talent Zach Wilson. Der 24-Jährige war 2021 von den New Yorkern als neuer Hoffnungsträger geholt worden, fiel aber bisher mehr durch eine angebliche Affäre mit der besten Freundin seiner Mutter als durch gute Leistungen auf dem Football-Feld auf. Nach der Ankunft von Rodgers schien dieser den jungen Spielmacher unter seine Fittiche genommen zu haben. Für die Jets bleibt nur zu hoffen, dass der 39-Jährige tatsächlich auf Wilson abfärben kann.

Andernfalls dürfte 2023 ein Jahr im grauen Mittelfeld der NFL werden, wobei selbst das für die Jets einen Fortschritt darstellt.

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Aaron Rodgers: Bedeutet die Verletzung das Karriereende?

Das ist - Stand jetzt - noch nicht abzusehen. Rodgers hat klar formuliert, dass er für mindestens zwei Jahre in New York spielen möchte. Ob er aber im fortgeschrittenen Football-Alter von 39 Jahren tatsächlich von einer so schweren Verletzung wie einem Achillessehnen-Riss zurückkommen kann, steht in den Sternen.

Fakt ist: Es gibt keinen Vergleichswert für einen Spieler, der sich in seinem Alter auf so hohem Niveau spielend so schwer verletzt, wie es bei Rodgers der Fall ist. Die Reha dürfte angesichts der Umstände nicht einfach werden. Dennoch: Ein klarer Grund für ein Comeback dürfte allein das Geld sein, das Rodgers bei den Jets noch verdienen kann.

Nach seinem Trade von den Green Bay Packers einigte er sich mit seinem neuen Arbeitgeber auf eine Umstrukturierung seines Vertrages. Über 75 Millionen Dollar kann der Quarterback in den kommenden zwei Jahren noch verdienen. Keine Kleinigkeit, auch wenn er laut spotrac.com in seiner 19-jährigen Karriere bisher knapp 342,5 Millionen Dollar eingestrichen hat.

Ein weiterer Hoffnungsschimmer für Jets-Fans ist zudem, dass der 39-Jährige trotz aller individueller Auszeichnungen bisher nur einmal den Super Bowl gewinnen konnte. Mit einem zweiten Titel, und das auch noch bei den Serien-Versagern aus New York, könnte er sein Vermächtnis auf eine ganz neue Stufe heben. Das dürfte den bisweilen etwas selbstverliebten Rodgers anspornen.

Allerdings stellt sich neben dem ob auch die Frage, wie der Spielmacher aussieht, sollte sein Comeback gelingen. Zwar ist sein Spielstil mehr von Finesse und Technik geprägt als von Athletik, wie das etwa bei Lamar Jackson von den Baltimore Ravens der Fall ist. Aber trotzdem ist Rodgers darauf angewiesen, sich bewegen zu können, um gegnerischen Pass Rushern auszuweichen. Häufig ist es die Beinarbeit in der Pocket, die die guten Quarterbacks von den Großartigen trennt.

Selbst wenn der viermalige MVP der Regular Season also wieder auflaufen kann, ist nicht gesagt, dass er die Jets automatisch wieder zu einem Super-Bowl-Kandidaten macht, dazu ist seine Mobilität zu wichtig.

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Aaron Rodgers: Welchen Quarterback könnten die Jets holen?

Die Verpflichtung eines Top-Quarterbacks für die laufende Saison scheint für die Jets eher unwahrscheinlich. Auch wenn New York wegen der Rodgers-Verletzung nur seinen Zweit- statt seinen Erstrundenpick im kommenden Draft an die Green Bay Packers schicken muss, werden sie diesen kaum für eine Übergangslösung auf der Spielmacher-Position investieren - für mehr fehlt aber die Gehaltsspielraum. Auf dem Trade-Markt könnten für den richtigen Preis mehrere gute Backups zu haben sein.

Etwa Cooper Rush, der in der vergangenen Spielzeit bei den Dallas Cowboys in mehreren Partien den etatmäßigen Starter Dak Prescott so gut vertrat, dass Forderungen laut wurden, ihn dauerhaft von Beginn an spielen zu lassen. Nachdem sich Dallas Quarterback-Hoffnung Trey Lance aus San Francisco für einen Viertrundenpick geschnappt hat, könnte Rush dort nicht mehr gebraucht werden.

Auch Tyler Huntley zeigte als Stellvertreter von Lamar Jackson bei den Baltimore Ravens immer wieder ansprechende Leistungen. Nachdem Veteran Josh Johnson ihm allem Anschein nach den Rang als erster Backup abgelaufen hat, könnte sich eine Chance für die Jets ergeben. Allerdings ist Huntleys Spielstil deutlich stärker auf seine Beine ausgelegt als der von Rodgers oder Wilson. Die Kompatibilität mit Offensive Coordinator Nathaniel Hackett könnte zum Problem werden.

Neben Rush und Huntley könnte auch Bailey Zappe eine Option sein. Der 24-Jährige überzeugte 2022 in mehreren Einsätzen für die New England Patriots, scheint in dieser Saison aber nur dann eine Chance zu bekommen, wenn Mac Jones sich verletzt, der sich in Woche 1 deutlich verbessert zeigte. Allerdings ist es eher unwahrscheinlich, dass Bill Belichick seinen Plan B aufgibt, um seinem ehemaligen Arbeitgeber aus der Patsche zu helfen - zu viel ist zwischen beiden Parteien vorgefallen.

Wird es nichts mit einem Trade, stehen auch noch einige namhafte Free Agents zur Verfügung. Laut ESPN haben sich die Jets bereits mit diversen vertragslosen Spielern in Kontakt gesetzt. Aber ob Carson Wentz tatsächlich ein Upgrade gegenüber Zach Wilson ist, darf dann doch bezweifelt werden. Gleiches muss über den (schlecht) gealterten Cam Newton gesagt werden.

Bei Matt Ryan ist das Problem, dass er zwar offiziell noch nicht zurückgetreten ist, was aber eher damit zusammenhängen dürfte, dass ihm die Indianapolis Colts auf diese Weise nach seiner Entlassung noch zwölf Millionen Dollar schulden.

Auch Nick Foles, Super-Bowl-Held der Philadelphia Eagles, soll auf der Liste stehen. Der 34-Jährige ist verfügbar, konnte aber bei keinem anderen Team an seine Leistungen bei Philly anknüpfen und behielt seinen Job als Starter weder bei den Indianapolis Colts noch bei den Chicago Bears oder den Jacksonville Jaguars.

Der wahrscheinlich spannendste Name aus dem Bericht ist aber der von Colin Kaepernick. Der Bürgerrechtsaktivist hat seit 2016 kein Spiel in der NFL gemacht, war aber ein Pionier für die Running Quarterbacks und ist "erst" 35 Jahre alt. Mehrere Comeback-Versuche des Spielmachers scheiterten aus unterschiedlichen Gründen, trotzdem soll er sich immer noch fit halten. Würde er kommen, wäre das eine echte Sensation.

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Aaron Rodgers: Gibt es ein letztes Comeback von Tom Brady?

Zwar nennt ESPN seinen Namen nicht, doch den Spekulationen um ein letztes Hurra von Tom Brady bei den New York Jets tut das keinen Abbruch. Schon einmal hat der GOAT seinen Rücktritt erklärt, nur um einige Monate danach sein Comeback bekannt zu geben. Trotzdem scheint es äußerst unwahrscheinlich, dass der 45-Jährige erneut einen Rückzieher macht - ganz besonders für die New York Jets.

Erst am vergangenen Wochenende verkündete Robert Kraft, Eigentümer von Bradys langjährigem Team, den New England Patriots, dass der Quarterback ohne Wartezeit in die Hall of Fame des Klubs aufgenommen werde. Würde er jetzt zu New Englands Erzfeinden in New York wechseln, dürfte das seine Beziehung zu den Patriots ordentlich beschädigen. Etwas, das er angesichts der engen Verbindung zu Kraft und der Franchise kaum wollen kann.

Zudem bekräftigte Brady in der Offseason seinen Übergang in die Football-Rente immer wieder, wie zum Beispiel mit der Einsendung schriftlicher Unterlagen an die NFL, die sein Karriereende final bestätigten. Würde der 45-Jährige nun zum zweiten Mal den Rücktritt vom Rücktritt beschließen, dürfte er sich in diesem Punkt endgültig selbst zur Lachnummer machen, was ihm bewusst sein muss.

Ebenfalls ein Hindernis für einen Jets-Wechsel: Brady hat sich in der Offseason bei den Las Vegas Raiders eingekauft, die am 13. November gegen New York spielen. Es ist ein undenkbares Szenario, dass ein Eigentümer gegen seinen eigenen Klub aufläuft - fast so undenkbar, wie dass der 199. Pick zum besten Spieler der Geschichte aufsteigt.

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